100 Tage im Amt:Der Hightech-Mann

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Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) kommt mit den Lockerungen beim Denkmalschutz den Landtagsgrünen zuvor, die eine entsprechende Initiative angekündigt hatten. (Foto: Frank Hoermann/imago images)

Markus Blume ist als Wissenschaftsminister auch für die Kunst zuständig - das zeigt sich bislang aber kaum. Dafür kann er offensichtlich nicht ganz von seinem alten Job als Generalsekretär lassen.

Von Andreas Glas, Susanne Hermanski und Johann Osel, München

Markus Blume hat die Presse in den Münchner Norden geladen, in ein Haus, das auf den sehr neuzeitlichen Namen "Munich Urban Colab" hört. Viel Sichtbeton, viel Glas, ein Kreativquartier, wie man sagt, mit "unheimlichem Start-up-Geist", schwärmt Blume. Das Erdgeschoss heißt hier "Ground Floor North", der Tagungsraum "Project Room 1", überm Tisch baumeln Steckdosen, die an Kabeln aus der Decke kriechen. Wer so einen Ort wählt, will eine Botschaft senden. Eigentlich, sagt Blume, hätte sein Ministerium "verdient, dass man Innovationsministerium drüberschreibt. Vielleicht machen wir das irgendwann auch noch". Man kann nicht sicher sagen, ob er das ernst meint. Aber seine Botschaft ist damit gesetzt.

Blume, 47, ist im Kreativzentrum, um Bilanz zu ziehen. Seit drei Monaten ist er der neue Minister - in einer Partei, die sich gerade neu definiert. Es ist ja so: Die CSU war schon mal fassbarer. Als Edmund Stoiber den Freistaat zum Hochtechnologieland umbaute, kaperte die CSU dafür eine griffige Formel: Laptop und Lederhose. Ein Narrativ, das oft belächelt wurde. Aber: Es hat funktioniert, jeder kannte es. Heute? Steckt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wieder viel Geld in moderne Technologien, Digitales, künstliche Intelligenz, 3,5 Milliarden Euro. "Hightech Agenda" heißt Söders Herzensprojekt, doch mit dem Begriff können längst nicht alle etwas anfangen. Blume soll das ändern, er soll der CSU wieder ein Hightech-Narrativ verpassen. Es gehe darum, "die Dinger sichtbarer zu machen" und "ein Branding zu entwickeln", sagt Blume.

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Für die Markenbildung hat Söder schon Vorschläge gemacht. Von "Leberkäs und Laser" sprach er zuletzt. Blume ist für die Laser-Rhetorik zuständig, die Leberkäs-Sprüche überlässt er dem Parteichef, der die CSU nach der verpatzten Bundestagswahl wieder ländlicher und konservativer positioniert, über Gendersternchen lästert und Fleischfresser umgarnt. Die CSU sei "nicht die Avocado-, sondern die Schnitzel-Etage", hat Söder neulich gesagt. Aber so ganz will er auch die Avocado-Etage nicht aufgeben, das zeigt die Personalie Blume sehr gut. Eine "Wertschätzung an München" nannte er dessen Berufung zum Minister. Und schickte hinterher: "Wir können Großstadt, wir wollen Großstadt."

In der CSU ist zu hören, dass Blume die Grenzen seines Ressorts "weit auslegen" werde

Wie das aussieht, wenn CSU-Großstadtminister Blume als Markenbotschafter auftritt, lässt sich am Montag im Kreativzentrum schön beobachten. Statt Leberkäs gibt es Gemüselasagne, dazu präsentiert Blume das neue Logo der Hightech Agenda, einen Löwenkopf. Die Agenda nennt er "Konjunkturprogramm" für die Wirtschaft. "Wir investieren, um mit Schwung aus den Krisen zu kommen", sagt Blume. Spricht hier wirklich der Minister für Wissenschaft und Kunst? Oder hat sich da einer an der Haustür geirrt?

In der CSU ist jedenfalls zu hören, dass Blume die Grenzen seines Ressorts "weit auslegen" werde. Geht es nach Söder, soll im Haus für Hochschulen und Kunst ein Neben-Wirtschaftsminister wachsen, der mit den Hightech-Themen jene Felder besetzt, die der echte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) aus CSU-Sicht vernachlässigt. Nur, einfach ist das nicht. Bernd Sibler, den Blume als Minister abgelöst hat, ist ja daran gescheitert, die Special-Interest-Themen Forschung und Hochschule einem breiten Publikum zu vermitteln. Für die CSU soll Blume deshalb nicht nur die Rolle des Fachministers erfüllen. Er soll auch Verkäufer sein, als Minister denken und zugleich als Parteistratege. Wer könnte das besser als ein Ex-Generalsekretär?

Vier Jahre lang war Blume als CSU-General der wichtigste Mann im Schaufenster der Partei, hinter Söder, logisch. Ganz abgelegt hat Blume diese Rolle nicht. Ständig ist er mit Söder unterwegs, im Truderinger Festzelt, im Nürnberger Zukunftsmuseum, bei der Eröffnung der Landesausstellung "Typisch fränkisch" posierte er mit Söder und Bratwurst zwischen Brotscheiben fürs Foto. Das waren nur die gemeinsamen Termine der vergangenen eineinhalb Wochen. Es ist zu hören, dass Söder sich immer noch für Blumes Meinung interessiert, wenn es um die Parteistrategie geht.

Auch auf Twitter schwingt der Minister Blume weiterhin gern die Generalskeule, etwa gegen SPD-Kanzler Olaf Scholz. Vielleicht auch deshalb, um ab und zu mal wieder etwas digitale Resonanz zu spüren. Als Generalsekretär wurden Blume-Tweets teils tausendfach geherzt und geteilt. Twittert er als Minister über die Hochschulreform, teilen das keine zehn Leute. Da kann Blume das sogenannte Hochschulinnovationsgesetz, das unter seiner Führung endlich verabschiedet werden soll, noch so oft als "Meilenstein" seiner bisherigen Amtszeit betiteln.

Die Wissenschaft, das immerhin hat jeder begriffen, steht bei Blume für: Zukunft. Schön. Der Bereich "Kunst" dagegen ist nur so gepflastert mit ungelösten Problemen - allen voran dem unfassbaren Sanierungsstau an den Bauten, gefolgt von der Personalnot in den Institutionen und dem fehlenden Gesamtkonzept für das, was der stolze Kulturstaat eigentlich sein soll - in Zukunft. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass Blume in seinen ersten drei Ministermonaten jedem neuen Stipendiaten des Freistaats persönlich gratuliert hat.

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In den ersten Tagen seiner Amtszeit beeilte er sich noch, zwei seiner Flaggschiffe zu besuchen. Mit dem Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels Andreas Beck traf er sich vorm Residenztheater, um die in ukrainischen Farben erleuchtete Fassade zu begutachten. Ein paar Tage später ging er ins Nachbarhaus, die Bayerische Staatsoper, sogar hinein. Flaggschiff Nummer drei, die Staatsgemäldesammlung hat er bislang offenbar noch nicht beehrt. Aber dafür war er ja mit Söder bei der Typisch-Franken-Ausstellung.

Einen Antrittsbesuch der besonderen Art ließ Blume mit einem Foto dokumentieren, das ihn am Schlagzeug zeigt. Da war er zu Gast bei Leslie Mandoki, Musik-Produzent und bekannt für seine ausgezeichneten Kontakte, etwa zu Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Am Versenken eines ganz anderen kulturellen Flaggschiffs hat sich Blume an der Seite von Söder ebenfalls schon beteiligt. Auch der neue Kunstminister hätte gern das Konzerthaus im Münchner Werksviertel von der Agenda des Freistaats genommen. Das hat er in mehreren Interviews zum Ausdruck gebracht. Da hilft es dem Projekt wohl auch wenig, dass es dereinst doch das erste digitale Konzerthaus der Welt sein soll.

Hat es der Kunstminister etwa gar nicht so mit der Kunst? "Das täuscht", sagt Blume, sehr vehement. Überhaupt, Hightech und Kunst, das gehe durchaus zusammen. Er könne sich etwa ein Festival für digitale Kunst vorstellen. Geht es um Geld für die Kultur, klingt Blume allerdings sparsam. Die Wünsche seien "immer größer als die finanziellen Möglichkeiten".

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