SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 150:Wie in einer Seifenoper

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Als Pflegerin bekommt Pola Gülberg oft einiges von den Beziehungen ihrer Patienten mit. (Foto: Jens Kalaene/dpa-tmn)

Ein Patient von Pola Gülberg kommt nach einem Herzinfarkt auf die Überwachungsstation - mit dabei ist eine Frau. Doch schon bald stellt sich heraus: Sie ist nicht seine Ehefrau. Und auch nicht der einzige Damenbesuch des Mannes.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Es war später Abend, als der Mann von der Notaufnahme zu uns gebracht wurde - er hatte einen Herzinfarkt. Jetzt sollten wir seine Vitalwerte eine Zeit lang an den Monitoren auf der Überwachungsstation kontrollieren. Er war in Begleitung einer Frau, augenscheinlich im gleichen Alter, zwischen 50 und 60. Sie durfte noch mit in sein Zimmer, die beiden gingen vertraut miteinander um - und so sagte mir meine Kollegin aus dem Spätdienst bei der Übergabe, als ich zum Nachtdienst kam: "Seine Frau war auch kurz da, sie weiß also über seinen Zustand Bescheid."

Einen Tag später kam ich wieder zum Nachtdienst. "Heute am frühen Nachmittag war eine Frau für ihn zu Besuch da", sagte mir meine Kollegin bei der Übergabe. "Ach, das wird seine Ehefrau gewesen sein, die war gestern Abend ja schon da", erwiderte ich. Meine Kollegin sagte nicht gleich was, und so blickte ich sie an. Sie zog die Augenbrauen nach oben und schüttelte leicht den Kopf, "ne", sagte sie schließlich. "Wie 'ne'?", fragte ich - ich war irritiert. "Das am Nachmittag war eine andere Frau, seine Ehefrau - das abends war seine Freundin."

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 143
:Fünf Nächte wach

Dieses Mal arbeitet Pola Gülberg mehr Nachtdienste hintereinander als gewöhnlich. Sie selbst hat das jedoch gar nicht als so schlimm empfunden - wären ihr da nicht die Schulferien ihres Sohnes in die Quere gekommen.

Protokoll: Johanna Feckl

Da war ich erst einmal baff. Und habe mich ein bisschen wie in "Grey's Anatomy" oder irgendeiner anderen Krankenhausserie gefühlt, die ja doch auch immer was von einer Seifenoper haben: Nie geht es ohne heimliche Techtelmechtel, Betrügereien und Herzschmerz.

Etwas später dann, als ich den Mann versorgt habe und wir ins Plaudern kamen, da hat er das Thema von sich aus angesprochen. Dass er eine Ehefrau habe. Dass es aber auch eine Freundin gebe. Dass die Ehefrau von der Freundin nichts wisse. Und dass ihn beide besuchen würden. Ob das schon ok wäre? Ich hatte das Gefühl, die Situation war ihm unangenehm. Wir hatten zwar auch damals schon eine hohe Männerquote im Pflegeteam. Aber hauptsächlich waren wir dennoch Frauen. Und er betrog schließlich seine eigene Frau.

Aber in diesem Fall war für mich klar: Wer bin ich, über ihn zu richten? Weder kenne ich ihn persönlich noch seine Frau, ich weiß nichts über ihre Ehe - es stand mir nicht zu, mir über sein Verhalten eine Meinung zu bilden. Meine Aufgabe war es, ihn pflegerisch so gut ich konnte zu versorgen. Und das habe ich auch getan.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ich nehme an, mein Patient war aus gutem Grund so offen uns gegenüber. Für ihn stand schließlich einiges auf dem Spiel: Auf keinen Fall wollte er, dass seine Affäre aufflog. Der Freundin aber sagen, dass sie ihn nicht besuchen konnte, schien für ihn auch nicht möglich. Wir einigten uns im Team darauf, keine telefonische Auskunft zu geben, weder seiner Frau noch seiner Freundin gegenüber - wir haben das Telefon jedes Mal einfach an den Mann weitergereicht.

Es war nicht das erste Mal, dass ich von Affären meiner Patienten mitbekommen habe. Auch nicht das letzte Mal. Den umgekehrten Fall übrigens, dass wir wissentlich eine Patientin mit Ehemann und Geliebten versorgt haben, den habe ich bisher nicht erlebt.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 39-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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