Verkehr auf dem Land:Busse nach Bedarf

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In Bad Birnbach ist der Rufbus schon fahrerlos unterwegs. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Kurz zum Bäcker oder schnell zum Arzt - schwierig, wenn kein Linienbus mehr fährt. On-Demand-Verkehr könnte die Lösung sein und boomt dementsprechend. Warum haben sie ihn in Murnau dann gerade abgeschafft?

Von Matthias Köpf, Murnau

Vom Murnauer Bahnhof in die Unfallklinik ist es zu Fuß eine gute halbe Stunde, mit dem Rad vielleicht zehn Minuten. Wer kein Rad dabei hat, wer es überhaupt nicht so hat mit dem Radfahren oder wer nicht ganz so gut zu Fuß ist, konnte bis vor ein paar Tagen stattdessen den vielfach ausgezeichneten Murnauer Rufbus Omobi nehmen. Doch den Vertrag für diesen Rufbus hat der Murnauer Gemeinderat im lokalpolitischen Dauerstreit mit Bürgermeister Rolf Beuting (ÖDP) neulich auslaufen lassen. Eine Alternative gibt es auf absehbare Zeit nicht, so dass die Menschen in Murnau gerade ganz ohne jedes öffentliche Verkehrsmittel dastehen. Dabei war Omobi ein Vorreiter des On-Demand-Verkehrs, der als Zukunftslösung speziell für ländliche Gebiete gilt. Anderswo nehmen ähnliche Projekte gerade Fahrt auf.

So haben sich erst vor ein paar Wochen fast 80 Vertreter aus allerlei Kommunen vom bayerischen Verkehrsministerium über solche On-Demand-Lösungen und deren Förderung informieren lassen. Bisher stellt der Freistaat dafür insgesamt 15 Millionen Euro zur Verfügung. "Flexible Angebote, wie etwa Rufbusse, können helfen, gerade im ländlichen Raum den ÖPNV ansprechender zu machen", bekräftigte Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU).

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Denn der gewohnte Linienbusverkehr ist nach Auffassung des Ministeriums "in ländlichen Regionen meist wirtschaftlich und ökologisch nur bedingt sinnvoll". Ganz anders die "bedarfsorientierten Bedienformen" - meist Kleinbusse, die nur auf individuelle Bestellung per Telefon oder Handy-App unterwegs sind und die jeweiligen Wünsche und Wege der Nutzer möglichst effektiv bündeln. Sie sind laut Ministerium "eine ideale Möglichkeit, um gerade in ländlichen Räumen ein flexibles und flächendeckendes Angebot im ÖPNV bereitzustellen" und "insbesondere Angebotslücken in den bisher weniger gut erschlossenen ländlichen Regionen zu schließen". Um den On-Demand-Nahverkehr voranzubringen, kündigte Bernreiter an, bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) ein Team für "Nachhaltige Mobilität" einzurichten. Die BEG bestellt und kontrolliert für den Freistaat bisher vor allem den Regionalverkehr auf der Schiene.

Die Deutsche Bahn beteiligt sich ebenfalls an der Entwicklung von On-Demand-Lösungen. Denn wer sich erst einmal ins eigene Auto setzen muss, um zum nächsten Bahnhof zu gelangen, legt womöglich gleich die ganze Strecke damit zurück. Rufbusse hingegen könnten der DB die Kunden an den Bahnhof bringen, lautet das Kalkül des Konzerns. Verwirklicht hat die Deutsche Bahn dieses Konzept unter anderem am Chiemsee, wo seit einem Jahr die "Rosi"-Rufbusse elf Gemeinden mit insgesamt 50 000 Einwohnern im Landkreis Rosenheim erschließen. Das Angebot ist beliebt und gilt bisher als Erfolg. Allerdings wird Rosi wohl deutlich mehr kosten als ursprünglich geplant. In den ersten Monaten nutzten viele Fahrgäste die Bestellbusse nämlich weniger als Ergänzung zu den bestehenden Buslinien, sondern eher als Taxi-Ersatz auf Kurzstrecken innerhalb der größeren Gemeinden, so dass die Fahrzeuge oft kaum in entlegenere Gebiete vordrangen.

Nach wochenlangem Hin und Her um das Rufbussystem Omobi sollen von Freitag an wieder Busse durch Murnau rollen. (Foto: Omobi)

Ein großer Kostenfaktor beim On-Demand-Verkehr sind die Fahrer, weshalb sich die Hoffnungen der Branche langfristig auf fahrerlose Busse richten. Ein Pilotprojekt mit autonomen E-Bussen im niederbayerischen Bad Birnbach ist nach einjähriger Probephase gerade in den Regelbetrieb übergegangen. Der Bus bedient dort auf Abruf 20 feste Haltestellen etwa an Hotels, der Kirche, der Schule oder einer Anlage für betreutes Wohnen. Im ersten Jahr haben nach Angaben von Bürgermeisterin Dagmar Feicht (CSU) etwa 7800 Fahrgäste diesen Service genutzt - dies aber bei gut 5000 einzelnen Fahrten, was einem Schnitt von 1,7 Passagieren pro Fahrt und damit nicht ganz dem Ziel entspricht, die Fahrten zu bündeln.

Es gehe "um Mobilität für alle, gerade im ländlichen Raum", sagt Birnbachs Bürgermeisterin im Einklang mit dem Verkehrsminister. Der hat angekündigt, dass der Freistaat das Projekt mit 45 Prozent der Kosten weiterhin fördern werde. Zusätzlich ist in Bad Birnbach schon seit 2017 ein selbstständig fahrender, aber menschlich begleiteter Pendelbus zwischen Bahnhof, Therme und Marktplatz unterwegs, den schon rund 87 500 Fahrgäste benutzt haben.

Ob es in Murnau bald wieder einen On-Demand-Verkehr geben wird, ist am 23. Juli Gegenstand eine Bürgerentscheids, den ein Bündnis aus Seniorenbeirat, Jugendvertretung, Wirtschaftsförderverein und anderen Verbänden durchgesetzt hat. Bei einem Ja, könnte Omobi schon nach nach ein paar Wochen mit erneuerter Konzession weiterfahren. Welche Lösung irgendwann auf ein Nein folgen könnte, ist vollkommen offen.

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