SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 18:Mit so vielen Ungeimpften werden wir die Pandemie nicht überwinden

Lesezeit: 2 min

Demo von Impf-Gegnern in Moessingen (Kreis Tuebingen) Ende August (Symbolfoto). (Foto: imago images/ULMER Pressebildage)

Aus Sicht von Pflegerin Julia Rettenberger sollte jedem klar sein: Es droht, dass alles wieder von vorne los geht, auch bei ihr in der Klinik.

Protokoll: Johanna Feckl

Nun ist sie also offiziell da: Die vierte Corona-Welle. Ende August hat das Robert-Koch-Institut in seinem Wochenbericht diese Mitteilung bekannt gegeben. Die vierte Welle ist anders als die bisherigen. Eine wichtige Ursache hierfür ist das Impfen - nach wie vor der einzige Weg raus aus der Pandemie. Das ist klar ersichtlich anhand der Patientenzahlen in unserer Kreisklinik. Zwar haben wir wieder Corona-Patienten, bislang war der Verlauf jedoch nur bei zwei davon so schwer, dass sie zu uns auf die Intensiv gekommen sind. Beide ohne schwere Vorerkrankungen. Beide ungeimpft. Das spricht für sich.

Es gibt aber noch weitere Aspekte, die sich im Laufe der Pandemie bei uns in der Klinik verändert haben. Zum Beispiel der Materialvorrat. Wir haben von allem eine solch hohe Bestandsmenge da, dass wir so schnell in keine brenzlige Situation geraten, sollte es wieder zu Lieferengpässen kommen. Auch wissen wir aus den vergangenen Wellen: Wir sind in der Lage, in relativ kurzer Zeit die Ressourcen auf der Intensivstation zu erhöhen, in dem planbare und nicht lebensnotwendige OPs verschoben werden und Personal von anderen Stationen gebündelt wird.

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 16
:Wenn man Patienten betreut, die man gut kennt

Julia Rettenberger wird von ihrer Freundin gebeten, ein besonderes Auge auf deren Opa zu haben, bei dem die beiden früher auf der Kirtahutschn saßen.

Protokoll: Johanna Feckl

Es gibt einen bewährten Plan, auf den wir jederzeit zugreifen können. Außerdem gilt seit nun einer Woche auch in der Klinik die 3-G-Regel für Besucher: Zutritt gibts nur für Geimpfte, Genesene und Getestete. Das bietet allen Patienten und auch uns, dem Personal, einen zusätzlichen Schutz. Und zuletzt: Ich selbst bin geimpft und kann dadurch nicht nur mir selbst, sondern auch meinem Umfeld mehr Sicherheit bieten als in den ersten Wellen - auch meinen Patientinnen und Patienten.

Man könnte also durchaus sagen: Meiner Arbeit in der kalten Jahreszeit sehe ich entspannter entgegen als es vor einem Jahr der Fall war - auch trotz der so rasant steigenden Inzidenzen. Das aktuelle Bild spricht nicht für eine akut bevorstehende Eskalation der Situation, zumindest nicht in unserer Kreisklinik. Als Entwarnung empfinde ich das jedoch nicht. Corona ist und bleibt eine gefährliche Krankheit, die für Betroffene zum Tod führen kann - und es gibt viele Menschen, die sich aufgrund einer Vorerkrankung nicht impfen lassen können. Oder diejenigen, für die es noch gar keinen zugelassenen Impfstoff gibt: Kinder unter zwölf Jahren. All diese Menschen haben nicht die Möglichkeit, sich ausreichend zu schützen.

Die meisten Ungeimpften haben aber eine Wahl. Solange so viele Menschen ungeimpft sind und das Virus deshalb immer noch viel zu sehr zirkulieren kann, treibt mich eine große Sorge um: Die Entstehung weiterer Virusvarianten - einer, gegen die unsere bisherigen Impfstoffe nicht mehr ankommen. Dann ginge alles wieder von vorne los, auch bei uns in der Klinik. Es sollte jedem klar sein: Wir haben die Pandemie noch nicht überwunden. Und wir werden es mit so vielen Ungeimpften auch nicht.

Julia Rettenberger ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 27-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte finden Sie unter sueddeutsche.de/thema/Auf_Station .

© SZ vom 06.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 3
:"Burschi, jetzt pass mal auf!"

Intensivpflegerin Julia Rettenberger berichtet von blöden Sprüchen über ihren Beruf - und wie sie dann reagiert.

Protokoll: Johanna Feckl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: