SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 128:Herzstillstand als Nebenwirkung

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Wegen einer Herzleitungsstörung als Nebendiagnose wurde die Patientin am Monitor die ganze Zeit überwacht. (Foto: Imago/Seeliger)

Eine Patientin von Pola Gülberg wird reanimiert, obwohl sie einer solchen Maßnahme in ihrer Patientenverfügung eigentlich widersprochen hat. Warum die Ärzte dennoch richtig handelten.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Vor einiger Zeit habe ich eine Patientin versorgt, die wegen eines Darmverschlusses zu uns kam. Der war jedoch gar nicht die große Herausforderung, sondern ihre Nebendiagnose: Die Frau hatte eine seltene Form einer Reizleitungsstörung des Herzens, die sich Log QT-Syndrom nennt. Dabei arbeiten die elektrischen Impulse, die das Herz steuern, nicht richtig, und bestimmte Medikamente verstärkten diesen Effekt noch. Das kann zum Herzstillstand führen - und genau dieser trat bei der Patientin auch ein. Per Patientenverfügung hatte sie vorab erklärt, keine reanimierenden Maßnahmen zu wollen. Dennoch wurde sie sofort reanimiert, und das war richtig so.

Die Patientin kam mit einer ziemlich langen Liste an Medikamenten zu uns - manche durfte sie auf gar keinen Fall nehmen, weil als Nebenwirkung ihr Herzschlag zu stark beeinflusst wird, manche würden vielleicht auf ihn einwirken, andere wahrscheinlich gar nicht. Leider waren unter den für sie schwierigen Medikamenten auch welche, die bei einem Intensivaufenthalt unumgänglich sind. Ihr Herz schlug durch deren notwendige Gabe immer wieder sehr schnell. Also steuerten wir mit einem anderen Medikament dagegen, sodass sich der Herzschlag verlangsamte - denn das Herz ist ein Muskel, wenn es über längere Zeit schlägt wie verrückt, dann versagt der Muskel irgendwann, das Herz bleibt stehen. Doch konnte das beruhigende Medikament schnell dazu führen, dass sich ihr Herz zu sehr entspannte und dann zu langsam schlug. Das Maß der richtigen Dosierung schwankte ständig.

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Als ihr Herz stehen blieb, lag das genau daran. Es dauerte keinen ganzen Reanimationszyklus, da war sie zurück bei Bewusstsein und sie hatte wieder einen normalen Herzrhythmus. Das ist ein Zeichen dafür, dass das Herz sozusagen aus Versehen ausgesetzt hat, so wie man auch mal aus Versehen über etwas stolpert.

Die Frau bekam daraufhin einen externen Herzschrittmacher, der dafür sorgte, dass so etwas nicht noch einmal passierte. Als es dann darum ging, ob dieser durch einen internen Schrittmacher ersetzt werden sollte, damit sie auf Reha entlassen werden konnte, tat sich die gesetzliche Betreuerin der Frau schwer mit der Entscheidung. "Ich weiß nicht, es ist ja eh schon so viel gemacht worden, was sie gar nicht wollte, zum Beispiel die Reanimation", sagte sie zu mir.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Da habe ich ihr ausführlich erklärt, woran der Herzstillstand lag - nämlich einzig und allein an ihrer Nebendiagnose, die eine richtige Medikamentendosis so schwierig machte. "Wir können ja niemanden wegen der Nebenwirkung eines Medikaments sterben lassen", sagte ich zu ihr.

Manchmal muss man Dinge zwei oder drei Mal hören oder in einem anderen Setting, ehe man sie voll und ganz begreifen kann. Gerade als Laie in medizinischen Ausnahmesituationen. Denn natürlich wurde der Betreuerin der Grund für die Reanimation trotz entgegengesetztem Willen in der Patientenverfügung auch zuvor schon erklärt. Aber erst jetzt war sie soweit und konnte die Entscheidung der Ärzte verstehen. Und erkannte, dass alles richtig gelaufen war.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 39-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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