SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 19:Es hilft, nur die Hand des Ehemanns zu spüren

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Symbolfoto. (Foto: Catherina Hess)

Julia Rettenberger ermutigt Angehörige zu Besuchen im Krankenhaus. Es geht dabei nicht um einen selbst - sondern um den Patienten.

Protokoll: Johanna Feckl

Eines ist Fakt: Alle Patienten profitieren von Besuchen ihrer Angehörigen. Und zwar immens. Wir Pflegekräfte sind ein Durchführungsorgan der Pflege. Dazu gehört auch mal ein Streicheln, aber es ist nicht vergleichbar zu einer Berührung, die von einem der Liebsten kommt. Die Stimme, die Berührungen, die Blicke - es ist die Vertrautheit des Gegenübers, die unterstützend für die Genesung wirkt. Wir können das sogar messen: Hören Patienten, die leicht sediert und damit nur eingeschränkt ansprechbar sind, auf einmal die Stimme der Ehefrau oder spüren die Hand des Ehemanns, steigt in vielen Fällen ihr Blutdruck. Ein gutes Zeichen.

Als im vergangenen Winter wegen der Pandemie keine Besuche möglich waren, haben wir bei vielen Patienten eine Vereinsamung bemerkt. Vor allem unsere Corona-Patienten waren oft wochenlang bei uns. Wenn während all dieser Zeit kein einziges Mal Angehörige kommen können, dann ist das schlimm. Uns alle hat das sehr traurig gestimmt.

Nur auf der Palliativ- und der Geburtsstation waren Besuche möglich, bei uns auf der Intensiv waren Sterbefälle oder kritische Entscheidungssituationen Ausnahmen. Gut drei Monate herrschte dieser Zustand - es war nicht schön, aber es gab keine sinnvolle Alternative: Jeder Angehörige stellte ein potenzielles Risiko dar, dass Corona ins Haus eingeschleppt wird. Bei so vielen älteren und generell geschwächten Menschen, wie es sie in einer Klinik nun einmal gibt, hätte das fatal enden können.

Während dieser Zeit stand das Telefon bei uns auf der Station kaum still. Es war nicht leicht, allen Bedürfnissen gerecht zu werden - wir sind ja kein Telefondienst. Ob Pandemie oder nicht: Für uns ist wichtig, pro Patienten einen fixen Ansprechpartner zu haben, der die Infos dann weiter verteilt. Eine Idealvorstellung, die manchmal schwer zu vermitteln ist. Da kann die Schwester nicht mit dem Bruder und der wiederum nicht mit dem Vater und so weiter. Mich ärgert so etwas, ich denke mir: "Leute, es geht nicht um euch, sondern um eure Mutter, die unsere Hilfe braucht - und die könnten wir noch besser erbringen, wenn wir nicht ständig drei Angehörigen das Gleiche erzählen müssten!"

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Aus Sicht von Pflegerin Julia Rettenberger sollte jedem klar sein: Es droht, dass alles wieder von vorne los geht, auch bei ihr in der Klinik.

Protokoll: Johanna Feckl

Seit kurzem gilt an der Klinik die 3-G-Regel: Zugang für Geimpfte, Genesene und Getestete. Nach wie vor gibt es grob zwei Kategorien, in die man Angehörige einteilen kann. Die einen, die keinerlei Berührungsängste haben und sich freuen, wenn wir sie in die Versorgung integrieren. Das sind dann zum Beispiel ein paar unterstützende Handgriffe beim Umbetten. Und dann gibt es noch die anderen, die sich extrem unwohl und gestresst fühlen, ja Angst haben, etwa den Vater geschwächt und mit vielen Schläuchen und Kabeln um ihn herum zu sehen. Wenn da mal einer der Monitore kurz pfeift, werden die sofort wuselig. Dann muss ich erklären: "Alles in Ordnung, Ihr Vater hat nur gehustet." Mir sind beide Gruppen recht - Hauptsache, unsere Patienten bekommen überhaupt Besuch.

Julia Rettenberger ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 27-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte finden Sie unter sueddeutsche.de/thema/Auf_Station .

© SZ vom 13.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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