SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 149:Alle kennen Krebs - aber COPD?

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Rauchen ist das größte Risiko, um später einmal an COPD zu erkranken. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Jede Woche werden auf der Ebersberger Intensivstation ein bis zwei Patienten mit COPD versorgt - eine Krankheit, die weltweit die dritthäufigste Todesursache ist. Trotzdem passiert es Pola Gülberg immer wieder, dass Menschen nichts von der Lungenerkrankung wissen.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Meine Patientin war um die 80, adipös - und es war klar: Sie wird sterben, bald schon. Wie viele andere auch mit der Diagnose, die sie hatte: COPD. Ich bin sicher, dass sich viele nun fragen: Was ist das denn für eine seltene Krankheit? Ich bin mir deshalb so sicher, weil ich es in der Klinik und auch in meinem privaten Umfeld immer wieder erlebe, dass Leute damit nichts anfangen können. Das ist erstaunlich. Denn in jeder Woche versorgen wir ein bis zwei Patienten auf unserer Intensivstation mit einer solchen Diagnose. 2019 hat COPD laut WHO 3,23 Millionen Todesfälle verursacht - das macht die Krankheit zur dritthäufigsten Todesursache. Lungenkrebs, also eine Krankheit, die wirklich jeder kennt, liegt auf Platz 6.

COPD ist kurz für "chronic obstructive pulmonary disease", oder auf Deutsch: chronisch obstruktive Lungenerkrankung. Die meisten Betroffenen haben eine Rauchergeschichte. Eine weitere Ursache ist Feinstaub oder Chemikalien sowie Luftverschmutzung im Allgemeinen. Das Prinzip ist immer gleich: Die eingeatmeten Schadstoffe reizen die Schleimhäute, sie schwillt an und entzündet sich. Dadurch bildet sich im kompletten Atemapparat mehr Sekret als gewöhnlich.

Das Sekret verengt die Luftwege, also versucht die Lunge, es aus dem Körper zu bekommen: Husten setzt die Flimmerhärchen in der Luftröhre in Bewegung, sodass das Sekret nach oben transportiert wird. Dieser Prozess wird durch Nikotin und andere Schadstoffe jedoch gelähmt. Die Folge: Das Sekret bleibt in zu großer Menge an Ort und Stelle, die Schleimhäute bleiben entzündet und geschwollen, der Luftweg verengt. Die Folge: Der Gasaustausch funktioniert nicht mehr richtig, das Einatmen fällt leichter als das Ausatmen - deshalb ist der Kettenraucher nach zwei Stockwerken Treppensteigen auch völlig außer Atmen.

Dieses Phänomen ist noch nicht gleich eine COPD. Aber wer ständig Schadstoffe einatmet, dessen Schleimhäute entzünden sich irgendwann chronisch - das kann auch passieren, wenn man längst mit dem Rauchen aufgehört hat. Der Körper vergisst nicht. Er gewöhnt sich jedoch daran, auf einem niedrigeren Level zu atmen. Das muss er, denn eine Heilung gibt es nicht. Aber die Umgewöhnung klappt nur bis zu einem gewissen Punkt.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei meiner Patientin schränkten zudem ihre Adipositas und eine akute Lungeninfektion ihre Lungenfähigkeit stark ein. Sie kam bewusstlos zu uns, weil ihr Gasaustausch beim Atmen so schlecht funktioniert hat, dass sie in eine CO₂-Narkose gefallen war. Im Grunde konnten wir nur die akute Infektion so gut es ging behandeln, damit sie zum Sterben nach Hause konnte - das war ihr größter Wunsch. Deshalb ist sie mir in so guter Erinnerung geblieben: Selten habe ich Patienten, die den eigenen Tod akzeptieren und so klar formulieren, wo sie sterben möchten.

Ob sich ihr letzter Wunsch erfüllt hat, weiß ich leider nicht - als es ihr gut genug ging, kam sie auf Normalstation. Ich hoffe, sie hat es noch nach Hause geschafft.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 39-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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