Amtsgericht Ebersberg:Nazi-Spruch auf Corona-Demo

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Noch immer versammeln sich in Poing regelmäßig Menschen, die gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren - und dabei ein ums andere Mal über die Strenge schlagen. (Foto: Christian Endt)

Ein 54-jähriger Mann vergleicht in seiner Rede auf einer Poinger Kundgebung die Schutzmaßnahmen gegen das Virus mit der Situation der Juden im Dritten Reich. Nun steht er dafür vor Gericht.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Die Stimme des Mannes klingt abgehetzt, es schwingt hörbar Wut mit, als der entscheidende Satz fällt: "Man fühlt sich wie im Dritten Reich ein Mischling zweiten Grades, der kein Geltungsjude ist." Gesagt hat diese Worte ein 54-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg im Rahmen einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Poing. Von der Veranstaltung unter dem Titel "Wahrheit, Friede, Freiheit" existiert eine Videoaufnahme, auf der die Rede des Mannes festgehalten ist. Deshalb musste sich der Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma am Dienstagnachmittag vor dem Ebersberger Amtsgericht wegen Volksverhetzung verantworten.

Er selbst war jedoch nicht zur Verhandlung gekommen, der Angeklagte habe sich entschuldigen lassen, wie Richterin Vera Hörauf zu Beginn der Verhandlung erklärte. Die von der Staatsanwaltschaft gegen ihn erhobenen Vorwürfe dürften dem Mann aber dennoch bekannt gewesen sein, schließlich hatte er Einspruch gegen den Strafbefehl in der Sache eingelegt. Dieser drehte sich eben um jenen Satz, den der 54-Jährige im Januar vergangenen Jahres auf einer Demonstration gegen die staatlich verhängten Corona-Schutzmaßnahmen gesagt haben soll.

In seiner Rede erhebt der Mann noch weitere fragwürdige Vorwürfe

Dass die Worte tatsächlich so gefallen waren, daran gab es wenig Zweifel. Die Rede war schließlich auf Video aufgezeichnet worden und wurde nun im Rahmen der Verhandlung abgespielt. Bereits vor dem Satz, der nun Gegenstand des Prozesses war, bezeichnete der Mann die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, als "Leiterin der Zionisten". Über die geltenden Corona-Regeln sagte der 54-Jährige, selbst die DDR sei dagegen "richtig freiheitlich" gewesen. Aus juristischer Sicht strafbar war jedoch nur der Vergleich mit den sogenannten Mischlingen zweiten Grades, also Deutsche im Dritten Reich, die von jüdischen Großeltern abstammten. Diese Verharmlosung der NS-Verbrechen erfülle den Tatbestand der Volksverhetzung, war der Staatsanwalt überzeugt.

Das jedoch sah der Verteidiger des Mannes anders. Sein Mandant habe im Vorfeld der Rede im Internet recherchiert und ihm sei nicht bewusst gewesen, dass auch Mischlinge zweiten Grades von den Nazis verfolgt wurden. "Ihm war nicht klar, dass es einen Völkermord gab. Er ging davon aus, dass es lediglich Einschränkungen gab", so der Rechtsanwalt. Deshalb habe sein Mandant den Vergleich zu den Corona-Maßnahmen gezogen, die ja auch gewisse Verbote mit sich gebracht hätten. Der Mann stehe etwa der Impfung "sehr kritisch gegenüber" und sei selber auch nicht geimpft. Nichtsdestotrotz seien die Äußerungen seines Mandanten "völlig unangebracht" gewesen und "jenseits jeglichen Anstands", räumte der Verteidiger ein. Er habe sich jedoch nur auf die Einschränkungen und nicht auf den Völkermord bezogen.

Dem 54-Jährigen hätte bewusst sein müssen, was er da gesagt hat

Daran jedoch äußerte der geladene Gutachter vom Institut für Zeitgeschichte in München so seine Zweifel. "Mischlinge zweiten Grades waren eine massiv verfolgte Gruppe. Da würde ich nicht von Einschränkungen reden", sagte er vor Gericht. Auch müsse man für diese Erkenntnis nicht lange recherchieren, sondern die Informationen ließen sich leicht im Internet finden. Wenn sich der Angeklagte also tatsächlich mit dem Thema im Vorfeld seiner Rede auseinandergesetzt habe, dann hätte ihm bewusst sein müssen, über was er da spricht. "Termini wie Mischling zweiten Grades oder Geltungsjude zeugen für eine gewisse Kenntnis zu dem Thema", so der Gutachter.

Das sah auch der Staatsanwalt so: Es sei völlig unangemessen, "Corona-Maßnahmen, die darauf ausgelegt sind, die Gesundheit der Menschen zu schützen, mit Massenvernichtung in Vergleich zu setzen", sagte er. Die Rede des Angeklagten sei deshalb dazu geeignet gewesen, den öffentlichen Frieden zu stören und der Tatbestand einer Volksverhetzung sei erfüllt. Dieser Einschätzung schloss sich auch Richterin Vera Hörauf an, die den Mann schließlich zu einer Geldstrafe über insgesamt 4000 Euro verurteilte.

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