Der Skandal:"Er hat gesagt, den Rest füllt er selber aus"

Lesezeit: 3 min

  • Manfred Schmidt, AfD-Gemeinderat in Vaterstetten, soll einige Senioren gegen ihren Willen auf die AfD-Liste für die Kommunalwahl gesetzt haben.
  • Er soll unter einem Vorwand ihre Unterschriften gesammelt haben.
  • Manfred Schmidt weist alle Vorwürfe zurück, er habe immer gesagt, es gehe um eine Kandidatur auf der AfD-Liste.
  • Die Senioren können sich nicht von der Liste streichen lassen. SPD und Grüne fordern Konsequenzen für Schmidt.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Die Vorwürfe um die AfD-Listen für die Gemeinderats- und Kreistagswahl konkretisieren sich. Immer mehr ins Zentrum rückt AfD-Gemeinderat Manfred Schmidt. Dieser organisiert über seine Stiftung bereits seit Jahren Ausflugsfahrten für Senioren - einige Teilnehmer soll er später unter Vorspiegelung falscher Tatsachen auf die Kandidatenliste gebracht haben. Die Grünen fordern darum, die Gemeinde solle jedwede Zusammenarbeit mit der Schmidt-Stiftung einstellen. Und von der AfD kommen erste Signale, die auf eine Distanzierung zu ihrem Vaterstettener Gemeinderat hindeuten.

Mehrere Personen haben sich mittlerweile mit dem Vorwurf an die Presse gewandt, Schmidt habe sie ausgetrickst, um sie auf die AfD-Kandidatenliste zu setzen. So wie die 96-jährige Emma Eglseer. Sie berichtet, Schmidt sei an der Haustür vorstellig geworden und habe um Unterstützung für seine Kandidatur gebeten. Dabei habe er aber nicht die AfD erwähnt, sondern gesagt, es gehe um "die Freien". Dazu muss man wissen, dass Schmidt jahrzehntelang für seine Liste namens "Freie Bürger Union" (FBU) Politik machte. 2014 schloss er sich der AfD an, die Liste hieß dann FBU/AfD. Nicht so bei der aktuellen Wahl, da tritt in Vaterstetten wie im Landkreis nur noch die AfD an.

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Den Vorwürfen um Trickserei bei der Listenaufstellung sollen Konsequenzen folgen

Ebenfalls nicht erwähnt habe Schmidt laut Eglseer, dass sie selbst kandidieren solle. "Ich will doch nicht Politik machen." Schmidt habe ihr ein Formular zum Unterschreiben hingelegt, "er hat gesagt, den Rest füllt er selber aus". Auch ihre Tochter Helga Steinberger und deren an Alzheimer erkrankter Mann Robert stehen dank Schmidt auf der AfD-Kreistags- und Gemeinderatsliste - und müssen es auch bleiben (s. Kasten). Steinberger sagt, sie habe gedacht, Schmidts FBU zu unterstützen, für die AfD hätte sie nie unterschrieben. Schmidt habe nicht erwähnt, dass es um eine Kandidatur gehe, sagt Steinberger, "ich habe ja gar keine Zeit dafür". Ausgefüllt habe sie die Formulare ebenfalls nicht selbst, dass sie es nicht gelesen habe, "da bin ich selber schuld". Schmidt habe sich noch erkundigt, ob ihr Mann Robert in der Lage sei, zu unterschreiben. Dass er an Alzheimer erkrankt ist, sei bekannt, "damit gehen wir offen um".

Kennengelernt habe sie Schmidt über die von seiner "Sozialstiftung" organisierten Ausflüge für Senioren, sagt Eglseer. Auch Dorothea Strohm ist manchmal mitgefahren, auch sie steht auf der AfD-Liste für Gemeinderat und Kreistag. Die 70-Jährige versichert, dass sie dies aber gar nicht wollte - besonders nicht für die AfD. Dass sie etwas ungelesen unterschrieben habe, ärgere sie sehr, sagt Strohm. Aber sie habe gedacht, sie unterstütze Schmidts Kandidatur. Die Ausflüge seien schön gewesen, da habe sie Schmidt einen Gefallen tun wollen.

Erfahren von ihrer Kandidatur hätten sie, so erklären es Eglseer, Steinberger und Strohm übereinstimmend, erst nach Veröffentlichung der Listen. Zur Nominierungsveranstaltung habe man sie nicht eingeladen. Diese, so war es im Wahlprüfungsausschuss in Vaterstetten zu erfahren, dürfte eher exklusiv gewesen sein. Laut Protokoll waren fünf wahlberechtigte Parteimitglieder anwesend. Was legal ist, sagt Vaterstettens Wahlleiterin Claudia Bitzer, eine Teilnahme der zu Nominierenden sei nicht vorgeschrieben. Es genüge, wenn eine Willenserklärung unterschrieben vorliege. Auch dass nur fünf Personen abgestimmt hätten, sei gesetzeskonform, das Minimum liege bei drei.

Manfred Schmidt weist alle Vorwürfe zurück, er habe immer gesagt, es gehe um eine Kandidatur auf der AfD-Liste. Anderslautende Aussagen stellten "eine Verleumdung" dar, so Schmidt. Auch habe er nie Aktivitäten seiner Stiftung mit seiner politischen Arbeit verknüpft.

Unterdessen mehren sich die Forderungen nach Konsequenzen. Die SPD hatte Schmidt am Donnerstag den Rückzug aus der Politik nahegelegt, am Freitag stellten die Grünen an den Gemeinderat zwei Dringlichkeitsanträge. So soll die Gemeinde jede Zusammenarbeit mit Schmidts Stiftung einstellen und deren Tätigkeitsberichte - etwa über die Seniorenausflüge - nicht mehr im Gemeindeblatt veröffentlichen. Denn die Vorwürfe gegen Schmidt hätten "Vaterstetten bundesweit in ein schlechtes Licht gerückt". Eine Zusammenarbeit mit dessen Stiftung verursache "Schaden für das Ansehen der Gemeinde". Zudem stehe der Verdacht im Raum, "dass Ausflüge der Stiftung im Zusammenhang mit der Unterschriftengewinnung für die AfD-Listen genutzt wurden". Der zweite Antrag fordert mehr Schutz von älteren oder behinderten Menschen vor "Wahlbetrug". Dazu sollen Bürgermeister und Polizei entsprechende Maßnahmen ergreifen. Etwa bei Leitung, Personal und Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen entsprechende Aufklärungsarbeit leisten.

Seitens der AfD scheint man um Distanz bemüht. So schreibt Christoph Birghan, der für den Kreisverband die Pressemitteilungen herausgibt, dazu seien nur er und der kommissarische Kreisvorsitzende Wolfgang Wiehle befugt: "Etwaige Aussagen anderer Personen sind nicht der AfD Ebersberg zuzurechnen, d.h. diese sprechen ggf. nur für sich selbst." Was laut Schmidt kein Vertrauensentzug sondern selbstverständlich sei. Schließlich gehe es um ihn und er werde kommende Woche eine ausführlichen Stellungnahme zur Sache veröffentlichen.

Bei Emma Eglseer braucht er sich damit nicht blicken zu lassen. Die alte Dame berichtet, einige Tage nachdem sie erstmals ihre Vorwürfe gegen Schmidt erhoben hatte, sei der bei ihr zuhause vorbeigekommen, angeblich "um mit uns zu reden". Was er dabei sagen wollte, das hat sich Eglseer nicht die Mühe gemacht, herauszufinden: "Ich habe ihn nicht mehr hereingelassen."

© SZ vom 08.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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