Zukunftsforum zur Agrarpolitik:Auf der Suche nach dem richtigen Weg

Lesezeit: 4 min

Die Landwirtschaft steht derzeit stark im Fokus, viele Bauern fürchten um ihre Zukunft. (Foto: Marco Einfeldt)

Ziel ist eine ressourcenschonende Landwirtschaft, darin sind sich Politiker, Bauernverband und Umweltaktivisten bei einer Diskussion in Weihenstephan einig. Methoden und Tempo aber bleiben Streitpunkte.

Von Petra Schnirch, Freising

Es war ein erstaunlicher Abend im Zentralen Hörsaalgebäude am Campus. Beim zweiten "Weihenstephaner Zukunftsforum zur Agrarpolitik" diskutierten Vertreter von Bauernverband und Greenpeace, ein Klimaaktivist und eine Politikerin über weite Strecken sehr sachlich und weitgehend ohne Polemik miteinander. Deutlich wurde auch, dass sie alle eigentlich das Gleiche wollen - eine nachhaltige Landwirtschaft, die sorgsam mit den Ressourcen umgeht, die Artenvielfalt schützt, aber auch ökonomisch erfolgreich ist. Keinen Konsens aber gab es über die Wege dahin und über das Tempo notwendiger Veränderungen.

Mit der Reihe will das Hans-Eisenmann-Forum der TU München "mit der Gesellschaft diskutieren und auch zuhören", wie Direktor Senthold Asseng zu Beginn der Veranstaltung sagte. Und die Wissenschaft kann und muss Teil der Lösung sein, auch das wurde am Mittwoch deutlich. Das Thema lautete "Klimawandel versus Landwirtschaft", zwischen Ernte und CO₂-Bilanz. Ganz konnte der Konflikt nicht aufgelöst werden. Wissenschaftliche Impulse für die Expertinnen und Experten gab TUM-Professor Johannes Sauer. Die Moderation übernahm Heike Zeller. Etwa 200 Zuhörerinnen und Zuhörer waren in den Hörsaal 16 gekommen.

Negative Effekte treffen die Landwirtschaft schon jetzt, auch in Bayern, weil weniger Wasser verfügbar ist, die Temperaturen steigen, Erträge teils sinken und der Hitzestress für Tiere größer wird. Das Risiko für die Landwirte beispielsweise beim Anbau von Winterweizen steige durch Wetterextreme, sagte Sauer. Einige Standorte profitierten aber auch von längeren Vegetationsperioden. Insgesamt entstünden jedoch irreparable Schäden für das Ökosystem.

Der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner findet derzeit auf vielen Bühnen deutliche Worte zur Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen. In Weihenstephan diskutierte er engagiert, aber sehr sachlich. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
Für Bio-Landwirt und Grünen-Kreisrat Toni Wollschläger liegt die Zukunft in einer vielfältigen, grünen Landwirtschaft. (Foto: Marco Einfeldt)

Dass der Weg nur über einen möglichst raschen Ausstieg aus den fossilen Energien führen kann, darin waren sich die Experten einig, nicht aber, wie das gelingen kann. Der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner sagte, dass man wesentlich mehr Erträge und Flächen benötigen werde, um in allen Bereichen fossile Kohlenstoffe durch grüne Ressourcen zu ersetzen. Was er vermisst: Fast niemand denke das "gesamte System", kritisierte er. Viele seien nur "sektoral" unterwegs, "deshalb scheitern wir auch". Flächen müssten künftig multifunktional genutzt werden. "Wenn wir uns hier nicht selber versorgen können, wer soll die Lücke schließen?", fragte er. Wenn man auf Importe angewiesen sei, werde aus dem "Green Deal" ein "Dirty Deal". Und er warnte: Zurzeit erlebe man, dass die Angst vor einem Wohlstandsverlust die Gesellschaft spalte.

Andere Ansätze, die Ernährung zu sichern, hält Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace, für Erfolg versprechend. Er verwies darauf, dass ein wichtiger Punkt des europäischen "Green Deal" die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung sei. Zugunsten der Umwelt müsse zudem der Düngeeinsatz reduziert werden, bei gleichbleibenden Erträgen. "Das kriegen die Landwirte hin", meinte er. Dies hätten sie aufgrund der stark gestiegenen Dünger-Preise durch den Krieg in der Ukraine bewiesen.

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Nach Einschätzung von Alexander Wolf, Aktivist der "Letzten Generation" und Elektrotechnikingenieur, läuft hierzulande einiges schief. Schlagwörter und große Ankündigungen allein würden nicht weiterhelfen. "Vielleicht verwechseln wir Wohlstand mit Überfluss", gab er zu bedenken. "Wir werden daran scheitern, wenn wir nichts verändern wollen." Wenn nicht mehr passiere, "sehen wir nur noch die Rücklichter", sagte er und verwies auf innovative Entwicklungen in der Autoindustrie. "Die Wissenschaft gibt das Maß vor, nicht irgendeine Lobby."

Dass der Bauernverband seit vielen Jahren eine sehr erfolgreiche Lobbyarbeit betreibe, das bescheinigte ihm Martin Hofstetter gleich zu Beginn. Er sei "beeindruckt", wie langsam es in der Branche vorangehe, meinte er süffisant. Auch Toni Wollschläger, Bio-Landwirt und Grünen-Politiker aus dem Landkreis Freising, der als weiterer Experte im Publikum geladen war, kritisierte die "Vergangenheitskleber" auf diesem Gebiet. Die Zukunft liegt für ihn in einer vielfältigen, grünen Landwirtschaft, nicht in einer stetigen Produktionssteigerung mit immer größerem Stickstoffeinsatz. Felßner wies dies als "platte Attitüde" zurück. In der Sache sei man sich einig, auch sein Ziel sei eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Dass der Bauernverband nur an Althergebrachtem festhalte, wies er als Unterstellung zurück. Landwirtschaft sei Veränderung, jeden Tag aufs Neue.

Ulrike Müller fordert für die Landwirte "Rahmenbedingungen, die verlässlich sind"

Wie der Bauernpräsident ist auch Ulrike Müller Praktikerin, die Freie-Wähler-Politikerin bewirtschaftet mit ihrer Familie einen Milchviehbetrieb. Die Landtagsabgeordnete sitzt bis Juni auch noch im Europaparlament. Die Ziele, die dort aktuell "auf dem Tisch liegen", seien machbar, bilanzierte sie. Aber sie verwies auch darauf, dass ein großer Teil der Gesetze, die in den vergangenen Jahren verabschiedet wurden, die Landwirte massiv betreffen. Ein "Zauberwort" sei für sie deshalb Planungssicherheit. "Wir brauchen Rahmenbedingungen, die verlässlich sind." Den Landwirten dürfe man nicht zu viel aufbürden. "Aber wir stehen zur Klimaneutralität bis 2050."

Der Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgas-Emissionen in Deutschland lag 2022 bei acht Prozent, erläuterte Wissenschaftler Johannes Sauer. Einer der Beiträge aus der Wissenschaft zur Reduzierung der Umweltauswirkungen ist das "New Food", auch in Weihenstephan wird intensiv geforscht. Dazu zählen neue Lebensmittel wie Fleisch aus dem Labor, pflanzliche Proteine etwa aus Lupinen oder Erbsen, die tierische Eiweiße ersetzen können, oder der Indoor-Pflanzenanbau. Der Nachteil: Der Energieeinsatz ist bisher oft noch sehr hoch, ebenso die Kosten. Ulrike Müller ist da ohnehin skeptisch. "Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung bereit ist, Laborfleisch zu essen", sagte sie. Essen sei auch Tradition, in anderen Ländern wie Frankreich noch viel mehr als in Deutschland. Klimaschutz ist für sie, "wenn jeder auf seinem Hof anfängt", was Alexander Wolf zu einem Kopfschütteln veranlasste.

Einige Entscheidungen sind in der Praxis nur schwer nachzuvollziehen

Dass einige Entscheidungen für den Praktiker nicht nachzuvollziehen sind, beklagte ein Landwirt aus dem Publikum. Er könnte den Diesel für seine Fahrzeuge komplett durch Biokraftstoffe ersetzen, vier seiner 80 Hektar Land würden für den Anbau ausreichen. Doch das sei politisch nicht mehr erwünscht, Grund sei die "unselige Tank-oder-Teller-Diskussion" der vergangenen Jahre. Klimaaktivist Wolf kritisierte zudem, dass sinnvolle Pläne einfach in der Schublade liegen blieben. Warum gebe es kein Tempolimit, warum kein Essen-Retten-Gesetz? Lobbyisten und Großkonzerne verhinderten dies.

Konkrete Lösungen konnte natürlich auf das "Zukunftsforum" am Campus nicht liefern. Immerhin aber hat die Wissenschaft verschiedene Seiten zu einem sachlich geführten Gespräch zusammengebracht. Auch kein unwichtiger Schritt.

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