Mobilität auf dem Land:Murnau zieht beim preisgekrönten Rufbus die Handbremse

Lesezeit: 2 Min.

Noch ist der Mobilitätsdienst "Omobi" mit seinen Fahrzeugen in Murnau unterwegs. (Foto: Omobi)

Der oberbayerische Ort gilt seit drei Jahren als Vorreiter zeitgemäßer On-Demand-Mobilität. Doch nun haben die Gemeinderäte dem beliebten Projekt ein jähes Ende bereitet.

Von Matthias Köpf, Murnau

Die dunklen Kleinbusse, die seit Sommer 2020 in und um Murnau herumkurven, sind der Zeit seither ein Stück vorausgefahren, und mit ihnen die ganze Marktgemeinde im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Das von einem lokalen Startup entwickelte und "Omobi" genannte Rufbus-System hat zahlreiche Mobilitätspreise eingefahren und gilt auch vielen Murnauern als Erfolgsmodell. Sie können ihren Ortsbus weit im Voraus buchen oder so spontan am Handy, als ob sie sich schnell ein Taxi rufen würden.

Und länger als ein Taxi braucht der Bus dann meistens auch nicht, bis er an dem per App angezeigten Haltepunkt eintrifft, um sie mitzunehmen und für zwei Euro an ihr Ziel zu bringen. Der Landkreis hat sich das zum Vorbild genommen und will 2024 rund um Murnau ein deutlich größeres Rufbus-System aufspannen, statt halbleere Linienbusse übers Land zu schicken. Doch mittendrin hat der Murnauer Marktgemeinderat jetzt recht abrupt die Handbremse gezogen.

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Nur noch bis Ende Juni sollen die Omobi-Busse den öffentlichen Nahverkehr in Murnau übernehmen, so haben es die Räte im Januar beschlossen. Bekannt wurde es allerdings erst neulich, als Murnaus Bürgermeister Rolf Beuting (ÖDP) diesen hinter verschlossenen Türen gefassten Beschluss öffentlich gemacht hat. Für Beuting, dem vor allem die Murnauer CSU das Regieren ohnehin nicht leicht macht, ist die Entscheidung eine Niederlage. Der Bürgermeister hat sich stets für den Ortsbus eingesetzt und zeigt sich von dem Konzept immer noch überzeugt. "Ich bedauere den Beschluss sehr", sagt Beuting. Nach seinen Angaben hat sich die Mehrheit im Rat nicht nur gegen den Betreiber Omobi ausgesprochen, sondern ganz ausdrücklich gegen jegliches On-Demand-System. "Ich hoffe, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Beschluss den Mobilitätsbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger gerecht wird", sagt Beuting.

Die Gegner des Rufbusses bemängeln vor allem die hohen Kosten. Denn der Fahrpreis von zwei Euro ist bei weitem nicht kostendeckend. Ohne alle Förderungen und den Anteil der Gemeinde würde eine Fahrt zwischen 17 und 19 Euro kosten, hat ein Kritiker aus der CSU einmal vorgerechnet. Eine Vergleichsrechnung für Linienbusse hat er allerdings nicht aufgestellt.

Für viele Murnauer ist das Angebot jedenfalls attraktiv. 60 000 Fahrgäste habe man bisher befördert, teilte Omobi im Februar mit. Rein statistisch hätte also jeder der rund 12 000 Murnauer den Ortsbus in den vergangenen drei Jahren fünfmal benutzt. Und die Zahl der Fahrgäste stieg weiter - von 2021 auf 2022 laut Omobi um 58 Prozent, damit sei man eines "der erfolgreichsten On-Demand-Systeme in ganz Deutschland". Seit 2021 sind auch die kleinen Nachbargemeinden Seehausen und Riegsee dabei und zahlen bisher recht klaglos mit. Doch nicht nur für sie wird der plötzliche Ausstieg der Murnauer zum Problem.

Denn das am Erfolg von Omobi orientierte Rufbus-System des Landkreises für deutlich mehr Gemeinden im Umland bis hinein in den Nachbarlandkreis Weilheim-Schongau wird wohl erst im Herbst 2024 an den Start gehen. Sein Betrieb muss öffentlich ausgeschrieben werden. Omobi will sich bewerben, doch inzwischen drängen auch andere Anbieter auf den Markt der On-Demand-Mobilität. So hat die Deutsche Bahn über Tochterfirmen im vergangenen Jahr ein ähnliches System für 50 000 Einwohner von elf Gemeinden im Landkreis Rosenheim ausgerollt. Wer auch immer 2024 rund um Murnau das Rennen macht, hätte mit einem vorhandenen Rufbus auf ein etabliertes System aufbauen können. Dazu, wie es bis dahin in Murnau weitergehen soll, sind noch keine Beschlüsse öffentlich geworden.

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