Prozess in München:Siedendes Öl ins Gesicht geschüttet

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Ein Kochtopf auf einem Herd (Symbolfoto). (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein 25-Jähriger bringt Flüssigkeit in einem Topf zum Kochen und greift damit seinen Mitbewohner an. Vor Gericht treffen sich beide wieder.

Von Korbinian Eisenberger, München

Heißes Öl kann eine Waffe sein. Das sieht man am Körper des Mannes, der gleich als Zeuge aussagen soll. Vor dem Gericht hebt er sein T-Shirt an. Die Narbe geht vom Bauchnabel hinauf bis über die linke Schulter. Auf seinem Handy hat er Bilder gespeichert, da sah er noch deutlich gezeichneter aus mit Brandwunden im Gesicht und am Hals. "Es war wie in einem Horrorfilm", sagt er. Dann betritt er den Gerichtssaal, wo sein damaliger Mitbewohner als Angeklagter wartet.

Am ersten Prozesstag bestätigt sich im Kern, was die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorwirft: Der 25 Jahre alte Mann räumt am Montag vor dem Münchner Landgericht ein, tatsächlich heißes Öl aus einem Kochtopf über seinen damaligen Mitbewohner geschüttet zu haben, ein heute 46-Jähriger. Die Frage, die das Gericht und seine Gutachter nun beschäftigt: Warum hat der Mann das gemacht?

Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage davon aus, dass die Tat im April 2021 absichtlich geschah und geplant gewesen sei. Der Mann habe einen Topf vom Typ Stielkasserolle mit 200 bis 300 Millilitern Öl in der Gemeinschaftsküche erhitzt und seinem Mitbewohner und Zimmergenossen "aus einer Entfernung von etwa einem Meter absichtlich in das Gesicht und auf den Oberkörper" gegossen.

In der Version des Verteidigers lief es so ab: "Der Angeklagte hat Essen zubereitet, es kam zu einer Situation, wo er sich von dem Geschädigten angegriffen fühlte." Aus diesem Grund sei er zurückgewichen und habe das Öl auf den Geschädigten geschüttet. Seither sitzt er in Untersuchungshaft.

"Ich habe keinerlei Verdacht geschöpft."

Vor Gericht treffen sich die einstigen Zimmergenossen erstmals seit diesem Vorfall wieder. Der eine auf dem Angeklagten-Stuhl, der andere auf dem Zeugensitz. Aus den Erzählungen der beiden wird deutlich, dass ihr Verhältnis vor dem Angriff mehr als angespannt war.

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Hintergrund ist, dass die beiden seinerzeit in einer Gemeinschafts-Asylunterkunft des Landkreises Ebersberg wohnten und sich dort mehrere Monate ein Zimmer teilten. Offenbar konnten sich die beiden von Beginn an wenig leiden. Warum genau, diese Frage kann am ersten Gerichtstag nicht restlos geklärt werden. Dass der 25-jährige Angeklagte aus Gambia stammt, das zu 90 Prozent muslimisch geprägt ist, und der 46-jährige Geschädigte aus dem christlich geprägten Teil Nigerias kommt, könnte Teil der Erklärung sein. "Ich habe den Leuten immer gesagt, dass ich nicht mit einem Muslim zusammen in einem Raum leben möchte", erklärte der als Zeuge geladene Geschädigte. Schließlich berichtete er seine Version des Abends.

Es begann unaufgeregt. Gegen 19.30 Uhr, so der 46-Jährige, habe er sich zusammen mit zwei weiteren Mitbewohnern und dem nun Angeklagten in der Gemeinschaftsküche aufgehalten. "Er hat heißes Öl gemacht. Ich habe keinerlei Verdacht geschöpft", sagte er vor Gericht. Er selbst sei mit dem Essen bereits fertig gewesen und habe den Tisch abgewischt. "Da stand er auf einmal mit dem Öltopf vor mir." Er sei gerade dabei gewesen, aus der Küche zu gehen, "da hat er das Öl über mich geschüttet". Im Gesicht habe er sich reflexartig mit den Händen schützen können. Er habe starke Schmerzen verspürt, doch es sei noch nicht vorbei gewesen.

Damals, Mitte April vor einem Jahr, war es ein kühler Abend im Kreis Ebersberg. Daran habe er sich in diesem Moment erinnert, so der 46-Jährige. "Auf der Haut war alles wirklich sehr heiß, also bin ich rausgerannt ins Freie." Da sei ihm aufgefallen, dass ihm jemand folge: der Angeklagte. "Ich habe angefangen zu rennen", so der Geschädigte. "Er hat mich gejagt." Er sei an den Securityleuten vorbei gelaufen und die Straße runter geflüchtet, habe seinen Verfolger aber nicht abschütteln können. Schließlich sei er in einer unbeleuchteten Ecke hinter ein Gebüsch gekrochen. "Ich habe mich im dunklen Teil des Gestrüpps versteckt."

Ein dritter Mitbewohner, der sich zum Tatzeitpunkt ebenfalls in der Küche aufgehalten hatte, entdeckte den Geschädigten schließlich. Er habe ihm "das T-Shirt vom Leib gerissen", damit sich die Fasern nicht in die Haut brennen. Als dann die Polizei kam, war der Horrorfilm vorbei. Der Prozess geht am Freitag weiter.

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