80 Dezibel sind laut, aber nicht unerträglich, wenn man ihnen nicht zu lange ausgesetzt ist. Unerträglich wird dieses Piepsen erst durch die hohe Frequenz, die sich direkt in den Schädel zu bohren scheint. "Das nervt schon sehr", sagt Josef Ettenhuber, Geschäftsführer des gleichnamigen Busunternehmens aus Glonn. Auf seinem Gelände in Feldkirchen hat sich an diesem Tag der Regionalausschuss Ebersberg der Industrie- und Handelskammer (IHK) versammelt, um über Ettenhubers neues Schwerpunktthema zu sprechen: E-Mobilität.
Das Piepsen stammt von einer von drei 150-Kilowatt-Ladesäulen auf dem Parkplatz des Betriebs, gespeist aus einem neuen 1000-Kilovoltampere-Trafo, die die drei Elektrobusse des Unternehmens mit Strom versorgen. Gerade hängt jedoch kein Bus daran, sondern ein Pkw, da Ettenhuber den Strom auch an Privatkunden verkauft, für 50 Cent pro Kilowatt. Er selbst kauft den Naturstrom für 20 Cent ein. Dank eines Förderprogramms des Bundes sind die E-Busse damit auf den Kilometer gerechnet günstiger als gewöhnliche Linienbusse, die mit 147 Fahrzeugen bislang den Großteil der Flotte Ettenhubers ausmachen.
Bis 2030 müssen zwei Drittel aller Busse emissionsfrei fahren
Es sieht also gar nicht so schlecht aus für eine Ettenhubersche Elektrobusflotte, sofern weiter Fördermittel fließen. Ohnehin haben Deutschland und seine Busunternehmer kaum eine andere Wahl, als auf E- und Wasserstofffahrzeuge umzustellen: Die Clean Vehicles Directive der Europäischen Union von vergangenem Jahr sieht vor, dass bis 2030 mindestens 65 Prozent der Busse des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland emissionsfrei fahren müssen.
Bis dahin sind allerdings noch einige Probleme zu lösen. Die Ladeinfrastruktur etwa ist mit 72 Stationen im Landkreis, wie Martin Roßnagel von der Energieagentur Ebersberg berichtet, noch ausbaufähig. Neue Busse sind außerdem teuer - besonders dann, wenn irgendwann zusätzliche Akkupacks für 160 000€ gekauft werden müssen, weil die Batterieleistung nachlässt. "Derzeit haben die Busse eine Garantie von acht Jahren, die Aufträge gehen aber über zehn Jahre. Zwei Jahre lang trage ich also das Risiko", erklärt Ettenhuber.
"Es brennt langsam": Ein Experte von der Energieagentur mahnt zur Eile
Um Chancen, Risiken und Herausforderungen der E-Mobilität geht es dann auch bei den Vorträgen im Ausschuss. Joseph Seybold, Verkehrsexperte der IHK, gibt ein kurzes Update über die Entwicklung der Zulassungen von Pkw mit alternativem Antrieb von 2017 bis 2021. Dümpelte deren Anteil in den ersten drei Jahren noch zwischen drei und acht Prozent herum, stiegen Hybride, E-Autos und Wasserstofffahrzeuge in den vergangenen beiden Jahren dank der Umweltprämie auf fast die Hälfte der Neuzulassungen.
Martin Roßnagel wiederum gibt einen Überblick über die verschiedenen Fördermöglichkeiten von E-Mobilität, insbesondere für Unternehmen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert beispielsweise bis Ende diesen Jahres Ladesäulen auf dem Grundstück von Betrieben. Obwohl es noch eine Reihe weiterer, längerfristiger Förderprogramme gibt, mahnt der Energieexperte zur Eile: Damit das 1,5-Grad-Ziel noch erreicht werden könne, müsse man viel tun, mehr noch sogar, als die Bundesregierung in ihren Zielen vorgibt. "Es brennt langsam", so Roßnagel.
Die Probleme sind vielfältig: Fachkräftemangel, Preissteigerungen, Rohstoffdefizite
Brennen tut es allerdings nicht nur in Bezug auf den Klimawandel. Bei einer Tischrunde des Ausschusses darf jeder der Anwesenden sein Leid klagen. Egal ob Telekommunikation, Logistikunternehmen oder Discounter, alle berichten von ähnlichen Problemen: Fachkräftemangel, keine Azubis, Corona, steigende Preise, das Fehlen von Rohstoffen und Vorprodukten. "Da sitzen wir alle in einem Boot", konstatiert Sonja Ziegltrum-Teubner, Geschäftsführerin der Bayerischen Blumen-Zentrale in Parsdorf und Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Ebersberg.
Robert Obermaier, ebenfalls von der IHK, gibt zum Abschluss noch einen Überblick darüber, wo dieses Boot eigentlich herkommt, in dem alle sitzen: Shanghai ist im Lockdown, jede Menge Güter stapeln sich auf Containerschiffen im Hafen. Die Generation der Baby-Boomer geht nach und nach in Rente und verschärft den Fachkräftemangel. Und der Krieg in der Ukraine hat bekanntermaßen die Preise nach oben getrieben und die Abhängigkeit von russischen Brennstoffen - auch und vor allem in der Industrie - deutlich gemacht.
Wegen der hohen Lebenshaltungskosten kann Ettenhuber viele "Fahrer nicht halten"
Alle diese Probleme wirken sich freilich auch auf die E-Mobilität aus: Rohstoffe für Batterien, wie beispielsweise Kobald, sind teuer geworden oder gar nicht vorhanden. Vorprodukte wie Computerchips sind rar. Und Fachkräfte in Form von Busfahrern gibt es auch wenige. "Wir rekrutieren die ganze Zeit, aber wir können die Fahrer nicht halten", klagt Ettenhuber. Schuld daran sei, dass man es einem angeworbenen Busfahrer aus Rumänien oder Serbien nur schwer vermitteln könne, derart hohe Lebenshaltungskosten in Bayern und in der Region München zu tragen.
Die Verkehrswende bleibt also eine gewaltige Herausforderung, im Landkreis vielleicht sogar noch mehr als anderswo. Das Piepsen von Ladesäulen wird dabei jedenfalls das geringste Problem sein.