Steuertricksereien:Kurze Frist für Finanzminister Füracker

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Der Münchner Vorort Grünwald ist nicht nur wegen seines Schlosses attraktiv, sondern offenbar auch wegen seines Hebesatzes. (Foto: mauritius images / imageBROKER)

SPD und Grüne verlangen im Landtag rasche Auskünfte zu Ermittlungen in Gewerbesteueroasen wie Grünwald. Füracker habe bisherige Anfragen "nur sehr dünn" beantwortet.

Von Ramona Dinauer, Sebastian Krass und Klaus Ott, München

Bis zum letzten Tag im Januar hat Albert Füracker noch Zeit. Bis dahin soll das von dem CSU-Politiker geleitete Finanzministerium dem Landtag mitteilen, in wie vielen Fällen der bayerische Fiskus in Gewerbesteueroasen dem Verdacht der Steuerhinterziehung nachgeht. Weitere Auskünfte zu diesem Thema hätte die SPD-Landtagsfraktion, die dem Ministerium diese kurze Frist gesetzt hat, auch noch gerne. Die von Florian von Brunn geleitete SPD-Fraktion verweist auf ihren verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf umfassende Antworten der Regierung auf Landtagsanfragen. Und hier gehe es immerhin "um grundsätzliche Fragen der Steuergerechtigkeit und des Steuervollzugs".

Dass die SPD gleich den Verfassungsgerichtshof ins Spiel bringt, sprich mit dem Zaunpfahl winkt, hat seinen Grund. Fraktionschef Brunn hat die Regierung im Dezember schon einmal gefragt, in wie vielen Fällen in Bayern in den vergangenen zehn Jahren wegen des Verdachts von Verstößen bei der Gewerbesteuer ermittelt worden sei. Am 20. Januar hat Finanzminister Füracker geantwortet, die Zahl der Ermittlungen wegen Gewerbesteuerhinterziehung werde "statistisch nicht gesondert erfasst."

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Was Füracker nicht erwähnte: Das Landesamt für Steuern hatte im Dezember 2021 alle Finanzämter in Bayern um Erfahrungsberichte zu genau diesem Thema gebeten. Inklusive Details bei solchen Fällen. Die Finanzämter sollten dem Landesamt bis zum 17. Januar 2021 antworten. Einen Tag später beantwortete Minister Füracker eine Landtagsanfrage der Grünen nach solchen Verdachtsfällen genauso abschlägig wie drei Tage später, am 20. Januar, die Anfrage der SPD.

Gewerbesteueroasen wie Grünwald bei München, in denen Unternehmen nur geringe Abgaben zahlen, sind ohnehin ein heikles Thema. Es gibt etliche Hinweise, dass nicht wenige Firmen sich nur zum Schein in solchen Orten ansiedeln. Die Gewerbesteuer ist eine kommunale Abgabe. Städte und Gemeinden können deren Höhe weitgehend frei festsetzen. Grünwald beispielsweise begnügt sich mit einem sogenannten Hebesatz von 240 und hat so Tausende Firmen angelockt. In der direkt angrenzenden Landeshauptstadt München liegt der Wert bei 490, mehr als doppelt so hoch. Der Hebesatz gibt einen Faktor an, mit dem die zu zahlende Steuer ermittelt wird.

Das riesige Gefälle ärgert Münchner Stadtpolitiker. Und jetzt ärgern sich die SPD und die Grünen im Landtag über die geringe Auskunftsfreude von Finanzminister Füracker. Die Grünen haken ebenfalls nach und wollen von Füracker die Zahlen haben, die sich aus der Umfrage des Landesamtes für Steuern ergeben. Das Landesamt bezeichnet sich selbst als "Verbindungsglied" zwischen Finanzministerium und Finanzämtern. Der Grünen-Abgeordnete Tim Pargent bemängelt, dass Minister Füracker "nur sehr dünn" geantwortet habe.

Die SZ hat dem Finanzministerium dazu folgende Fragen geschickt: Warum hat Füracker den Landtag nicht über die Umfrage des Landesamtes informiert? Wissen im Finanzministerium und beim bayerischen Fiskus die linken Hände nicht, was die rechten tun? Oder sollten die Tatsache, dass es diese aktuelle Abfrage gibt, und die daraus resultierenden Erkenntnisse dem Landtag verborgen bleiben?

Steuerdumping schade der Gesellschaft massiv

Das Finanzministerium entgegnet, die Landtagsanfragen seien entsprechend dem jeweiligen Kenntnisstand "vollständig und korrekt" beantwortet worden. Bei der Umfrage des Landesamtes handele es sich um ein "rein verwaltungsinternes Schreiben". Dem Finanzministerium lägen noch keine Ergebnisse der Umfrage vor. Geplant sei ein Erfahrungsbericht, der als Grundlage für "mögliche Verbesserungen" bei der Steuerprüfung von Firmen dienen solle.

Da sehen die Grünen noch einigen Nachholbedarf. Steuerdumping in Gewerbesteueroasen schade der Gesellschaft massiv, sagt der Abgeordnete Pargent. Die Staatsregierung müsse endlich genau hinschauen und gegen illegale Praktiken vorgehen. Das Landesamt für Steuern zielt mit seiner Umfrage vor allem auf sogenannte Büroserviceunternehmen. In Grünwald gibt es gleich mehrere davon. Sie bieten Firmen, die zwecks Gewerbesteuerersparnis eine Adresse in dem Münchner Vorort haben wollen, für wenig Geld kleine Büros an; samt Post- und Telefonservice.

Das Landesamt sieht hier ein "besonderes" Risiko für eine falsche Festsetzung der Gewerbesteuer. Finanzminister Füracker hat dem Landtag immerhin bereits geantwortet, es lägen Erkenntnisse vor, wonach in München ansässige Unternehmen in einzelnen Fällen den Sitz von Gesellschaften mit hoher effektiver Gewerbesteuerbelastung "gezielt und nur zum Schein" verlagert hätten. In Gemeinden, deren Hebesätze deutlich niedriger seien.

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