Energiewende im Landkreis Ebersberg:Ackerbau und Sonnenschein

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Ministerpräsident Markus Söder und die Bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber kamen zur Vorstellung der neuen Anlage ebenso wie Landrat Robert Niedergesäß. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In Grub gibt es eine neuartige Agri-PV-Forschungs- und Demonstrationsanlage, bei der landwirtschaftliche Nutzung und Energiegewinnung auf einer Fläche kombiniert werden. Zur Einweihung reist auch die Politikprominenz an.

Von Michaela Pelz, Poing

Als das passiert, was schon mal passiert, wenn man möchte, dass alles perfekt ist, an einem wichtigen Termin - und der Termin ist ziemlich wichtig, davon später mehr -, schnellen zunächst nur Köpfe in die Höhe und es geht ein leichtes Raunen durch die Menge. Blicke werden getauscht: Hat man sich da eben verhört? Oder vielleicht einen gewollten Scherz nicht verstanden? Vereinzelt wird leise gelacht, der Redner spricht unbeirrt weiter. Später wird sich herausstellen: Er hat seinen Lapsus nicht einmal bemerkt. Und natürlich bedauert er ihn zutiefst.

Der, dem der Versprecher galt, sieht stoisch nach vorn. Wo jedem anderen die Gesichtszüge entgleist wären, macht dieser Mann deutlich, dass ihn so schnell nichts erschüttern kann. Selbst eine Rede nicht, in der Anton Dippold, Geschäftsführer der Bayerischen Staatsgüter, den "Ministerpräsident Doktor Edmund Stoiber" herzlich willkommen heißt.

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Der könne, wie Markus Söder (CSU) zum Auftakt seines eigenen Vortrags bemerkt, nicht da sein, schicke aber ihn als Vertretung. Leider will der Verstärker zunächst nicht so recht, darum geht die anschließende Bemerkung fast unter, mit der er launig den Anlass der Veranstaltung am Mittwochnachmittag würdigt: den Startschuss für den Bau einer Agri-PV-Forschungs- und Demonstrationsanlage. "Agri, nicht Aggro!", spricht er mit mahnendem Zeigefinger und kommt damit dem Kern der Sache durchaus nahe: Der zuweilen heftigen Diskussion über Flächennutzung.

Denn die soll - und darum ist der Termin so wichtig - mit Hilfe dieser Anlage im Staatsgut Grub, der Zentrale der Staatsbetriebe des Freistaats - optimiert werden. Ziel ist die Kombination aus Energiegewinnung und Anbau von Kulturpflanzen.

Dass eine solche Doppelnutzung sinnvoll sein könnte, dachte sich bereits 1981 Professor Adolf Goetzberger, Gründer des Freiburger Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme und erfand die Agri-Photovoltaik. Nach 30 Jahren Dornröschenschlaf besann man sich wieder darauf und unternahm erste praktische Versuche. 2016 wurde die erste größere Anlage in Heggelbach am Bodensee in Betrieb genommen. Mittlerweile, so eine Sprecherin des Fraunhofer ISE, habe man in Deutschland 32 Anlagen errichtet - davon mehr als ein Dutzend innerhalb des vergangenen Jahres.

Bei herkömmlichen PV-Anlagen ist der Stromertrag am wichtigsten

Was Agri-PV-Anlagen von herkömmlichen unterscheidet, ist die Tatsache, dass bei letzteren der Stromertrag im Vordergrund steht. Die Bodennutzung hingegen ist nachrangig. Hier jedoch richten sich Aufbau und Aussehen nach dem, was unter und zwischen den Modulen wächst.

2,2 Millionen Euro betragen die Kosten der Anlage in Grub, bei der nach Fertigstellung etwa 2000 Module in drei verschiedenen Anlagetypen verbaut sein werden. Gefördert wurde das Ganze zu hundert Prozent. "Von drei Ministerien. Dem für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, dem für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und dem für Wohnen, Bau und Verkehr", wie Philipp Purucker ausführt, Energiekoordinator im Staatsgut Grub.

Die Politprominenz war groß am Mittwochnachmittag in Grub: Poings Bürgermeister Thomas Stark, Landrat Robert Niedergesäß, Bayerischer Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, Ministerpräsident Markus Söder, Bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und viele mehr waren gekommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Deswegen ist die Dichte an Politprominenz auf dem Teppich aus Hackschnitzeln, die einen angenehm erdigen Geruch verströmen - und von Hubert Aiwanger (FW) flugs in Liter Heizöl umgerechnet werden - an diesem Tag so hoch. Neben Markus Söder sind auch Hubert Aiwanger und Michaela Kaniber (CSU) zugegen, sowie Landrat Robert Niedergesäß (CSU), die Bürgermeister aus Vaterstetten, Kirchheim und Poing und Vertreter der am Projekt beteiligten Unternehmen.

Wird bald seine Bahnen ziehen: ein gigantischer Mähdrescher. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Hintergrund des Rednerpults erhebt sich ein majestätischer Mähdrescher. So wird schnell klar, wie es in der Praxis aussehen wird, wenn er demnächst unter den hoch aufgeständerten Modulen mit ihrer lichten Höhe von 5,80 Metern seine Bahnen zieht. Die Spannweite zwischen den Stützen der vier geplanten Reihen wird etwa 13,50 Meter betragen, der Energieertrag soll bei 220 KwP liegen. Dahinter geplant: weitere vier Reihen mit "Linear-Tracking". Dabei werden die Module dem Sonnenstand nachgeführt und für die Bewirtschaftung zwischen den Reihen gekippt. Dort werden 300 KwP erwartet. Die vertikale Zaunanlage auf der Westseite schließlich, bei der die Module senkrecht installiert werden, soll 400 KwP bringen.

Trifft Photovoltaik auf Ackerbau mit klassischer Fruchtfolge, wie er in Grub betrieben wird, müssen die Reihenabstände relativ weit sein, damit die Pflanzen immer noch genügend Sonne abbekommen. Dennoch ist das Rangieren mit Landmaschinen dann deutlich schwieriger als auf "normalen" Feldern.

"Man muss relativ genau fahren und ist vom Umdrehen begrenzt. Das bedeutet einen Mehraufwand bei der Bewirtschaftung", erklärt Purucker. Diesen zu analysieren, gehört in den nächsten sechs Jahren ebenso zu den Forschungsaufgaben in Sachen Erträge und Mikroklima wie die Reaktion von Weizen, Gerste und Raps auf die neuen "Nachbarn".

Bei Agri-PV-Anlagen spielt die Bodennutzung eine wichtige Rolle. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch nicht nur die Gewinnung von Energie ist einer der Gründe für den Einsatz einer Agri-PV-Anlage. Durch den Klimawandel gebe es, so Purucker, viel mehr trockene Sommer und trockene Frühjahre. "Da geht den Pflanzen das Wasser aus." Ist allerdings am selben Ort eine PV-Anlage im Einsatz, bestehe die Hoffnung, dass ein Teil der Sonnenstrahlen in diese abgeleitet und damit die Kultur geschützt werde. Auch das soll überprüft werden. Die Kombinutzung auf dem Acker ist allerdings nicht paritätisch: Auf mehr als 90 Prozent der Fläche steht nach wie vor die Landwirtschaft im Vordergrund - der Rest gehört der Energiegewinnung. Der Strom wird komplett ins Netz eingespeist.

"Dieses Projekt soll Schule machen", meint der Ministerpräsident, denn durch Agri-PV-Anlagen könne man sich ein "Entweder - Oder" ersparen, also nach wie vor Nahrungsmittel produzieren und dennoch Energie gewinnen. Ministerin Kaniber wiederum betont, dass eine solche Doppelnutzung eine zusätzliche Einkommensquelle für Landwirte darstelle, "die künftig auch Energiebauern sein können". Wobei sich natürlich jeder Landwirt frei entscheiden könne, wie er seine Fläche nutzen wolle. Hubert Aiwanger schließlich erwähnt noch den rechtlichen Aspekt einer teils gewerblichen, teils landwirtschaftlichen Nutzung, den es zu bedenken gäbe - "gerade auch beim Erbrecht".

Als die Veranstaltung ziemlich genau eine Stunde nach Beginn zu Ende ist, trifft man einen "sehr zufriedenen" Fritz Andreas Zehetmair am Büffet. Der Leiter des Staatsguts Grub freut sich über die "starke Resonanz der Politik". Und auch darüber, dass der Ministerpräsident vor seinem schnellen Abgang - es warten weitere Termine - noch die Zeit für einen Zwischenstopp bei den Häppchen hatte. "Er hat zugegriffen und es hat ihm geschmeckt." Nun müssen nur noch die Forschungsergebnisse passen, dann kann man die Agri-PV-Anlagen sicher auch den Landwirten schmackhaft machen.

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