Golddiebstahl von Manching:"Anschlag auf unser kulturelles Gedächtnis"

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Bei einer Pressekonferenz des bayerischen Landeskriminalamts und der Staatsanwaltschaft München wurden die Goldklumpen gezeigt, die ehemals goldene Keltenmünzen waren. (Foto: Uwe Lein/dpa)

Nach der Festnahme einer Bande im Fall des gestohlenen Keltengoldes feiern Politiker und Polizei den Ermittlungserfolg. Doch in Manching ist die Freude getrübt, ein Teil des Schatzes ist für immer verloren. Ein kleiner Trost bleibt.

Von Thomas Balbierer

Am Donnerstagmorgen klang Herbert Nerb noch zuversichtlich. Es sei Zeit, "dass unser Gold nach Hause kommt", sagte Manchings Bürgermeister bei einem kurzen Telefonat zu Dienstbeginn. Gar von einer "Sensation" sprach er. Einen Tag zuvor war bekannt geworden, dass Ermittler am Dienstag mehrere Männer festgenommen haben, die bei einem filmreifen Einbruch ins Manchinger Kelten- und Römermuseum einen keltischen Goldschatz gestohlen haben sollen. Sogar Teile der 483 Münzen umfassenden Beute waren dabei sichergestellt worden, hieß es. "Mich freut das riesig", sagte Nerb also am Telefon. Doch als man ihn wenige Stunden später bei einer Pressekonferenz des bayerischen Landeskriminalamts (LKA) in München trifft, ist seine Freude zerschmolzen - so wie das Manchinger Gold.

Gerade ist der Lokalpolitiker an einem Schaukasten vorbeigelaufen, das im Foyer des LKA steht und von Sicherheitspersonal keine Sekunde aus den Augen gelassen wird. Darin konnte Nerb den Stolz seiner Marktgemeinde Manching begutachten, oder besser: das, was davon übrig ist. 18 unförmige Goldklumpen in der Größe von Salamischeiben haben die Ermittler bei ihrer Durchsuchungsaktion am Dienstag sichergestellt. "Das tut weh", sagt er und atmet tief ein.

"Leider muss davon ausgegangen werden, dass der Keltenschatz von Manching in seiner ursprünglichen Form nicht mehr in Gänze erhalten ist", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf der Pressekonferenz. Ein 43-jähriger Mann aus Berlin hatte das zu Klumpen verschmolzene Gold in einer Plastiktüte bei sich getragen, als er - so wie drei weitere Männer - am Dienstag festgenommen wurde. Ein großer Erfolg für die bayerische Polizei, sagt Herrmann.

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Nur ein paar Meter vom Minister entfernt sitzt Nerb und schweigt - es ist trotz des Ermittlungserfolgs ein trauriger Tag für ihn und seine Gemeinde. Mindestens 70 der zur Jahrtausendwende aus einem Manchinger Acker ausgegrabenen 483 Keltenmünzen sind nach ersten Analysen eingeschmolzen worden. Pro Klumpen vier Münzen. 2000 Jahre alte Geschichte ist zerstört - wahrscheinlich, um die Beute verkaufen zu können. Kunstminister Markus Blume (CSU) spricht von einem "Anschlag auf unser kulturelles Gedächtnis". Wo das restliche Gold steckt und in welchem Zustand es ist, können die Ermittler derzeit nicht sagen. Die Suche geht weiter.

Zumindest die Theorie, wonach der Museumseinbruch im vergangenen November von einem kriminellen Berliner Clan begangen wurde, räumen sie am Donnerstag vom Tisch. Bei den vier festgenommenen Tatverdächtigen handelt es sich demnach um vier Deutsche "ohne Migrationshintergrund" zwischen 42 und 50 Jahren. "Berufseinbrecher", sagt Innenminister Herrmann. Drei von ihnen sollen jahrelang als kriminelle Bande umhergezogen sein und in mehreren Bundesländern sowie in Österreich Einbrüche begangen haben. Seit 2014 sollen sie in elf Fällen Casinos, Supermärkte und eine Kfz-Zulassungsstelle geplündert haben, berichtet der Ingolstädter Staatsanwalt Nicolas Kaczynski. Dabei sei ein Beuteschaden von mehr als einer halben Million Euro entstanden.

"Vielleicht haben die uns gegoogelt und dann kam ganz oben der Keltenschatz"

Das Manchinger Museum sei der erste Kulturdiebstahl der Bande gewesen, sagt er. Wie die Täter ausgerechnet auf das Keltengold kamen, können die Ermittler bisher nicht sagen. Die Tatverdächtigen haben sich noch nicht geäußert. Bürgermeister Nerb vermutet, dass man schlicht "Pech" gehabt habe und zufällig ins Visier der Kriminellen geraten sei. "Die haben ja viele Museen ausgespäht", sagt er. "Vielleicht haben die uns gegoogelt und dann kam ganz oben der Keltenschatz." Den Behörden zufolge waren tatsächlich weitere Einbrüche geplant. Als Reaktion auf den spektakulären Coup hatten Museen in ganz Bayern ihre Sicherheitskonzepte überprüft, auch in Manching ist man gerade dabei, die in die Jahre gekommene Sicherheitstechnik aufzurüsten. Zu spät.

Die Täterbande war in einer Novembernacht in das Museum eingebrochen und hatte innerhalb von neun Minuten zwei Türen sowie die Bodenvitrine mit dem Schatz aufgehebelt. Der Einbruch fiel erst am nächsten Morgen auf, weil die Männer zuvor einen Telekom-Verteilerkasten lahmgelegt hatten, über den nicht nur Telefon- und Internetverbindungen der Manchinger laufen, sondern auch der Alarm des Museums. Einen nächtlichen Wachdienst gab es nicht, die Sicherheitstechnik war veraltet, eine Überwachungskamera lieferte unbrauchbare Bilder. Zudem ging die Gruppe hochprofessionell vor. Doch am Ende reichte eine DNA-Spur, um die Polizei auf ihre Fährte zu locken.

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Bei Suchaktionen rund um das Museum hatten die Ermittler zwei blaue Brecheisen, eine Astschere, einen Seitenschneider und eine Funkantenne gefunden. Die auf einem Gegenstand sichergestellte DNA führte in einem bundesweiten Datenbankabgleich zu Diebstählen, bei denen die Täter ebenfalls erst die Alarmanlagen außer Betrieb gesetzt und baugleiche Werkzeuge benutzt hatten. Auch die auffällige Körpergröße eines mehr als 1,90 großen Mittäters half den Behörden. In dieser Woche durchsuchten schließlich mehr als 100 Beamte aus Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin 28 Wohnungen, Geschäftsräume, Gartenparzellen, ein Bootshaus und Fahrzeuge.

Den Festgenommenen wird schwerer Bandendiebstahl vorgeworfen. Ihnen drohen Gefängnisstrafen zwischen einem und zehn Jahren, wie Staatsanwalt Kaczynski sagte. Die Beschuldigten sitzen derzeit in Untersuchungshaft. Die Vierergruppe besteht aus einem Fernmeldetechniker, einem Buchhalter, einem Filialleiter im Einzelhandel und einem Mitarbeiter einer Abbruchfirma.

Man erreicht Herbert Nerb eine Stunde nach der Pressekonferenz erneut am Handy. Die Informationen habe er erst einmal verdauen müssen, sagt er und klingt schon wieder zuversichtlicher. "Ich bin optimistisch, dass der Rest des Schatzes noch da ist." Vielleicht seien die 18 Goldklumpen ja die erste Tranche gewesen und die restlichen gut 400 Münzen noch im Originalzustand? "Das wäre der best case", sagt Herb. Und der worst case? "Natürlich kann es sein, dass bereits alle Münzen eingeschmolzen und verscherbelt wurden", sagt der Bürgermeister.

Alle? Nicht ganz. Wie Nerb erzählt, hätten die Einbrecher in der Nacht des 22. November eine einzige Goldmünze vergessen. Sie muss während des Beutezugs heruntergefallen sein, man fand sie später in einer Ritze. "Man könnte aus diesem Original Replikate nachfertigen", sagt Nerb. Es ist ein kleiner Trost.

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