Gillamoos in Abensberg:"Herr Söder ändert die Richtung schneller als ein Wetterhahn"

Lesezeit: 4 min

Erstmals zwei Ministerpräsidenten auf dem Gillamoos in Abensberg: NRW-Regierungschef Hendrik Wüst und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Nach drei Jahren kehrt die große Politik ins Bierzelt zurück. Die besten Bilder und Sprüche vom Gillamoos in Niederbayern.

Von Thomas Balbierer

Drei Jahre sind seit dem letzten politischen Kräftemessen auf dem Gillamoos-Volksfest in Niederbayern vergangen. Und schaut man auf die Rednerliste von 2019, könnte man für einen Moment meinen, die Welt habe sich seitdem nicht weitergedreht. Als Hauptredner traten damals im Bierzelt auf: Markus Söder (CSU), Kevin Kühnert (SPD), Anton Hofreiter (Grüne), Hubert Aiwanger (Freie Wähler).

Drei Jahre später stehen an diesem Montag exakt dieselben Männer erneut auf den Bühnen und sollen zu Blasmusik und Bierkrugklimpern Sprüche klopfen, als sei in der Zwischenzeit nichts geschehen. Und doch ist die Welt da draußen, außerhalb der Festzeltwände, eine andere: Pandemie, Krieg, Energiekrise, Inflation. Und ach ja, die Klimakrise, die gibt's auch noch.

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Themen, die sich für eine krachende Bierdampf-Rede ungefähr so gut eignen wie eine Stahlbürste für das morgendliche Kämmen. Kein Wunder, dass die Auftritte an diesem Montag etwas schwerfällig daherkommen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), neben CSU-Chef Söder einer der Hauptredner im Zelt der CSU, umschifft diese bleischweren Themen zunächst mit harmlosen Anmerkungen, über die man mit viel Wohlwollen durchaus schmunzeln kann.

Andreas Scheuer? "Heute wünscht man sich den Mann zurück"

"Die einzige Frage, die Olaf Scholz je klar beantwortet hat, ist: Nehmen Sie die Wahl an?" Hendrik Wüst, CDU-Regierungschef in NRW. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Als er ins Bierzelt blickt, hebt er die vielen Trachtenträger hervor: Lederhosen, Dirndl: "Ich hab so was auch im Schrank", sagt er. "Also kein Dirndl, sondern eine Lederhose." Als er die örtlichen CSU-Politiker aus Niederbayern lobt, den Landrat, den Bürgermeister, den Europapolitiker Manfred Weber, erwähnt er auch den Passauer CSU-Mann und Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer. "Was ist auf den Mann eingeprügelt worden?", fragt Wüst. "Heute wünscht man sich den Mann zurück." Man wartet vergeblich auf das erste laute Lachen im Publikum. War das etwa gar kein Witz?

Einen Punkt landet der NRW-Regierungschef erst, als er die Ampelkoalition in Berlin attackiert, etwa SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die an der Bundeswehr nur Interesse habe, "wenn sie einen Helikopter nach Sylt braucht". Dem Kanzler wirft er Untätigkeit und Unentschlossenheit im politischen Handeln vor: "Die einzige Frage, die Olaf Scholz je klar beantwortet hat, ist: Nehmen Sie die Wahl an?" Dann ist Wüsts Gillamoos-Premiere auch schon wieder vorbei - und er räumt die Bühne für Markus Söder.

"Im Bierzelt kann er deutlich weniger Schaden anrichten als auf der Regierungsbank"

FDP-Mann Martin Hagen. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Auch dessen Rede kommt nur schleppend in Gang und nie so richtig in Schwung. Er rechtfertigt zunächst ausladend, warum trotz Pandemie so viele Volksfeste stattfinden - und er diese dann auch noch inflationär besucht. Eine Frage, die etwa der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Martin Hagen, bei seiner Gillamoos-Rede aufgeworfen hatte: "Söder hat seit Jahresbeginn erst an drei Landtagssitzungen teilgenommen, aber in den letzten fünf Wochen dreizehn Volksfeste besucht", so Hagen.

Er finde das gut. "Im Bierzelt kann er deutlich weniger Schaden anrichten als auf der Regierungsbank." Söders Antwort: "Wenn man die ganze Woche mit Politikern und Journalisten zu tun hat, ist es eine große Freude, im Bierzelt bei ganz vernünftigen Menschen zu sein."

Lauterbach und Buschmann? "Ernie und Bert der Bundesregierung"

"Ich glaube dem Hofreiter erst, dass er zur Bundeswehr steht, wenn er sich endlich einen solchen Haarschnitt verpassen lässt": CSU-Chef Söder. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Ohnehin die Pandemie - sie scheint für Söder, einst erster Vertreter des "Teams Vorsicht", nur noch ein politisches Ärgernis zu sein. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wirft er wegen dessen Warnungen vor dem Coronavirus Panikmache vor. Lauterbach und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), die immer wieder um die Corona-Politik streiten, seien "Ernie und Bert der Bundesregierung", so Söder in Anspielung auf die dauerzankenden Puppen aus der Sesamstraße.

Auch für den Grünen Anton Hofreiter, der in einem Zelt nebenan auf der Bühne steht, hat der Ministerpräsident einen Spruch parat. "Früher erster Ostermarschierer, heute wirkt er wie der Vertreter einer funktionierenden bayerischen Rüstungsfirma", sagt Söder über den Bundestagsabgeordneten, der sich immer wieder für mehr Waffenlieferungen in die Ukraine starkgemacht hat. "Ich glaube dem Hofreiter erst, dass er zur Bundeswehr steht, wenn er sich endlich einen solchen Haarschnitt verpassen lässt."

"Herr Söder ändert die Richtung schneller als ein Wetterhahn"

Griff Söders Energiepolitik an: Grünen-Bundespolitiker Anton Hofreiter (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Ungefähr zur selben Zeit der Gegenangriff vom Grünen Hofreiter, der Söders Energiepolitik attackiert - mit Schützenhilfe von CSU-Politikerin Ilse Aigner: "Das unterscheidet Aigner von Söder: Sie hat zugegeben, dass es falsch war, nicht auf die Stromleitungen aus dem Norden zu setzen. Oder dass man zugibt, dass es ein Fehler war, Windkraftanlagen zu verhindern." Fehler, die die Grünen nach der Landtagswahl 2023 gerne korrigieren wollen. "Im nächsten Jahr regieren wir Bayern", so Hofreiter.

Den stockenden Windkraftausbau in Bayern hatte zuvor auch schon Ludwig Hartmann, Co-Chef der Grünen-Landtagsfraktion, thematisiert und die CSU als "Windkraftanlagenverhinderungspartei" bezeichnet. "Söder und Aiwanger sind die Doppelnullen der Energiewende in Bayern. Durch jede Pipeline fließt auch die Inflation nach Bayern." Katharina Schulze, Co-Fraktionschefin der Grünen, geißelte die vielen politischen Kurswechsel des bayerischen Ministerpräsidenten: "Herr Söder ändert die Richtung schneller als ein Wetterhahn."

Kühnert über den AKW-Streckbetrieb: "Das ist wie bei Söder: Nächstes Jahr wird abgeschaltet"

Kevin Kühnert sprach nach 2019 zum zweiten Mal auf dem Gillamoos. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, nach der Bierzelt-Premiere 2019 zum zweiten Mal beim Gillamoos, attackiert Söder bei der Energiepolitik und der großen Abhängigkeit Bayerns von Atomkraft: "Mit der SPD gibt es keinen Wiedereinstieg in die Atomenergie in Deutschland. Das Maximale ist jetzt der Streckbetrieb. Das ist wie bei Söder: Nächstes Jahr wird abgeschaltet bei der CSU." Kühnert wirft Söder einen "Ego-Trip" und "Wurschtigkeit" beim Regieren vor. "Er lügt den Leuten ins Gesicht." Söder seinerseits hält der Ampel-Regierung "Lügen" im Streit um die Verlängerung der Atomkraft vor.

Jeder gegen jeden, das könnte man über den diesjährigen Gillamoos als Überschrift schreiben. Söder stichelt in seiner Rede oft gegen die Bundesregierung, aber immer wieder auch gegen andere Bundesländer, auch gegen NRW, das Land seines CDU-Gastes Hendrik Wüst. "Bitte kurz weghören, lieber Hendrik", sagt Söder hier und da, aber Bayern sei nun mal führend, zum Beispiel bei Industriearbeitsplätzen, der Wirtschaftsleistung, dem Ausbau der Erneuerbaren (außer bei der Windkraft, wie Söder einräumt). Der CSU-Chef greift auch den eigenen Regierungspartner, die Freien Wähler an, deren Politik ohne CSU "im totalen Durcheinander" enden würde.

"Es lebe Bayern, Deutschland, Winnetou und die Meinungsfreiheit"

...und auch beim politischen Frühschoppen auf dem Volksfest Gillamoos handelte er zumindest überraschend, als er sich mit einem als Winnetou verkleideten Darsteller auf der Bühne zeigte. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger schießt in Abensberg vor allem gegen die Bundesregierung und die Ampelparteien. Er wirft SPD, Grünen und FDP eine "Politik aus dem Gruselkabinett" vor. "Unser Hauptproblem in Deutschland ist diese Bundesregierung." Das Volk müsse wieder sagen, wo es langgehen solle, "und nicht ein paar schräge Ideologen in Berlin". Erneut bedauert Aiwanger, dass es die Freien Wähler bei der vergangenen Wahl nicht in den Bundestag geschafft hatten. "Wenn alle Menschen Freie Wähler wären, wäre diese Welt eine bessere."

Aiwanger schloss seine Rede mit den Worten: "Es lebe Bayern, Deutschland, Winnetou und die Meinungsfreiheit."

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