Wahlkampf in Bayern:Konzilianz trifft auf Konfrontation

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Die grüne Spitzenkandidatin Katharina Schulze (links) und CSU-Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (rechts) im Gespräch mit SZ-Bayernchef Sebastian Beck im gut gefüllten Rosenheimer Ballhaus. (Foto: Stephan Rumpf)

Beim SZ-Podium im Rosenheimer Ballhaus übt sich vor allem CSU-Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber in der Abgrenzung gegenüber den Grünen. Deren Spitzenkandidatin Katharina Schulze macht trotzdem Angebote zur Zusammenarbeit, wenngleich meist vergebens.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Auf dem Podium sitzen die beiden Frauen kaum drei Meter voneinander entfernt, doch in der öffentlichen Wahrnehmung kurz vor der Landtagswahl am 8. Oktober könnten sie als Vertreterinnen zweier gegensätzlicher Pole in der Landespolitik gelten. Hier Michaela Kaniber, CSU, Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die sich im Kabinett vorrangig um Bayerns Bauern kümmern muss und deren Ressort das Land schon im Namen trägt. Dort Katharina Schulze, zusammen mit Ludwig Hartmann Fraktionssprecherin der Grünen im Landtag und Oppositionsführerin in Bayern, zu deren Stimmkreis München-Milbertshofen auch das westliche Schwabing gehört.

In der Großstadt München waren die Grünen schon bei der Wahl vor fünf Jahren die stärkste Partei. In Kanibers Stimmkreis Berchtesgadener Land lagen sie mit 16,4 Prozent zwar auf Platz zwei, aber weit hinter den 42,6 Prozent der CSU. Dort auf dem Land hantieren die einen in aller Frühe im Stall mit der Melkmaschine, während die anderen in der Stadt später ihren Latte Macchiato schlürfen und überlegen, wie sie den Landbewohnern das Leben noch schwerer machen können. So wird die politische Lage gerade gerne beschrieben - speziell von denen, die sich davon selbst etwas versprechen. Doch gibt es ihn wirklich, diesen angeblichen Kulturkampf zwischen Stadt und Land? Oder zwischen Land und Stadt, um das Land ausnahmsweise mal zuerst zu nennen? Die SZ will das genauer wissen - am Donnerstagabend von Michaela Kaniber und Katharina Schulze ganz persönlich.

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Manchmal kommen sich die beiden Politikerinnen auch inhaltlich ein bisschen nahe auf dem Podium, oft zur hörbaren Freude der rund 200 Besucher im gut gefüllten Stucksaal des Rosenheimer Ballhauses. Doch was sich wann, wie schnell und wie genau verändern muss in Bayern, darüber werden sie sich an dem Abend nicht einig werden. Als angriffslustiger präsentiert sich da oft weniger die Oppositionsführerin, sondern eher die Ministerin.

Gehe es nach den Grünen, dann sollten sich die Menschen in Deutschland zwar einmal im Jahr ihr Geschlecht selbst aussuchen können, aber nicht ihre Heizung. So formuliert es Kaniber bei einer ihrer wenigen, aber recht unvermittelt vorgetragenen heftigeren Attacken - in diesem Fall als späte Antwort auf eine Frage von Moderator Sebastian Beck. Der Leiter der SZ-Bayernredaktion will von beiden Frauen wissen, ob sie miteinander koalitionsfähig seien, und erhält die staatstragendere Antwort von Schulze: "Die Zeiten sind zu ernst, um vor einer Wahl eine mögliche Koalition mit einer anderen demokratischen Partei auszuschließen."

Das Publikum belohnt eher Schulzes verbindliches Auftreten

Dass der amtierende Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder nach dem 8. Oktober mit Schulzes Grünen über die Regierungsbildung sprechen wird, war vor einigen Jahren allerdings noch ein bisschen wahrscheinlicher als im Augenblick. Im laufenden Wahlkampf ist die CSU um Konfrontation und Abgrenzung bemüht, und mit ihr Michaela Kaniber am Podium in Rosenheim.

Ein Ziel von 30 Prozent Öko-Landbau in Bayern, wie es die Grünen in ihr Wahlprogramm geschrieben haben? "Das ist für mich ein absoluter Wahnsinn", sagt die Landwirtschaftsministerin, dass man dies erzwingen wolle. Sie wirft Schulzes Grünen vor, die Menschen beim Essen zu bevormunden und in den Kommunen oft Fleisch und sogar Fisch aus Kitas und Schulkantinen verbannen zu wollen. Dem widerspricht Schulze. "Jeder soll essen, was er oder sie möchte" - und die Kinder in Kitas und Schulen am besten frisches, nicht vorgefertigtes Essen, von dessen Produktion auch die Landwirte gut leben könnten. Einig sind sich beide immerhin darin, dass die Politik versuchen müsse, einen Absatzmarkt für Bio-Produkte zu schaffen, um Bauern bei der Umstellung zu unterstützen.

Am Podium trenne die beiden Frauen keine drei Meter, doch politisch liegen sie oft weit auseinander. (Foto: Stephan Rumpf)

So lautet Kanibers Antwort auf eine Frage aus dem Publikum, welche Position der jeweils anderen die beiden gut fänden. Insgesamt belohnen die Zuhörerinnen und Zuhörer im Ballhaus eher Schulzes verbindlicheres Auftreten mit Applaus, doch sie hat für den Auftritt in der 65 000-Einwohner-Stadt Rosenheim erkennbar mehr eigene Anhänger mobilisieren können als die CSU-Ministerin, die eher von einigen Bauern und Bürgermeistern aus der Umgebung unterstützt wird. Um Dinge wie den fehlenden Internet-Zugang in der Bahn zwischen Rosenheim und München drehen sich die lokaleren Fragen oder um die Haltung der beiden Politikerinnen zum Brennernordzulauf, der für Bundes- und Landespolitiker im Raum Rosenheim auch parteiintern stets ein brisantes Thema ist. Schulze bekennt sich im Ballhaus klar zu zwei zusätzlichen Gleisen Richtung Brenner, während Kaniber lieber von Unterstützung für betroffene Landwirte spricht.

Beim speziell von der CSU erst zuletzt mit neuer Dringlichkeit diskutierten Thema Zuwanderung zeigt Kaniber nach Berlin. Dass nach Deutschland geflohene Ukrainer inzwischen Bürgergeld bekämen, "raubt Motivation zum Arbeiten". Bei Flüchtlingen aus anderen Ländern wolle Bayern wieder auf Sachleistungen setzen. "Es kann nicht der Zuzug in einen Sozialstaat Deutschland der richtige Weg sein", sagt Kaniber und erntet einigen Applaus. Schulze hingegen möchte Flüchtlinge lieber "schnell integrieren und schnell in den Arbeitsmarkt bekommen". Da müsse auch die Staatsregierung mehr tun "als in der Talkshow zu sagen, was alles nicht geht".

Doch auch aus dem Gespräch in Rosenheim können die Zuhörer mitnehmen, was aus Kanibers Sicht eher nicht geht, nämlich eine Koalition mit den Grünen. Schulze hingegen zeigt sich bemüht, eine minimale Perspektive auf eine Regierungsbeteiligung aufzuzeigen: "Das Beste aus beiden Welten zu vereinen wäre hier möglich."

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