Vaterstetten:Manfred Schmidt wusste offenbar von Demenz seines AfD-Kandidaten

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Manfred Schmidt nennt die Vorwürfe gegen ihn "Verleumdung" und will sein Mandat behalten. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

In Vaterstettens Gemeinderatssitzung erhärten sich die Vorwürfe. Es werden zwei Emails verlesen, die den 82-Jährigen schwer belasten. Doch der bleibt standhaft.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Der umstrittene AfD-Gemeinderat Manfred Schmidt wird sein Mandat behalten. Dies erklärte er am Donnerstag in der sehr gut besuchten Gemeinderatssitzung. Schmidt, dem vorgeworfen wird, Personen gegen deren Willen und ohne deren Wissen auf AfD-Wahllisten gesetzt zu haben, wurde von allen übrigen Gemeinderatsmitgliedern zum Rücktritt aufgefordert. Dazu zwingen kann das Gremium Schmidt indes nicht - der hat bereits angekündigt, falls er am 15. März erneut in den Gemeinderat gewählt würde, werde er das Mandat auch annehmen.

Anfang voriger Woche wurden die Vorwürfe gegen Schmidt bekannt, und ganz offensichtlich sind viele Vaterstettener sehr empört über das mutmaßliche Fehlverhalten des AfD-Politikers. Vor Beginn der Sitzung hatten etwa 100 Personen vor dem Rathaus gegen Schmidt demonstriert, darunter zahlreiche Gemeinderatsmitglieder. Auch hier lautete die Forderung: Rückzug aus der Politik.

Der Angesprochene selbst zeigte sich davon wenig beeindruckt. Zumindest äußerlich ungerührt betrat Schmidt kurz vor Beginn der Sitzung den Saal. Der war da schon so gut gefüllt wie ein Linienbus im Berufsverkehr, "so viel Publikum haben wir sonst in sechs Jahren zusammen nicht", sagte CSU-Fraktionschef Michael Niebler. Damit das erkennbar nicht aus Anhängern Schmidts bestehende Publikum seinen Ärger nicht zu sehr kundtat, verlas Bürgermeister-Referent Georg Kast kurz die Verhaltensregeln für Besucher. Diese sollten sich "von Meinungsäußerungen zurückhalten". Was nicht immer gelang, besonders die Einlassungen Schmidts gaben zu spontanen Buhrufen Anlass.

Schmidt kontert: "Abstruse Behauptungen und Verleumdung"

Etwa als er von "abstrusen Behauptungen und Verleumdung" sprach, denen er ausgesetzt sei. Dass er Personen zu Blankounterschriften auf Formularen überlistet habe, wies er zurück. Er könne sich die Vorwürfe nur erklären mit der "fortschreitenden Dämonisierung der AfD in der Öffentlichkeit". Dass ihn seine eigene Partei ausschließen wolle, wie es der kommissarische Kreisvorsitzende Wolfgang Wiehle angekündigt hatte, habe man ihm offiziell noch gar nicht mitgeteilt, "diese Messe ist noch nicht gesungen, ich werde nicht kapitulieren vor dreisten Lügen und Unterstellungen".

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Als solche bezeichnete Schmidt indirekt auch den Vorwurf, er habe die Listen mutwillig so spät eingereicht, dass die Kandidaten keine Möglichkeit mehr hatten, rechtzeitig zurückzutreten. Dafür sei er ebenso wenig zuständig wie für die Organisation der Nominierungsveranstaltung, zu der viele Kandidaten nicht eingeladen waren, auch hier liegt der Vorwurf der Verschleierung im Raum.

Seitens der AfD werden zumindest diese Aussagen im Wesentlichen bestätigt. "Die Nominierungsveranstaltungen wurden satzungsgemäß vom Vorstand organisiert, und es wurden alle Stimmberechtigten eingeladen", schreibt Christoph Birghan vom Kreisverband auf Nachfrage. Was auch bedeutet: Nicht die Kandidaten. Die Einreichung der Listen erfolgte in der Tat nicht durch Schmidt - da er selbst Kandidat ist, ist das rechtlich gar nicht möglich. Dass dies relativ spät passierte, liege daran, dass "alle Beteiligten ehrenamtlich tätig sind und einige Kandidaten erst recht spät ihre Unterlagen vorlegten".

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In einem anderen Punkt konnte man Schmidt aber beweisen, die Unwahrheit gesagt zu haben. Auf die Frage von Grünen-Fraktionssprecher Axel Weingärtner, ob er von der Alzheimer-Erkrankung eines der Kandidaten bei dessen Anwerbung wusste, antwortete Schmidt mit Nein. Woraufhin Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU) aus einer E-Mail zitierte, die Schmidt im Dezember ans Rathaus geschickt hat und in der er um Unterstützung für die Tochter der Familie bittet. Dabei verweist Schmidt auf die schwierige Situation der Familie - die unter anderem darin bestehe, dass der Mann eine Demenzerkrankung habe. Schmidt habe also "glatt gelogen", so Wagner.

CSU-Gemeinderat Niebler: "Ein in Deutschland einmaliger Fall"

Eine Einschätzung, die außer ihm selbst alle anderen Gremienmitglieder teilen. Sepp Mittermeier (SPD) verwies auf die Anzeige gegen Unbekannt, die Schmidt gestellt hatte, weil die AfD-Listen vorab veröffentlicht wurden, woraufhin zwölf Personen ihre Kandidatur zurückzogen. "Damit haben Sie sich zum Kronzeugen gegen sich selbst gemacht", so Mittermeier. Es sei beabsichtigt gewesen, "die Leute im Unklaren zu lassen, damit sie nicht mehr von der Liste kommen".

Niebler nannte Schmidts Einlassungen "Zeugnis einer kompletten Realitätsverweigerung". Die Vorgänge seien "ein in Deutschland einmaliger Fall, ich glaube so etwas gab es noch nie". Nun wolle "selbst die AfD" Konsequenzen ziehen, und Schmidt hinauswerfen, "das ist die Höchststrafe, die man von seiner eigenen Partei bekommen kann". Niebler zitierte den ehemaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble, der während der Eurokrise einst den Satz prägte: "Isch over." Dies gelte auch für Schmidt: "Sie sind einfach unten durch."

Beide betonten, dass Schmidt mit seiner Aktion - die er aus "blankem Eigennutz" (Mittermeier) veranstaltet habe, weil er "die Listen bei weitem nicht voll bekommen" habe (Niebler) - neben den unfreiwilligen Kandidaten auch dem Ruf der Gemeinde erheblichen Schaden zugefügt habe. Oder, wie es Weingärtner formulierte, dank Schmidt "sind wir nun bekannt, als die Gemeinde, wo es nicht mit rechten Dingen zugeht". Dies sei auch schädlich für die Demokratie, denn es fördere die Politikverdrossenheit. Besonders schäbig aber sei es "alte Menschen, die gutgläubig sind, um des eigenen Vorteils willens zu täuschen", so Weingärtner weiter. Florian Pöhlmann (CSU) formulierte es knapper: "Wir sind hier, um die Leute zu vertreten - nicht, um sie zu hintergehen."

Um zu illustrieren, wie Schmidt vorgegangen sein könnte, wurde die E-Mail verlesen, welche die Tochter eines Vaterstettener Altenheimbewohners an die Gemeinde geschickt hatte. Darin beschwert sie sich über "einen älteren Herrn", der im Heim ihren "kognitiv eingeschränkten", schwerhörigen und bereits leicht dementen Vater bedrängt habe. Der "Herr" habe sich nicht davon stören lassen, dass der Senior gerade mit seiner Tochter und den Enkelkindern seinen Geburtstag feiern wollte. Stattdessen habe er irgendwelche Formulare, in denen es um die AfD ging, unterschreiben lassen wollen. Als die Tochter den "Herrn" aus dem Zimmer bat, sei der unverschämt geworden. Das Fazit der Briefschreiberin: Ohne ihre Anwesenheit, hätte ihr Vater "irgendetwas unterschrieben, nur um seine Ruhe zu haben".

Karl Köstler, ebenfalls Gemeinderat der FBU/AfD-Liste, sprach Schmidt das Misstrauen aus: "Ich finde seine Vorgehensweise unzumutbar und muss mich davon distanzieren. So kann man nicht mit Leuten umgehen." Renate Will (FDP) wurde sogar ein bisschen laut, als sie Schmidt an sein sonst so gerne zitiertes christliches Menschenbild erinnerte. Wenn er es damit ernst meine, müsse er sofort zurücktreten: "Sie haben kein Recht, in diesem Gremium zu sitzen." Ähnlich argumentierte Maria Wirnitzer (SPD), Schmidt habe in seinen "Moralpredigten" stets sehr hohe Maßstäbe an andere angelegt.

Nun sei es Zeit, dass er diese auch an sich selbst anlege und zurücktrete. Dass Schmidt die Vorwürfe gegen ihn als Verleumdung bezeichne, sei "eine Unverschämtheit", sagte Will. Auch für Wolfgang Schermann (FW) sind die Vorwürfe plausibel, die Zahl der Betroffenen spreche dafür. Darum "kann ich dieses unselige Verhalten nur aufs Schärfste verurteilen."

© SZ vom 15.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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