Mitten in Bayern:Die wahren Meister der Kürze

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So sieht es aus, wenn ein Stenograf während einer Plenarsitzung im Bayerischen Landtag mitschreibt. (Foto: Robert Haas)

Junges Twitter-Publikum neigt bekanntlich zum Verknappen, was schnell im Kauderwelsch enden kann - an den Stenografen im Landtag kann es sich indes ein Beispiel nehmen.

Glosse von Johann Osel

Eine gute Quelle für die Stimmungslage in Filterblasen und dazu oft für reine Erheiterung ist Twitter, vor allem beim Blick auf die Parteijugenden. Mögen etwa die Ampelpartner in Berlin noch so kuscheln, ist darauf Verlass, dass sich im Netz Jusos und Julis in die Haare kriegen. Wobei man erst mal alles verstehen muss. Permanente Floskel etwa: "wjbi" - was ja based ist; "based" meint gerechtfertigt. Da könnte einer die These eines anderen so kommentieren: "wjbi. aber idk: im rr in den drukos ist das cringe". Letzteres kennt man, seit es Jugendwort des Jahres wurde, "cringe" steht für Fremdscham. Andere Kürzel muss einer, der noch in Diskos ging statt in Clubs, lernen: Drukos, also Drunter-Kommentare, "real rap" (rr), ungeschöntes Reden, "idk", "ich weiß nicht". Ist das noch mit üblichen Kürzeln wie für Institutionen vermengt, "Druko zur Stiko", liest sich das nicht schön. An sich ist der Hang zur Kürze aber löblich.

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Neu ist gestraffte politische Kommunikation freilich nicht. Frühere Kanzler haben es ja mustergültig verstanden, die Passage im Grundgesetz zur Richtlinienkompetenz des Regierungschefs in ein einziges Wort zu fassen: "Basta" (Gerhard Schröder) oder "alternativlos" (Angela Merkel). Und Stenografen in Parlamenten sind ohnehin die Meister der Kürze. Wie der Landtag mitteilt, hat das bayerische Stenografen-Team kürzlich im thüringischen Apolda beim Bundes-Pokal-Schreiben der Zunft erste Plätze belegt. Die Mitteilung liefert einen interessanten Einblick in den Beruf.

Anders als bei der Kompletterfassung im Plenum gibt es demnach analytische Protokolle aus Ausschüssen. Da wird verknappt, geglättet, gefiltert, die wichtigsten Argumente in indirekter Rede. Ansonsten kennt die Stenografie eine Eilschrift mit Kürzeln für häufige Wörter. Da könnte das junge Polit-Twitter glatt noch etwas lernen. In Apolda war exakter Übertrag gefragt. Es wurde ein Text von Minute zu Minute schneller diktiert, am Ende 475 Silben pro Minute. Eine Herausforderung, auch wenn sauber formuliert wurde - keine Zwischenrufe wie im Plenum, kein Schnäuzen oder Schnarchen, keine nuschelnden Politiker. Beim Wert von 300 gehen Stenografen ins "kontrollierte Schmieren" über - der Text müsse aber, nicht unwichtig, am Ende lesbar sein. Was ja based ist.

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