SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 133:Intensivstation im Schneechaos

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So schön das viele Weiß in der Natur auch aussieht: Die Probleme im Verkehr, die die Schneemassen am Wochenende verursacht haben, waren auch auf der Ebersberger Intensivstation zu spüren. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Wetterkapriolen am ersten Dezemberwochenende haben nicht nur Bayern lahmgelegt, sondern auch für einige Strapazen in der Ebersberger Klinik gesorgt - Pola Gülberg landete schließlich in einem Patientenbett im Isolationszimmer.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Als der Wecker klingelte, war ich immer noch müde. Aber es half nichts, ich konnte ja nicht den ganzen Tag im Bett liegen bleiben, es war schließlich schon zehn Uhr. Also öffnete ich langsam meine Augen und blinzelte ein wenig umher, bis ich mich im Raum orientieren konnte. Mit einem Schlag war alles wieder da, zusammen mit dem Gedanken: Och nö, ich bin ja immer noch in der Arbeit. Ich lag in einem Patientenbett in einem unserer Isolationszimmer - nicht weil ich selbst krank war, sondern weil ich nach dem Nachtdienst bei dem Schneechaos am vergangenen Samstag nicht mehr nach Hause gekommen war.

Am vorangegangenen Abend waren wir bereits zu Schichtbeginn voll belegt, neue Patienten konnten wir nicht mehr aufnehmen. Aber schnell haben wir gemerkt: Die Rettungswagen fahren unsere Notaufnahme trotzdem an. Klar, der Schneefall war da schon stark und bei solchen Witterungsbedingungen ist es nicht zumutbar, dass ein Krankenwagen mit einem Notfall hinten drin einen längeren Weg in Kauf nimmt. Wir behielten also immer ein Auge auf die Aufnahmen der Notaufnahme und ob davon ein Patient möglicherweise zu uns auf die Intensiv kommen könnte.

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Gegen 22 Uhr schrillte dann ein Alarm. Reanimation auf Normalstation: Ich packte unseren Reanimationswagen und lief zusammen mit den Ärzten los zum Patienten. Die Wiederbelebung war erfolgreich, der Patient allerdings weiterhin instabil, er musste zu uns. Also stabilisierten wir ihn für den Transport, während meine Kollegen einen stabilen Patienten von der Intensiv verlegten und einen Beatmungsplatz vorbereiteten. Als sich dann zwei meiner Kolleginnen um die Aufnahme des reanimierten Patienten kümmerten, haben wir übrigen im Team deren fünf Patienten mitversorgt. Ohnehin hatte ich schon drei eigene Patienten und musste dann noch die 40 Minuten reinarbeiten, die ich zur Reanimation weg war. Kurz: Es war eine unglaublich anstrengende Nacht.

Um 4.40 Uhr rief dann ein Kollege aus dem Frühdienst an. Er werde sich verspäten - in der Nacht hatte es gut 60 Zentimeter geschneit, die Straßen waren dicht. Drei weitere Anrufe von Kollegen folgten. So schnell würden wir aus dem Nachtdienst also nicht wegkommen.

Es muss gegen neun Uhr gewesen sein, als die letzten Kollegen schließlich hier waren - drei Stunden nach Dienstbeginn.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Heimfahren kam für mich trotzdem nicht infrage, selbst wenn die Straßen in mein kleines Dorf einigermaßen frei gewesen wären, was ich stark bezweifelte. Mein Kopf war nach dem turbulenten Dienst ziemlich matschig, ich musste unbedingt schlafen. Also holte ich mir ein Patientenbett aus dem Bettenlager und schob es in unser freies Isolationszimmer. Eine Kollegin tat es mir gleich, eine weitere schlief im Bereitschaftszimmer der Ärzte.

Zwei Stunden später sah die Welt schon wieder anders aus. Ich war müde, aber fit genug für die Heimfahrt, die Straßen einigermaßen geräumt. Um elf Uhr war ich schließlich zu Hause. Dass ich mal in einem unserer Betten bei uns auf Station liegen würde, ohne krank zu sein, das hätte ich auch nie gedacht.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 39-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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