Der Kampf um den Erhalt der Geburtsklinik in Neuperlach zieht neue Kreise: Eine der Hebammen dort, Leonie Lieb, steht vor dem Arbeitsgericht in Schwabing und sagt: "Ich muss mich wehren." Sie hat gegen ihren Arbeitgeber, die München Klinik (MüK), geklagt, von der sie im Februar eine Abmahnung erhalten hat. Die MüK soll die Abmahnung zurücknehmen, sie sei "illegitim und nicht haltbar", sagt die 28-Jährige.
Anlass ist ein Interview, das die Hebamme der linken Tageszeitung Junge Welt Anfang Februar gegeben hat. Sie hätte sich vor dem Medienkontakt mit ihrem Arbeitgeber abstimmen müssen, was sie nicht getan habe, sagt die MüK. Darauf folgte die Abmahnung. Ein "krasser Einschüchterungsversuch", findet Lieb. Ihr Engagement habe der MüK nicht gepasst, sagt sie.
In dem Interview kritisiert Lieb die kommunale München Klinik für ihre Sanierungspläne. Ursprünglich sahen sie vor, bereits im Jahr 2024 die Neuperlacher Geburtshilfe zu schließen und mit der Geburtshilfe im Harlachinger Krankenhaus zusammenzulegen. Ein Team aus Hebammen und Kinderkrankenschwestern in Neuperlach, darunter Lieb, sammelte daraufhin mehr als 23 000 Unterschriften in einer Petition gegen diese Pläne. Die Stadtpolitik lenkte im Januar dieses Jahres ein: Die grün-rote Koalition versprach, für eine Verlängerung zu sorgen. Bis 2028 scheint die Klinik damit vorerst gerettet zu sein. Allerdings fehlt noch ein Beschluss des Stadtrats.
Die Abmahnung versteht die Hebamme als Drohung gegenüber ihrem ganzen Team, das sich gegen die Sanierungspläne engagiert hatte. Sie verklagt die MüK und fordert die Rücknahme der Abmahnung. "Ich will zeigen, dass man sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen engagieren kann."
Die MüK bestreitet, dass die Abmahnung wegen ihres Engagements für den Neuperlacher Kreißsaal ausgesprochen wurde. "Richtig ist, dass sie wiederholt, trotz mehrfacher Hinweise und Gespräche, gegen eine Dienstanweisung verstoßen hat", teilt ein Sprecher mit. "Diese beschränkt keine Äußerungen, aber verlangt, dass vor Medienkontakten eine Abstimmung erfolgt." Außerdem werde die Abmahnung ohnehin spätestens Mitte Februar nächsten Jahres aus der Personalakte entfernt.
Vor dem Arbeitsgericht an der Winzererstraße steht eine große Menschentraube, viele halten Fahnen und Transparente hoch. Vier Polizisten beäugen die Protest-Kundgebung von der Ecke aus. "Wir wollen der MüK zeigen, dass wir uns nicht den Mund verbieten lassen, wenn wir uns für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen", sagt Nadine Adlich von Verdi, die die Kundgebung organisiert hat. Auch die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der München Klinik Ingrid Greif stellt sich hinter Lieb: Man wolle an ihr ein Exempel statuieren und damit allen Beschäftigten die Botschaft mitgeben, dass es gefährlich sei, die Sanierungspläne infrage zu stellen, sagt Greif. Die Klage der Hebamme sei eine Klage für das ganze Kollegium: "Sie tut es für uns alle!"
Der Anwalt sieht das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt
Leonie Lieb selbst spricht vom sogenannten Union Busting. Der Begriff steht im Englischen für eine systematische Unterdrückung der Arbeitsnehmervertretung, etwa wenn sich Beschäftigte in einer Gewerkschaft organisieren wollen. "Das lasse ich mir nicht gefallen", so Lieb. Ihr Anwalt Timo Winter sieht hier außerdem das Recht seiner Mandantin auf freie Meinungsäußerung verletzt. Er ist der Meinung, dass das Gericht grundsätzlich entscheiden sollte, ob solche Dienstanweisungen, wie die, auf die sich die MüK bezieht, angemessen seien.
Im Gerichtssaal geht dann alles ganz schnell. Die Richterin versucht noch durch einen Vergleichsvorschlag die Sache zu klären: Die Abmahnung könne doch zum 30. November aus der Personalakte genommen werden. Doch darauf lassen sich die Parteien nicht ein - und die Richterin verlangt Stellungnahmen bis Ende des Monats. Ein weiterer Termin für die Verhandlung werde außerdem noch bestimmt. Damit war die Sitzung nach nur sieben Minuten beendet - und es ist klar: Lieb wird weiterkämpfen.