Plötzlich in Schweden:Wenn sich Zugvögel verfliegen

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So lange der Boden nicht gefroren ist, findet so ein Waldrapp schon irgendwas zu fressen. (Foto: Sebastian Beck)

Die Waldrappe aus dem oberbayerischen Burghausen dürfen den Winter in der Toskana verbringen. Doch einige von ihnen sind in die völlig falsche Richtung gezogen.

Glosse von Matthias Köpf, Burghausen

Es soll da so eine vom Aussterben bedrohte Spezies geben, der eine gewisse Sehnsucht nach der Toskana und eine Vorliebe für Schweden nachgesagt wird. Wer da jetzt gleich an die Sozialdemokraten denkt, liegt natürlich völlig falsch. Denn die sind in Bayern ja nicht akut vom Aussterben bedroht, sondern haben erst neulich ein Wahlergebnis im oberen einstelligen Prozentbereich eingefahren, womit das Überleben im Landtag wieder für volle fünf Jahre gesichert ist.

Eine richtige Toskana-Fraktion können sie sich allerdings nicht mehr leisten, und Schweden wird inzwischen auch vom rechten Lager regiert. Speziell das mit Schweden betrübt die Sozialdemokraten sicher sehr. Ganz im Gegensatz zu den Burghauser Waldrappen. Denen scheint es auf ganz gefährliche Weise egal zu sein.

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Dabei sollten diese Waldrappe schon auch selber ein bisschen auf sich aufpassen. Schließlich sind sie in Mitteleuropa angeblich schon im Lauf des 17. Jahrhunderts ausgestorben, und der weltweit allerletzte dieser seltsamen Vögel, der noch ganz von sich aus seiner Zugvogel-Natur folgte, ist wohl vor zehn Jahren irgendwo zwischen Syrien und Äthiopien verschollen.

Im oberbayerischen Burghausen gibt es aber seit der Landesgartenschau 2004 eine Waldrapp-Kolonie, als Teil eines Wiederansiedlungsprojekts mit inzwischen sechs Standorten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien plus einer passenden Lagune in der südlichen Toskana als Überwinterungsgebiet.

Wo es im Leben langgeht, bekommen die Waldrappe erst einmal von Menschen in Leichtflugzeugen gezeigt. (Foto: Waldrapp-Projekt)

Den von Menschen aufgezogenen Jungvögeln muss der Weg dorthin aber erst einmal mit einem Leichtflugzeug vorgeflogen werden, bis sie da selber einigermaßen orientiert sind. Das hat zuletzt eigentlich immer gut geklappt, doch in diesem Herbst haben sich ein gutes Dutzend der Burghauser Lokalhelden und einige Artgenossen aus Kuchl bei Salzburg schwer in der Richtung vertan. Statt nach Süden über die Alpen zu ziehen, haben sie es sich scheinbar einfach gemacht und sind ohne Angabe von Gründen praktisch pfeilgerade Richtung Norden geflogen.

Nur zwei Tiere, die selber schon mal in der Toskana waren und dort offenbar doch wieder hinwollen, sind rechtzeitig umgedreht. Die anderen picken jetzt irgendwo in Norddeutschland, Dänemark und bei Jönköping in Schweden im Boden herum, was kein Problem ist, solange der noch nicht gefroren ist. Sofern sich die Vögel von ihren menschlichen Arterhaltern dort droben überhaupt wieder irgendwie loseisen lassen, ist ihr Weg ins richtige Winterquartier nun eben noch mal um 1300 Kilometer länger. Langfristig gilt für sie dann hoffentlich das Gleiche wie für manche Wahlkampftouristen tief im weiten Bayernland: Umwege erhöhen die Ortskenntnis.

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