SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 23:"Können Sie mir das Kissen aufschütteln?"

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Ein Notrufknopf hängt am über einem Bett in der Notaufnahme eines Klinikums (Symbolfoto). (Foto: dpa)

Was tun wenn einzelne Patienten wegen banaler Dinge ständig die Notfallklingel läuten? Julia Rettenberger hat zwei Lösungen.

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An jedem unserer Betten gibt es diese Klingel. Drückt sie ein Patient, dann schrillt über die gesamte Station hinweg ein Alarm. Alle 30 Sekunden, bis er ausgeschaltet wird von der Pflegekraft, die nach dem Rechten sieht - in der Regel ist das diejenige, die den Patienten zu Beginn ihrer Schicht zugeteilt bekommen hat. Es ist eine Notfallklingel. Für Notfälle und dringende Bedürfnisse, die der Patient ohne Hilfe nicht erledigen kann. Das bedeutet, dass ich meine Arbeit - sofern sie nicht lebensnotwendig ist - sofort unterbreche, Handschuhe und so weiter wechsle und zu dem Patienten in Not eile. Jedoch kommt es auch vor, dass ich dann im Zimmer bin und einen Satz höre wie: "Könnten Sie mir das Kissen aufschütteln?"

Wenn Patienten wegen solcher oder ähnlicher Dinge die Notfallklingel läuten, dann machen sie das oft nicht nur einmal. Sie klingeln immer wieder. Dazu muss man wissen: Zu jedem meiner Patienten schaue ich ganz regulär einmal pro Stunde ins Zimmer, wenn nicht sogar öfter. Dennoch habe ich immer wieder Patienten, die mich mit ihrem Klingeln aus meiner Arbeit reißen. So muss ich dann zum Beispiel den Patienten, den ich in diesem Moment wasche, notdürftig abdecken - um dann bei jemand anderem das Kissen aufzuschütteln. Oder die Pin vom Telefon eingeben.

Oder ein Glas Wasser holen. Oder das Kopfteil vom Bett hochfahren - und das alles, obwohl die Patienten oft nicht bettlägerig sind und somit die meisten dieser Dinge selbst tun könnten. Und selbst wenn nicht: Ein Notfall sieht nun wirklich anders aus. Mich und meine Kolleginnen und Kollegen treibt ein solches Verhalten beinahe in den Wahnsinn.

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Pauschalisieren sollte man das aber natürlich nicht, denn manchmal ist das ständige Klingeln ein Anzeichen von Angst, nach dem Prinzip: Ich bin ja hier auf der Intensiv, da soll lieber ganz oft jemand nachschauen, ob auch wirklich noch alles in Ordnung ist mit mir. So etwas merke ich in der Regel schnell - Angst lässt sich schwer verstecken. Ich erkläre den Patienten dann ganz genau, welche Dinge sie bedenkenlos alleine tun können und dürfen. Meistens ist das ausreichend, um sie in ihrem Verlangen zu bremsen, dass ständig jemand bei ihnen sein muss.

Ist aber keine Angst im Spiel, dann nehme ich mir auch mal das Recht, den Patienten zurechtzuweisen: Auf der Intensiv versorgen wir auch Menschen, bei denen es um Leben und Tod geht - und der Dauerklingler gehört nicht zu denjenigen, die gerade am meisten auf meine Hilfe angewiesen sind. Oft fruchtet diese Ansage, ich habe aber auch Antworten wie "Aber mir gehts doch auch schlecht!" gehört. Klar ist: Niemandem geht es super, wenn er auf der Intensiv liegt. Dennoch gibt es Unterschiede. Eine generelle Rücksichtnahme sollte von keinem Patienten bei Betreten der Klinik an der Pforte abgegeben werden. Sonst funktioniert das System nicht.

Julia Rettenberger ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 27-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte finden Sie unter sueddeutsche.de/thema/Auf_Station .

© SZ vom 18.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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