TV-Kritik: Wahlarena:Die Hülsenfrüchte des Baron Guttenberg

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Sat1 gab den früheren Talkshow-Größen Christiansen und Aust eine neue Chance - doch entzaubern musste sich Minister Guttenberg schon selbst.

Hans-Jürgen Jakobs

Man nehme drei von gestern gegen einen von heute, lasse sie über die üblichen aktuellen politischen Girlanden reden, mische das Ganze mit etwas Twitter, zwei Einheiten Webcam, ein paar E-Mails und reichlich SMS - und schon glaubt der älteste deutsche Privatsender, ein Rezept für eine Show im Wahlkampf zu haben.

Gruß aus der Vergangenheit: die Moderatoren Sabine Christiansen und Stefan Aust. (Foto: Foto: Sat1)

"Ihre Wahl! Die Sat1-Arena" hieß das Wort- und Bilderkonfetti, das am Sonntagabend über die Einschaltwilligen herunterging. Den Helden von heute gab im dunkelblau ausgeleuchteten Studio, reißerisch begleitet von Techno-Gebrumme wie beim Kirmes-Autoscooter, natürlich Karl-Theodor zu Guttenberg, der Spätberufene der Bundesregierung und das personifizierte Sommermärchen seiner CSU. Der Wirtschaftsminister hat die freiherrliche Gabe, selbst Selbstverständlichkeiten wie messianische Botschaften erscheinen zu lassen.

Gruß aus der Vergangenheit

Das Interviewer-Paar, das sich dem forschen CSU-Baron präsentierte, war der perfekte Gruß aus der Vergangenheit, ein freundlich-lautes "Hallo!" aus den neunziger Jahren des alten Jahrhunderts. Sabine Christiansen, die ewige Dame im beigen Kostüm der Gerhard-Schröder-Jahre, trat nun in Jeans und weißem Blazer auf, sie lachte zuweilen unmotiviert laut auf und fiel schnarrend ("Entschuldige, Stefan") dem männlichen Mitfrager an ihrer Seite ins Wort, dem langjährigen Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust, dessen hemdsärmelige Art bei Spiegel TV auch schon wieder Geschichte ist.

Aust wohnte der Show anfangs in Konfirmanden-Stellung mit in sich ruhenden Händen bei. Die Anmoderation brachten beide tatsächlich durch Ablesen vom Blatt mehr oder weniger unfallfrei über die Bühne.

Dass die beiden Journalisten einst just zu diesem Sonntags-Sendetermin richtige deutsche Talkshow-Stars waren, gab dem Arena-Arrangement eine gewisse nostalgische Note. Christiansen hielt es dabei in der ARD immerhin mehr als neun Jahre aus, während es Aust als Nachfolger von Erich Böhme im "Talk im Turm" bei Sat1 im Jahr 1998 gerade mal auf ein paar Monate brachte. Nun also feierten sie doppeltes Comeback, eine Entscheidung, zu der man sie und den Sender nicht unbedingt beglückwünschen muss.

Als Angreifer gegen Guttenberg, den netten "Ka-Te", den zweitbeliebtesten Politiker des Landes, hatten die Moderatoren den erfahrenen Oskar Lafontaine in ihr Zirkusrund gebracht. Der einstige SPD-Chef, der nun die Linke anführt, hatte kapiert, wie er in der ihm verbleibenden kurzen Sendezeit möglichst viele Forderungen seiner Partei im Parlament erwähnen, wie er Gerechtigkeitsforderungen anschaulich platzieren und wie er Guttenberg cool als ökonomischen Schulbuben aussehen lassen konnte.

"Leistung muss sich lohnen", deklamierte der Saarländer, der mit diesem Spruch wahlweise in der FDP oder der Union karrierefähig wäre. Die geladene Unternehmerin Claudia Sturm wiederum wollte vom Sympathiepolitiker Guttenberg andauernd konkrete Konzepte hören, aber es war ja nicht Weihnachten, eine Zeit, in der Wünsche erfüllt werden.

Karl-Theodor zu Guttenberg hatte an diesem Abend am Ende Mühe, seine wie gewohnt mit offenem Lächeln und ruhigen Worten vorgetragenen Erkenntnisse nicht als Worthülsen erscheinen zu lassen. Aber was soll man auch machen, wenn der Moderator Aust als erstes fragt, wie man sich in diesen Tagen als Politiker fühle? Guttenberg redet in solchen Situationen von Beständigkeit und Verpflichtung. Alles Hülsenfrüchte des politischen Alltags.

Kommt er in Bedrängnis, gibt er dem Fragesteller erst einmal recht. Hat er keine wirkliche Antwort parat - was öfter vorkommt - stellt er einfach selbst lauter richtige Fragen. Und egal worum es geht: Guttenberg gibt zu, dass er schon mal falsch liegt und dass er zu seinen Überzeugungen steht. Das Fernsehpublikum liebt den Oberfranken für seine Charakterstärke.

Das dicke Ende

Natürlich variierte der CSU-Politiker, der das Genre "Shootingstar" in Deutschland derzeit monopolisiert hat, auf Sat1 seinen Standardsatz, dass der Staat in der Wirtschaftskrise kein Retter sein, sondern nur Hilfestellung leisten könne. "Das dicke Ende hatten wir schon zweimal", sagte er zur Krise, und dass sie die Deutschen noch ein wenig begleite. Und Guttenberg schimpfte auf jene Manager, die Milliarden verjuxen und Boni wollen.

Er ist gegen flächendeckende Mindestlöhne, will die aber bereits für einzelnen Bereiche fixierten Tarifuntergrenzen nicht verändern. Und klar, die Kreditklemme drückt gewaltig. Konkreter ging's nicht.

Als die Unternehmerin nach Steuerfeinheiten fragte, durfte Guttenberg nur noch ganz kurz antworten, dann wurde er mitten im ministeriellen Satz jäh abgewürgt: Hier galt die Gnade der festen Sendezeit eines Privatsenders, der von der Werbung lebt.

Da der Unterhaltungssender Sat1 bei seinem Ausflug in die politische Information offenbar ein wenig zu ambitioniert war, war die Zeit für allerlei Mätzchen draufgegangen. Warum die Zuschauer auf einem Laufband die SMS-Fragen anderer Zuschauer lesen sollen, die in der Debatte überhaupt keine Rolle spielen und die doch nur ablenken, bleibt das Geheimnis der Leitungsebene.

Und dann die Idee "Webcam senden", wie die in der Analog-Ära groß gewordene Sabine Christiansen die Übermittlung von Fragevideos pries, oder die E-Mail-Texte mit schweren Rechtschreibfehlern! Schließlich saß auch noch der Sänger der Prinzen in Leipzig und sollte als Zeitzeuge etwas zur Stimmung vor der Landtagswahl in Sachsen sagen.

Prinz und Baron

Irgendwann kam es bei so viel Inhaltsfülle zum Bonmot, jetzt auf Sat1 seien der "rote Prinz" und der "schwarze Baron" beieinander. Das war so lustig, dass man fast vergaß, die nächste eingeblendete SMS zu lesen.

Je länger das hektische Treiben währte, desto stärker wurde der Wunsch nach einer einfachen Gesprächsrunde im Stuhlkreis. In der ersten Sat1-Werbepause konnte der geneigte Zuschauer auf Sabine Christiansens altem Sendeplatz im Ersten, den Anne Will übernommen hat, eine Debatte zum Thema Afghanistan verfolgen. Der Verteidigungsminister war da und stand schwer unter Druck, Peter Scholl-Latour redete von der Scharia jenseits der Hauptstadt Kabul und Gregor Gysi konstatierte: "Die Warlords verkaufen Drogen." Dieser Talk erreichte einen Marktanteil von 12,8 Prozent, und das war deutlich mehr als jene beschämenden 4 Prozent, die jene verunglückte Sat1-Arena schaffte.

Kurzum: Es war wie immer der sprechende Stuhlkreis der ARD - und es ging auch ganz ohne Karl-Theodor zu Guttenberg.

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