Risiko am Berg:In Turnschuhen auf den Watzmann

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Der Rettungshubschrauber Christoph 14 bei der Zwischenlandung an der Wimbachgrieshütte auf der Südseite des Watzmanns. (Foto: Bergwacht/BRK Berchtesgadener Land)

Die Bergwacht muss binnen weniger Tage zweimal zu winterlichen Rettungseinsätzen auf den höchsten Berg des Berchtesgadener Landes aufbrechen. Für einen 20-Jährigen aus Rheinland-Pfalz kommt jede Hilfe zu spät.

Von Matthias Köpf, Ramsau

Ob der 19-jährige Tourist aus Finnland noch mitbekommen hat, was nur drei Tage nach seinem verwegenen Ausflug am Watzmann geschehen ist? Sollte es ihm nicht schon am Ostersonntag bei seiner eigenen Rettung per Helikopter aus einem Schneefeld unterhalb der Südspitze klar geworden sein, in welche Gefahr er sich begeben hat, dann wäre es ihm wohl spätestens nach dem nächsten Einsatz der Ramsauer Bergwacht am Mittwoch bewusst geworden. Da haben die Bergretter schon wieder zwei junge Männer von der Südseite des Watzmanns holen müssen, diesmal 21 und 24 Jahre alt und aus Rheinland-Pfalz. Ihr 20 Jahre alter Begleiter war wie sie auf einem Schneefeld abgerutscht, hatte sich im Gegensatz zu ihnen aber nicht mehr selbst am Hang halten können und war 300 Meter in die Tiefe und in den Tod gestürzt. Seine Leiche barg später die Polizei.

Die beiden Einsätze unterscheiden sich nicht nur darin, wie sie ausgegangen sind. Denn der junge Finne war einfach drauflos gezogen durchs Wimbachgries zum 2713 Meter hohen und vom Föhnsturm umtosten Watzmann, am Nachmittag erst und nur in Turnschuhen, Jogginghose und Pullover. Seine drei Freunde hatten ihn nicht vom Umkehren überzeugen können, waren aber selbst wieder abgestiegen und hatten im Tal gegen 20 Uhr die Bergwacht gerufen. Eineinhalb Stunden später ortete ihn ein Polizeihubschrauber mit der Wärmebildkamera in 2250 Metern unterhalb der Südspitze und setzte dort einen Bergretter ab, der ihn sicherte und mit ihm an der Seilwinde ausflog.

Die drei Bergsteiger aus Rheinland-Pfalz dagegen hatten am Mittwoch den berühmten Watzmanngrat von Norden her schon überschritten, als sie beim Abstieg durch den Schnee auf etwa 2300 Metern ins Rutschen kamen. Die beiden, die sich noch halten konnten, stiegen erst zu ihrem abgestürzten Begleiter ab und dann noch weiter bis auf 1700 Meter, ehe ihre Handys endlich wieder Empfang hatten und sie gegen 17 Uhr Hilfe rufen konnten.

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Der Watzmann und besonders seine Überschreitung sind im Sommer zwar regelrecht überlaufen, aber auch dann eigentlich nichts für Turnschuhwanderer und Gelegenheitsalpinisten. Im Winter und im zeitigen Frühjahr wird die Überschreitung zu hochalpinen Unternehmung für wirklich erfahrene Bergsteiger, da sind sich der Vorsitzende der Berchtesgadener Alpenvereinssektion, Beppo Maltan, und Bergwacht-Regionalleiter Nik Burger einig. Und doch muss die Bergwacht am Watzmann immer wieder Anfängern zu Hilfe kommen wie im vergangenen Jahr zwei jungen Münchnern.

Maltan wie Burger führen das auch darauf zurück, dass die Foren und Portale im Internet voll sind von Clips und Tipps, in denen viel von einmaligen Erlebnissen die Rede ist und kaum von Gefahren. Oft fehle es an der nötigen Selbsteinschätzung. Maltan zeigt sich entsetzt von manchen Anfragen bei der "Alpinen Auskunft" des DAV in Berchtesgaden - und dort melden sich immerhin Menschen, die sich überhaupt vorher informieren. "Auf Dauer müssen wir uns da was einfallen lassen."

Burger hingegen ist beileibe keiner, der dem Leichtsinn der Anfänger das Wort reden würde. Auch er kritisiert, dass das Herumturnen am Watzmann "eine absolute Modeerscheinung geworden" sei. Aber Burger prägt und trägt auch die Linie der Bergwacht mit, nicht über diejenigen zu urteilen, die man retten muss. Für einen erfahrenen Allround-Alpinisten gehöre es regelrecht dazu, auch im Winter unterwegs zu sein, sagt Burger. Zur Nachmittagstour in Jogginghose und Turnschuhen fällt aber auch ihm nichts mehr ein.

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