Marktl am Inn:Was bleibt vom großen Papst-Rummel? 

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Das Geburtshaus des früheren Papstes in Marktl am Inn stand seit seiner Wahl 2005 immer wieder im Mittelpunkt des Interesses. Nun vielleicht ein letztes Mal. (Foto: Johannes Simon/Getty Images)

Die Papst-Salami, das Papst-Bier und all jene Merchandising-Produkte spielen schon länger kaum noch eine Rolle im Geburtsort des verstorbenen Benedikt XVI. In Marktl schauen die Menschen jetzt auf das, was bleibt.

Von Matthias Köpf, Marktl am Inn

Dieses Mal war Marktl vorbereitet, und das schon seit Jahren. Es gab einen Ablaufplan, ein Ordner mit der Aufschrift "Im Fall des Todes von Papst em. Benedikt" war zur Hand, und auch das Kondolenzbuch, das seit Silvester in St. Oswald ausliegt, hatte die Gemeinde schon angeschafft, als Hubert Gschwendtner noch Bürgermeister war. Gschwendtner weiß aus eigener Erfahrung, was gute Vorbereitung wert sein kann. Denn am 19. April 2005 hatte auch ihn die Nachricht vollkommen unerwartet getroffen, dass ein Sohn seiner kleinen Gemeinde zum Papst gewählt worden war.

Das Medieninteresse hat die kleine Gemeinde im Landkreis Altötting an jenem Tag regelrecht überrollt. Ein Journalist zählte mehr als 40 Übertragungswagen auf dem Marktplatz, sie müssen viel rangiert und eng geparkt haben dort. Jetzt, wo der 1927 in Marktl am Inn geborene und noch am gleichen Tag in St. Oswald getaufte Joseph Aloisius Ratzinger als emeritierter Papst Benedikt XVI. in Rom gestorben ist, sind wieder etliche Leute nach Marktl gekommen, Gläubige wie Journalisten. Aber allzu viele sind es selbst jetzt nicht mehr.

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Der "anfängliche Hype", wie Hubert Gschwendtner das heute nennt, ist sowieso längst vorbei. Die Papst-Salami, das Papst-Bier, all jene Merchandising-Produkte einiger örtlicher Geschäftsleute und auswärtiger Geschäftemacher spielen keine große Rolle mehr in Marktl, wo sie sich zeitweise herb für die ungebührliche "Vermarktlung" des Heiligen Vaters kritisieren lassen mussten, obwohl das doch nicht allein von ihnen selber ausgegangen war. Der SPD-Bürgermeister Gschwendtner versuchte, das alles irgendwie im Rahmen zu halten. "Das hat mich Nerven gekostet!", sagt er. Ein Tourismusbüro oder so etwas gab es ja erst einmal auch nicht, obwohl in den beiden ersten Jahren jeweils 200 000 Gäste in die 2700-Seelen-Gemeinde gekommen seien.

Inzwischen gibt es natürlich eine Touristinfo im Bürgerhaus am Marktplatz, ein paar Schritte von St. Oswald entfernt. Gleich davor steht die "Benediktsäule" in Gestalt einer mehr als vier Meter hohen Schriftrolle. Der Künstler Joseph Michael Neustifter hat sie aus Bronze gefertigt, zu lesen sind darauf Teile der Ordensregel des Heiligen Benedikt von Nursia und kurze Auszüge aus Ratzingers Predigten. Ein niederbayerischer Unternehmer hatte die Säule zum umjubelten Besuch des neuen Papstes in seinem Geburtsort im Jahr 2006 gestiftet, dem Höhepunkt der massenhaften Marktler Benedikt-Seligkeit.

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Hier hat Joseph Ratzinger als Professor gelehrt, hier war sein Bruder Georg Chef der Domspatzen, hier hätten sie wohl zusammen ihren Ruhestand verbracht - wäre nicht die Wahl zum Papst dazwischen gekommen. Wie die eigentliche Heimatstadt des emeritierten Papstes um Benedikt XVI. trauert.

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Die Säule und der Taufstein in St. Oswald, der schon einmal ausgemustert war und ebenfalls 2006 wieder auf seinen alten Platz in der Kirche kam, gehören zu dem, was Hubert Gschwendtner "das Nachhaltige" nennt. Das Nachhaltige nämlich sei geblieben, auch wenn die Zahl der Besucher stetig zurückgegangen ist. Besonders nach dem Rücktritt Benedikts vom Papstamt im Jahr 2013 - und danach angesichts der Vorwürfe, Benedikt habe in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising und später als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst zu wenig gegen die vielen Missbrauchsfälle unternommen und eher die Institution Kirche schützen wollen als die Opfer jener Missbrauchstaten.

Während der Hochphasen der Corona-Pandemie sei dann überhaupt kaum mehr jemand nach Marktl gekommen, erinnert sich Hubert Gschwendtner. Nur die ebenfalls Corona-bedingt auf 2022 verschobenen Oberammergauer Passionsspiele hätten zuletzt wieder mehr Menschen aus den USA auch nach Marktl gelockt, sagt Gschwendtner, der sein Amt als Bürgermeister 2020 aufgegeben hat und nicht mehr zur Wahl angetreten ist. Ins Kondolenzbuch in St. Oswald hat er sich trotzdem als Zweiter eingetragen, gleich nach Pfarrer Peter Meister. Beide und auch Gschwendtners Nachfolger Benedikt Dittmann werden an diesem Donnerstag bei der Beerdigung des emeritierten Papstes in Rom dabei sein.

Im Geburtshaus liegt ein Kondolenzbuch aus, in das sich Trauernde eintragen können. (Foto: Johannes Simon/Getty Images)

Derweil könnten sich in Marktl langsam die Kondolenzbücher füllen, das in der Kirche und das im Geburtshaus Benedikts, das ebenfalls direkt am Marktplatz liegt. Ein Stiftung, an der die katholischen Bistümer in Bayern und der Freistaat beteiligt sind, hat das Haus übernommen und 2007 als Museum und Begegnungsstätte zugänglich gemacht. Normalerwies ist die Ausstellung über Benedikts Lebensweg den Winter über geschlossen, doch in diesen Tagen öffnet das Haus trotz eines kleineren Wasserschadens zumindest nachmittags für zweieinhalb Stunden. An Dreikönig am Freitag und am Wochenende wird es ganztägig zugänglich sein.

Der emeritierte Papst soll sich an dieses Haus kaum erinnert haben, denn er zog als Sohn eines vielmals versetzten Polizisten mit seiner Familie schon im Alter von zwei Jahren weiter - zunächst in das gut 20 Kilometer entfernte Salzachstädtchen Tittmoning, wo er den Kindergarten besuchte, und dann nach Aschau am Inn und nach Hufschlag in der Gemeinde Surberg bei Traunstein. An Marktl aber, dessen Ehrenbürger er seit 1997 war, erinnerte sich der berühmteste Sohn des Ortes auf jeden Fall von späteren Besuchen - und auch von solchen der Marktler bei ihm in Rom. Nun fahren sie ein letztes Mal.

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