Der große Überblick 2023:Was das Filmfest München zu bieten hat

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Von Cannes nach München: Aki Kaurismäkis preisdekorierte Tragikomödie "Fallende Blätter" (im Bild Alma Pöysti und Jussi Vatanen) ist als Deutschlandpremiere beim Filmfest zu sehen. (Foto: Malla Hukkanen/Sputnik Oy/Pandora Film)

Von Aki Kaurismäki bis Barbara Sukowa: Die 40. Ausgabe zeigt 147 Filme aus 61 Ländern, darunter einige Weltpremieren. Themenschwerpunkte des abgespeckten Festivals sind Vielfalt, Internationalität und Künstliche Intelligenz. Bei den Ehrengästen dominieren die Frauen.

Von Bernhard Blöchl, Josef Grübl und Barbara Hordych

Eine junge Frau mit verträumtem Blick wird die Münchnerinnen und Münchner in den kommenden Wochen verfolgen, auf Plakaten, Online-Bannern oder in der U-Bahn. Die unbekannte Schönheit wirbt für das 40. Filmfest München, Festivalbeginn ist am Freitag, 23. Juni. Bis Samstag, 1. Juli, gibt es 147 Filme aus 61 Ländern zu sehen, 43 davon sind Weltpremieren. "Wir können es kaum erwarten, diese enorme Bandbreite internationaler Filme dem Publikum zu präsentieren", sagte die scheidende Festivalleiterin Diana Iljine bei der Vorstellung des Programms.

Es gibt also viel Neues zu entdecken, auch das Rahmenprogramm klingt spannend: Insgesamt 25 der beliebten "Filmmakers Live"-Fragestunden finden statt - sowie Fachveranstaltungen, Panels, Partys und Preisverleihungen. Im Pavillon 333 der Pinakothek der Moderne entsteht ein KI-Labor, dort werden in kostenlosen Veranstaltungen filmische, ästhetische, soziale und politische Fragen erörtert. Im Mittelpunkt stehen aber die Filme, die Kinos sind über die ganze Stadt verteilt. Der Online-Kartenvorverkauf startet Mitte Juni, Tickets gibt es auch im Festivalzentrum sowie während des Festivals in ausgewählten Filmfest-Kinos. grü

Das Filmfest feiert 40. Geburtstag

Zum letzten Mal gemeinsam: Noch-Filmfest-Chefin Diana Iljine und Christoph Gröner, der künstlerische Leiter und künftige Direktor. (Foto: Catherina Hess)

Zahlen, bitte! Das Filmfest feiert 40. Geburtstag, obwohl es im 41. Jahr stattfindet. Ist aber leicht erklärt: Da es 2020 pandemiebedingt ausfallen musste, wurde aus der 41 eine 40. Zahlenkreativ ist auch der Ministerpräsident: In seinem Geburtstags-Grußwort freut sich Markus Söder, dass München "für zehn Tage zu einer internationalen Metropole des Kinos und des Films" werde. Womit er nicht ganz auf dem aktuellen Stand ist: Wegen der angespannten Finanzsituation dauert die Geburtstagsausgabe nur neun Tage.

Gefeiert wird trotzdem, im Amerikahaus etwa: Das Festivalzentrum ist Anlaufstelle für Filmvorstellungen, Diskussionen, Drinks oder Tickets. Die Festivalkinos (Arri, City, Rio, Gloria, Sendlinger Tor und Filmmuseum) haben sich bewährt, Veranstaltungen gibt es auch in der HFF, im Museum Brandhorst, im HP8 oder bei "Kino, Mond und Sterne". In den Fünf Höfen findet die Fotoausstellung "Leinwandheld:innen" statt, zudem wird es eine Reihe mit Filmen aus 40 Jahren Filmfest geben. 13 Jahre und 12 Festival-Ausgaben lang war Diana Iljine Festival-Chefin, jetzt verlässt sie das Filmfest. Die kommenden beiden Jahre übernimmt der künstlerische Leiter Christoph Gröner, danach wird neu ausgezählt. grü

Internationales Kino

Beim Tanzen sind alle vereint: "The Persian Version" von Maryam Keshavarz. (Foto: Sony Pictures)

Entdecken ist leicht. Entdeckt zu werden dagegen: superschwierig. Das Angebot ist groß, vor allem an internationalen Filmen und Serien. So richtet sich das Interesse am Ende auf ein paar wenige Werke mit längst entdeckten Stars. Beim Filmfest dagegen kann man Produktionen aus kaum bekannten Filmländern wie Malaysia, Nigeria, Katar oder Kuba entdecken. Der Eröffnungsfilm "The Persian Version" erzählt von einer jungen Frau, die als Kind mit ihren Eltern in die USA ausgewandert ist und sich in zwei unterschiedlichen Kulturen zurechtfinden muss. Die Culture-Clash-Komödie gewann in Sundance den Publikumspreis .

Aus Cannes kommen neue Filme von Aki Kaurismäki ("Fallende Blätter") oder Hirokazu Kore-eda ("Monster"), in Toronto lief Stephen Frears' jüngste Regiearbeit "The Lost King" mit Sally Hawkins als Amateurhistorikerin auf den Spuren von König Richard III. In Venedig begeisterte der Japaner Kôji Fukada mit dem Familiendrama "Love Life". Außer Festival-Highlights präsentiert das Filmfest auch sechs internationale Weltpremieren: Vincent Perez etwa kommt mit seinem Mantel-und-Degen-Film "The Edge Of The Blade" nach München. Das US-Regie-Duo Sophia Sabella und Pablo Feldman will mit dem Coming-of-Age-Film "Edge of Everything" anreisen - und vom Publikum entdeckt werden. grü

Filme aus Deutschland

Heavy-Metal-Zeitreise: Die Serie "Legend of Wacken" zeichnet spielerisch die Entstehung des beliebten Open-Air-Festivals nach. Gezeigt werden die ersten beiden Folgen. (Foto: Filmfest München)

Üblicherweise sind Filme aus Deutschland in München stark vertreten. Das lässt sich an der konsequenten und oft gelobten Wettbewerbsreihe "Neues Deutsches Kino" ablesen, aber auch an der Schwesterreihe "Neues Deutsches Fernsehen", die seit Kurzem auch Serien präsentiert. Bei den Kinofilmen, Weltpremieren allesamt, darf man gespannt sein auf "Black Box", Aslı Özges Thriller zum Auftakt, der den Mikrokosmos eines Berliner Innenhofs beleuchtet, mit Luise Heyer in der Hauptrolle. Auch das Regie-Debüt von Denis Moschitto macht neugierig: In dem Underground-Thriller "Schock - Kein Weg zurück" spielt er einen Arzt ohne Zulassung, der Kriminelle behandelt, und ist zudem mit Daniel Rakete Siegel für die Inszenierung verantwortlich.

Wie schon ihr Filmfest-Gastspiel "Sterne über uns" (2019) ist auch ihr neues Werk "Monster im Kopf" ein filmischer Kraftakt über eine willensstarke Frau: Christina Ebelt erzählt von einer Hochschwangeren im Gefängnis, die darum kämpft, dass ihr Kind auch nach der Geburt bei ihr bleibt. Ebenfalls im jungen und diversen Programm zu finden: Roadtrips ("Dead Girls Dancing"), Debüts ("Fossil") und Dokumentarfilme ("Das Kombinat", "War And Justice").

Prominent besetzt sind die neuen Arbeiten von Rainer Kaufmann, Markus Goller und Lars Kraume : In "Weißt du noch" reisen Senta Berger und Günther Maria Halmer zurück in ihre Vergangenheit, in "One For The Road" ergründen Frederick Lau und Nora Tschirner das rauschhafte Leben, um große Gefühle geht es auch in "Die Unschärferelation der Liebe" mit Caroline Peters und Burghart Klaußner.

Caroline Peters und Burghart Klaußner in Lars Kraumes romantischer Komödie "Die Unschärferelation der Liebe". (Foto: X Film/X Verleih)
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Im Fernsehfilm- und Serien-Programm gibt es Neues von Axel Ranisch ("Nackt über Berlin"), Tom Lass ("Tod den Lebenden"), Marc Rothemund ("Entführt - 14 Tage Überleben") und Luzie Loose ("Everyone Is F*cking Crazy"). Der Münchner Grimme-Preisträger Alexander Adolph hat gleich zwei Premieren ("Flunkyball" und "Die nettesten Menschen der Welt"). Populäre Themen umspielen die Serien "Gute Freunde - Der Aufstieg des FC Bayern" (mit Markus Krojer, Regie: David Dietl) und "Legend Of Wacken" (mit Charly Hübner, Regie: Lars Jessen und Jonas Grosch). blö

Stars und Ehrengäste

Die deutsche Schauspielerin Barbara Sukowa stellt ihren neuen Film "Dalíland" (rechts neben Ben Kingsley und Andreja Pejic) vor. (Foto: Filmfest München)

Barbara Sukowa hat bereits alle möglichen Auszeichnungen erhalten, sowohl national (Bayerischer Filmpreis, Deutscher Filmpreis), als auch international (in Venedig oder Cannes). Jetzt kommt ein weiterer Preis dazu: Sukowa kommt nach München und erhält den Cine-Merit-Award. Einen neuen Film bringt sie auch mit: In "Dalíland" spielt sie die Ehefrau des spanischen Malers Salvador Dalí. Ihre Regisseurin Mary Harron reist ebenfalls an.

Aus Deutschland haben sich wie immer viele Stars angekündigt, aus Österreich kommt Jessica Hausner. Der Regisseurin ("Little Joe", "Lourdes") ist die Retrospektive gewidmet, sie stellt auch ihren neuen Film "Club Zero" vor. Die Multimediakünstlerin Shu Lea Cheang präsentiert ihren Cyberpunk-Spielfilm "Uki" als Weltpremiere, das Filmfest widmet ihr in Kooperation mit dem Museum Brandhorst eine Hommage. Ebenfalls in München erwartet werden Maryam Keshavarz ("The Persian Version"), Stephen Frears ("The Lost King"), Mira Fornay ("Mimi"), Paolo Genovese ("Il primo giorno della mia vita") oder der Schauspieler Timothy Spall ("Northern Comfort"). Einige von ihnen - darunter auch Senta Berger, die in der neuen, filmfestunabhängigen Reihe "Actors Talk" zu Gast ist - kann man auch bei den kostenlosen "Filmmakers live"-Veranstaltungen im Amerikahaus erleben. grü

Auszeichnungen und SZ-Publikumspreis

Wie schon 2022 geht die Filmfest-Eröffnung in der Isarphilharmonie über die Bühne. (Foto: Felix Hörhager/dpa)

Das Filmfest hält an den bewährten Auszeichnungen fest. Neben dem prestigeträchtigen Cine-Merit-Award für herausragende Persönlichkeiten des Filmschaffens (Barbara Sukowa, siehe oben) gibt es die hoch dotierten Wettbewerbspreise Arri Award und Cinevision-Award für internationales Kino, die Förderpreise Neues Deutsches Kino und den noch jungen Cine-Rebels-Award für experimentelle Filme. Außerdem werden unter anderem der Kritikerpreis Fipresci, der Bernd-Burgemeister-Fernsehpreis (für Film und Serie) und der Cine-Kindl-Award für Kinderfilme verliehen. Auch Besucher können mitentscheiden: Sowohl beim Kinderfilmfest-Publikumspreis als auch beim Bayern 2- und SZ-Publikumspreis hat jeder die Möglichkeit, nach der Vorführung via QR-Code abzustimmen. Zu gewinnen gibt es einen Jahres-Kinopass für zwei Personen. blö

Kinderfilmfest

Beschatten als Detektivtrio eine verdächtige Nachbarin: Franz (Jossi Jantschitsch, links), Gabi (Nora Reidinger) und Eberhard (Leo Wacha) in "Neue Geschichten vom Franz". (Foto: Filmfest München)

Kinder wachsen an und mit ihren Lieblingsfiguren - von daher ist es nur allzu verständlich, dass sie einem Wiedersehen mit ihren Helden und Heldinnen in Fortsetzungen entgegenfiebern. So dürften die "Neuen Geschichten vom Franz", der zweite Teil der erfolgreichen Kinderbuch-Verfilmung nach Christine Nöstlinger von Johannes Schmid, die Fans von Franz, Gabi und Eberhard besonders erfreuen: Dieses Mal gehen die drei auf turbulente Verbrecherjagd, wollen die oberstrenge und obendrein sehr verdächtige Nachbarin Frau Berger beim Diebstahl auf frischer Tat ertappen. Dabei raufen sich die drei Freunde, die zwischenzeitlich zerstritten waren, wieder zusammen.

Dass das Bedürfnis, seinen geliebten Helden aus Kinderzeiten wieder zu begegnen, auch Erwachsene umtreiben kann, beweisen die "Neuen Geschichten vom Pumuckl", in denen ein kleiner rothaariger Kobold wieder aufersteht und seinen Schabernack treibt. In der Serie von Marcus H. Rosenmüller bleibt er zwar wie schon vor 60 Jahren in einer Münchner Schreinerei am Leim kleben und wird so sichtbar - doch dieses Mal begegnet er dabei Meister Eders Neffen. Vielleicht gelingt es dem Kobold, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sich einer neuen Generation von Kindern in einer zeitgemäßen Variante zu präsentieren - und die Kindheitserinnerungen der Eltern zu wecken.

Auch Nelly Rapp, die Heldin der gleichnamigen Buchreihe von Martin Widmark, ist auf dem Kinderfilmfest in ihrem zweiten Kinoabenteuer, "Nelly Rapp - der dunkle Wald", zu erleben: Nachdem sie im ersten Teil das Familiengeheimnis gelüftet hat und nun selbst als unerschrockene Monsteragentin arbeitet, schickt Regisseur Johan Rosell sie nun in den gefürchteten dunklen Wald, in dem einst ihre Mutter verschwand. Neben diesen und anderen filmischen Entdeckungen gibt es im Rahmenprogramm des von Tobias Krell kuratierten Festivals aber auch zahlreiche Gelegenheiten für Kinder und Jugendliche, als Moderatoren, Reporterinnen oder Jungregisseure mitzumachen. by

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