Skurrile Aktion:Wenn Jesus auf dem E-Scooter gegen die Passion protestiert

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Mit zweijähriger Pandemie-Verzögerung hat Christian Stückl in Oberammergau seine vierten Passionsspiele inszeniert: die Kreuzigungsszene. (Foto: Sebastian Beck)

Am Passionsspiel in Oberammergau wirken auch Tiere mit, weshalb Aktivisten am Wochenende vor der Spielstätte demonstrieren wollen. Wenigstens das Abendmahl ist vegan.

Glosse von Sebastian Beck

Rechtzeitig zur Premiere der Passionsspiele in Oberammergau an diesem Wochenende hat die Tierschutzorganisation Peta ihren Protest angekündigt. Ein als Jesus verkleideter Aktivist werde mit einem E-Scooter vor dem Theater auf- und abfahren, um so gegen die Tiernutzung auf der Bühne zu demonstrieren, teilte die Organisation mit. Dazu fällt einem spontan ein, dass es in einer Demokratie jedem freisteht, sich selbst zum Esel zu machen. Das wäre aber ein sehr billiger Witz, zumal Peta darauf hinweist, dass Esel klug, umgänglich und liebevoll seien.

Generell ist es so, dass an die Passionsspiele allerlei Erwartungen herangetragen werden. Auf der Pressekonferenz vergangene Woche war die Forderung zu hören, Jesus müsse 2030 endlich mal von einer Frau und Maria von einem Mann gespielt werden. Dem sei noch hinzugefügt, dass auch die Kreuzigung eine nicht mehr zeitgemäße Strategie zur Konfliktbewältigung ist, weshalb Frau Jesus (nach ihrem Einzug auf einem E-Scooter) ihren Zoff mit dem Establishment im Rahmen einer Mediation lösen könnte. Möglicherweise könnte man auch den einen oder anderen Apostel durch PsychotherapeutInnen ersetzen. Das wäre sehr schön.

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Was aber den Theateresel betrifft, ist es so, dass der gute alte Sancho unter Haarausfall und allgemeinen Motivationsproblemen litt, weshalb er im März durch den katalanischen Riesen Aramis ersetzt wurde. Der hinterließ zuletzt bei den Proben den Eindruck, dass er grundsätzlich Bock auf die Passionsspiele hat, allein schon deshalb, weil es eine Abwechslung zur Rumhängerei auf der Weide ist. Außer Aramis sind in Oberammergau noch diverse Schafe, Kamele, Pferde, Hühner und sogar weiße Tauben im Einsatz. Letzteren gelingt bei jeder Aufführung die Flucht aus ihren Körben, wenn Jesus im Tempel wütet. Sie hauen einfach über die offene Bühne hinaus in die Freiheit ab, wobei nicht klar ist, ob es sich um Einweg-Tauben handelt oder ob sie sofort ihren heimischen Taubenschlag in Oberammergau ansteuern.

Wenn es nach Peta geht, werden all diese Viecher bald arbeitslos und durch Drohnen, E-Scooter und Lastenräder ersetzt. Zum Glück war das Abendmahl immer schon vegan, es darf wahrscheinlich auch bei der Passion 2030 noch unverändert verspeist werden.

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Von Christiane Lutz (Text), Sebastian Beck (Fotos) und Lisa Sonnabend (digitale Umsetzung)

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