Landtagswahl:Die Kandidaten der Grünen werden von Begeisterung getragen

Lesezeit: 4 min

Jung, dynamisch und regierungsbereit: Ludwig Hartmann und Katharina Schulze führen die Grünen in die Landtagswahl. (Foto: Andreas Gebert/dpa)
  • Nur mit den Grünen könnte die CSU derzeit eine Zweier-Koalition nach der Landtagswahl bilden.
  • Die Grünen liegen bei Umfragen konstant bei 17 Prozent. Doch es gibt auch Stimmen, die vor einem Höhenflug warnen.

Von Lisa Schnell, Grafing

Acht Uhr abends, die Grafinger Grünen treffen sich in einem Weinlokal. Über ihnen baumeln Lampen aus Baumstämmen, vor ihnen hält ein Kollege einen Vortrag über die Energiewende. Nur zwölf Windräder in Oberbayern? "Irre!" Die Anzahl der Kirchtürme ist viel höher? "Da müssen wir etwas tun." Die Autoindustrie? "Bin ich dagegen." Kleine Diskussion, wo man am besten das E-Auto lädt, sonst herrscht Einigkeit. Nun möge man sich für eine Sekunde vorstellen, Ministerpräsident Markus Söder betritt den Raum. Gefallen würde ihm sicher das Kreuz an der Wand, genau wie der Speck auf den Tellern, spätestens nach der Gängelung der Autoindustrie aber würde er flüchten. Rein in die Dienstlimousine und los! Möglichst weit weg von diesen Grünen.

Egal, wie weit Söder fährt, den Umfragewerten kann er nicht entkommen. Nur mit den Grünen könnte die CSU derzeit eine Zweier-Koalition bilden. Schwarz-grün galt bis vor Kurzem noch als Hirngespinst, jetzt zermartert sich der eine oder andere das Hirn, wie das gehen könnte. Wobei das Wort Marter und die damit angedeuteten Schmerzen wohl eher den Zustand der CSU beschreiben als den der Grünen.

SZ-Podcast "Auf den Punkt"
:Bayern-Wahl: Am Weg zu Schwarz-Grün?

Bei der Landtagswahl könnte die CSU so schlecht abschneiden wie seit 1950 nicht mehr. Die Grünen könnten Zweiter werden. Kann Schwarz-Grün in Bayern funktionieren?

Vinzent-Vitus Leitgeb, Lisa Schnell

Seitdem sie konstant bei 17 Prozent stehen, fliegt das grüne Spitzenduo geradezu durchs Land. Es bräuchte einige Windparks, um eine Glühbirne so zum Strahlen zu bringen wie Katharina Schulze. Und auch Ludwig Hartmann scheint nicht unglücklich zu sein, wenn er kundtut: "Man spürt es: Die Leute wollen uns regieren sehen." Es ist eine Spur der Zuversicht, die sie durch Bayern ziehen. Wer ihr folgt, wird hineingezogen in einen großen Begeisterungsstrudel, in dem die Unterschiede zwischen CSU und Grünen unwichtig erscheinen.

Schwabach in Mittelfranken, kurz nach elf Uhr an einem Sonntag. Auf der Kirchweih am Marktplatz ist nicht viel los. Kaum jemand holt sich drei fränkische Bratwürste in der Semmel, die Bierbänke im Freien sind ziemlich leer. Auf einer sitzt eine Dame, das grüne Wahlprogramm in der Hand, und fragt ihre Nachbarin: "Meinst, es kommen noch mehr? Sind nur noch zehn Minuten." Sie kommen. "Bestimmt 200", vermutet einer. Zumindest so viele, dass der Festwirt neben dem Würstlstand sich nicht erinnert, wann die Grünen das zum letzten Mal geschafft haben.

Katharina Schulze erscheint im blauen Dirndl. Sie wird sofort umringt. "Sind sie die echte?", fragt einer. Nur die Hälfte der Bayern kennt Schulze, wer sie aber einmal gesehen hat, wird sie kaum wieder vergessen. Die Blaskapelle spielt "Griechischer Wein", sie wiegt als einzige die Hände in der Luft, ihr Vorredner stellt sie als Handballerin vor, sie trippelt mit einem imaginären Ball und wirft ihn einem im Publikum zu. Die Leute lachen, wenn sie Söders Reiterstaffel veräppelt, sie sind betroffen, wenn sie von Rechtspopulisten spricht und sie klatschen wie wild, als sie ruft: "Wenn die CSU es nicht im Kreuz hat, dann machen's eben wir!"

Danach scheint man sie überall zu treffen, die neuen Grünen-Fans. Georg Linke etwa, ein älterer Herr mit Schirmmütze und Funktionsjacke, früher CSU-Wähler, jetzt hier, weil er mehr Naturschutz will. Oder der Mann neben ihm, der sich als "Konvertit" vorstellt. Bekehrt wurde er vom "zu rechtslastigen Seehofer".

Die "neuen" Grünen wollen, dass Schulze die CSU humaner und grüner macht. Nur, was wollen die "alten" Grünen? Färbt nicht auch die CSU auf sie ab? Wie viel Schwarz können sie vertragen? Die Antwort der grünen Jugend mit ihren 1500 Mitgliedern ist so erwartbar wie klar: keins. Ihre Sprecherin Saskia Weishaupt erinnert daran, wie ungünstig ein Bündnis mit der CSU für die FDP ausgegangen ist. Sie will nicht, dass die AfD stärkste Oppositionspartei im Landtag wird, vor allem aber erinnert sie an die Ideale ihrer Partei. Die sei "der Gegenentwurf zur autoritären Politik der CSU". Progressive Veränderungen könne es nur gegen sie und nicht mit ihr geben.

Grüne Ideale, davon kann Uwe Peters viel erzählen. Peters - Tuch um den Hals, Pferdeschwanz - war in Wackersdorf dabei. Jetzt holt er sich in Grafing noch einen Weißwein. "Wir haben einen langen Weg hinter uns", sagt er. Jetzt sei die Zeit gekommen, um zu regieren, auch, weil "die Zeit drängt". Der Klimawandel warte nicht. Und sei es nicht Söder gewesen, der als Umweltminister 50 000 Windräder in Bayern bauen wollte? Es waren 1500, aber immerhin. Nur, was ist mit dem neuen Polizeiaufgabengesetz, mit den Abschiebungen nach Afghanistan, der Grenzpolizei? Söder hat all das vehement verteidigt, teilweise selbst ersonnen. Die Grünen wollen all das nicht. "Da hängt viel von der Person ab", sagt Peters. Söder sei ein "Hardliner", aber wer weiß? Vielleicht komme nach den Wahlen ja die Ilse?

Landtagswahl
:Das Anti-CSU-Programm der Grünen

Umwelt, Innere Sicherheit, Asyl: Die Partei bringt sich gegen die Staatsregierung in Stellung. Und hofft doch auf eine Koalition.

Von Lisa Schnell

Ilse Aigner, den Namen hört man oft von Grünen, wenn es um ein Bündnis mit der CSU geht. Mit der liberalen, netten Aigner wäre vieles einfacher. An ihren Aufstieg aber glaubt außer bei den Grünen kaum einer. "Die Leute reden es sich schön", sagt ein grüner Kommunalpolitiker aus Oberbayern. Er trübt die Euphorie ungern, seinen Namen will er nicht nennen. Trotz des Höhenflugs seien einige auch frustriert: "Jetzt sind wir endlich soweit und dann rückt die CSU so nach rechts."

Manchmal bekomme er richtig Angst, wenn er im Wirtshaus neben CSUlern sitzt. Neben Leuten, die er im rechten Teil der AfD vermutet hätte. Er kennt auch andere bei der CSU, die genauso entsetzt sind wie er. Nur: "Das ist nicht die Mehrheit." Zugeständnisse der CSU in der Innenpolitik kann er sich nicht vorstellen. Und selbst wenn: "Da bleibt nicht mehr viel übrig, um wirklich grüne Politik zu machen." Er hoffe nur, dass die Parteispitze gut vorbereitet ist.

Ludwig Hartmann lehnt sich auf einer Bank der Landtagsgaststätte zurück. "Wir sind auf alles vorbereitet", sagt er. Das müssen sie auch. Am Samstag nach der Wahl haben die Grünen einen Parteitag. Da bräuchte die Basis handfeste Erfolge, damit sie eventuellen Koalitionsverhandlungen zustimmt. Und das heißt: "In allen Bereichen, die wir in unseren zehn Forderungen genannt haben, müssen Zugeständnisse her." Möglich sei das nur, "wenn die CSU alleine auf uns angewiesen ist".

Hartmann erwartet inhaltlich harte Debatten, aber auch menschlich. "Das Wichtigste ist Vertrauen." Nur: Die längste Zeit beschränkte sich der Kontakt zwischen Hartmann und Söder auf ein höfliches Nicken. Kaum ein Grüner geht mal mit einem von der CSU ein Bier trinken. Die Pizza-Connection, die es 2008 schon mal gab, ist längst eingeschlafen. Auch zwischen den Mitarbeitern gibt es fast keine Bande. Etwa zwei Stunden standen sie beim TV-Duell nebeneinander und wechselten kaum ein Wort. Wer vermittelt dann, wenn sie sich in die Haare kriegen? Hartmann zuckt die Schultern. Er hat nicht mal Söders Nummer. Das zumindest, da ist er sich sicher, könnte sich nach der Wahl sehr schnell ändern.

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBayern vor der Landtagswahl
:Die bayerische Seele

Wie tickt Bayern heute eigentlich? Gibt es die weiß-blaue Gelassenheit noch? Und was wird aus der CSU? Einblicke in ein herrliches Land, dem Veränderung droht.

Von Sebastian Beck

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: