Erinnerungskultur:Vom richtigen Umgang mit problematischen Denkmälern

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Der stählerne Textkubus in Traunstein ist eine Arbeit von 2018. (Foto: Norbert Göttler)

Kriegsverklärung und angebliche Heldenhaftigkeit: Ein neues Buch beleuchtet die Kriegerdenkmäler in Oberbayern und den heutigen Umgang mit diesen oft mindestens fragwürdig gestalteten Orten.

Von Matthias Köpf, Traunstein

Elisabeth Tworek und Norbert Göttler liegt besonders viel an den positiven Beispielen. Dem im Stadtpark im oberbayerischen Traunstein etwa. Dort steht seit anno 1837 ein Obelisk, der an die Toten der Napoleonischen Kriege erinnert - und diesen ergänzt seit fünf Jahren ein vom Traunsteiner Künstler Rolf Wassermann gestalteter stählerner Kubus mit einer offenen Seite und drei Wänden aus Text, der in klaren Worten das Unrecht der Kriege benennt und das Elend jener Verführten, Betrogenen, Gezwungenen und Geopferten, die in diesen Kriegen umgekommen sind. "Den Sieg im Krieg um den es geht hat nur der Tod allein", lauten die letzten Worte. Anfangs hatte es in der Stadt Debatten gegeben über diese Art von Kriegerdenkmal, aber vermutlich hat da kaum etwas Besseres passieren können. Und ganz Ähnlich wäre es wohl mit Tworeks und Göttlers soeben erschienenen Buch.

"Kriegerdenkmäler in Oberbayern. Von der Heldenverehrung zum Friedensmahnmal" heißt dieses Buch, das auf eine Initiative aus dem oberbayerischen Bezirkstag um dessen Präsidenten Josef Mederer entstanden und nun vom Bezirk Oberbayern herausgegeben worden ist. Tworek und Göttler haben beide für den Bezirk gearbeitet, bis sie sich jüngst in den Ruhestand verabschiedet haben - als Leiterin der Kulturabteilung die eine, als Bezirksheimatpfleger der andere.

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Vor allem Göttler war immer wieder mit dem Thema konfrontiert, das beide zum Thema ihres Buches gemacht haben: Wie auf Tausenden Kriegerdenkmälern der zahllosen Toten oft als Helden fürs Vaterland gedacht und wie auf diese Weise der Krieg zu etwas verklärt wurde, was diese angebliche Heldenhaftigkeit erst hervorgebracht und ermöglicht habe. Doch das ist nur die eine Hälfte des Themas. Die andere ist der zeitgemäße, einigermaßen zivile Umgang damit. Daher die guten Beispiele.

Schlechte Beispiele gibt es ohnehin genug. Das Schlimmste hätten nach dem Zweiten Weltkrieg die Besatzungsmächte verhindert, sagt Göttler, in Oberbayern die Amerikaner. Darstellungen von schweren Waffen, Maschinengewehren und Granaten hätten die nach 1945 auf deutschen Kriegerdenkmälern nicht geduldet. Dafür waren mancherorts die Besiegten geduldig wie in Neuötting, wo ein ziemlich martialisches Kriegerdenkmal eingelagert und etliche Jahre später nach dem Abzug der Amerikaner wieder aufgestellt wurde. Noch 2012 haben Rechtsextreme dort Kränze niedergelegt.

Das Monument in Wasserburg am Inn wurde im Juli 1933 eingeweiht und stellt den Heiligen Georg dar. Die Nazis deuteten den Heiligen wahlweise in die deutschnationalen Symbolfiguren "Roland" oder "Siegfried" um. (Foto: Norbert Göttler)

Kriegerdenkmäler wie dieses und etwa zwei Dutzend andere in Oberbayern bräuchten aus Göttlers Sicht mindestens eine erklärende Tafel zur Einordnung aus heutiger Sicht oder ein ergänzendes Umgestalten - so wie es etwa 2021 nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit der Gedenktafel für das "Freikorps Oberland" in Schliersee geschehen ist. Auch sonst gibt es für Tworek und Göttler noch mehr als genügend Orte, wo vermeintliche heilige Opferschlachten und der angeblich süße Soldatentod verklärt oder eine aggressive Heimatideologie samt Rachegelüsten beschworen werden. Ganz abreißen müsse man aber wohl keins dieser Denkmäler.

"Man darf einen Stein nicht überfordern", sagt Göttler dazu auch. Komplexe Zusammenhänge wie die Vorgeschichte und Geschichte ein Krieges lassen sich kaum in einige wenige Worte meißeln, weshalb so ein Kriegerdenkmal mitsamt einer eventuellen heutigen Ergänzung auch Ansatzpunkt für Schüler- und Jugendarbeit und für Angebote der Erwachsenbildung sein könne.

Entstanden sind die meisten Kriegerdenkmäler nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und dann vor allem nach dem Ersten Weltkrieg - nach dem Zweiten oft um Namen ergänzt, von denen die Einheimischen meist sehr genau wussten, ob sein Träger womöglich ein hoher SS-Mann gewesen ist. Das älteste Kriegerdenkmal im Buch ist ein Steinkreuz aus dem Jahr 1705 in der Nähe von Königsdorf im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, das an die Toten des Spanischen Erbfolgekriegs und dort im Oberland speziell an die der Sendlinger Mordweihnacht erinnert. Andere Erinnerungsorte an jene Ereignisse entstanden sehr viel später und im Rückblick aus dem Geist der aktuellen politischen Verhältnisse.

Der bronzene "Schmied von Kochel" an der Münchner Lindwurmstraße erinnert an 1705, entstand aber mehr als 200 Jahre später (Foto: Norbert Göttler)

Auch namhafte Künstler wie Leo von Klenze, Friedrich von Gärtner oder Richard Riemerschmid gestalteten Kriegerdenkmäler, während viele andere Standardmodelle waren, vom Bürgermeister aus dem Katalog danach ausgesucht, was die Gemeindefinanzen gerade hergaben. Tworek und Göttler wollen mit ihrem Buch auch heutige Kommunalpolitiker ansprechen. "Liebe Bürgermeister, liebe Gemeinderäte, seid sensibel, seid vorsichtig, informiert euch vorher", so formuliert es Göttler. Bezirkstagspräsident Mederer hat angekündigt, je ein Exemplar des Buchs als Handreichung an die Kreisvorsitzenden der Krieger- und Soldatenvereine zu schicken.

Norbert Göttler, Elisabeth Tworek: "Kriegerdenkmäler in Oberbayern. Von der Heldenverehrung zum Friedensmahnmal", Verlag Friedrich Pustet, Regenburg, 2023, 160 Seiten, 29,95 Euro

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