Elmau:Schatten vor dem Gipfel

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Im oberbayerischen Schloss Elmau werden sich im Juni bereits zum zweiten Mal die Staats- und Regierungschefs der G 7 treffen. (Foto: Volker Preusser/imago)

Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine wird sich auch die Agenda für den zweiten G-7-Gipfel im oberbayerischen Elmau vollkommen verändern. Vier Monate vor dem Treffen ist die Skepsis unter vielen Einheimischen groß.

Von Matthias Köpf, Krün

Als Angela Merkel Anfang 2014 für das folgende Jahr ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrienationen im oberbayerischen Schloss Elmau angekündigt hatte, da hatte sie noch von den G 8 gesprochen. Kurz darauf ließ Russlands Präsident Wladimir Putin die Halbinsel Krim besetzen. In Elmau war er daher 2015 nicht mehr willkommen, das Treffen ist als G-7-Gipfel in die Annalen eingegangen. Dass es für Elmau nun einen zweiten solchen Eintrag geben soll, damit hat die neue Bundesregierung im Herbst alle überrascht. "Natürlich hätte man auch auf die Idee kommen, können, das woanders zu machen", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zu der kurzfristigen Entscheidung. Aber "wir haben das zur Kenntnis genommen, wir akzeptieren das", beschreibt Herrmann die Haltung der Staatsregierung - und es sei "natürlich schon auch eine Ehre".

So ähnlich sehen das auch die meisten Menschen in der Region. Die Tagesordnung hat sich vier Monate vor dem Gipfel durch den russischen Angriff auf die Ukraine dramatisch verändert, doch sonst laufen die Vorbereitungen unvermindert weiter.

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Einen "engen Schulterschluss", eine "enge Partnerschaft" und "multilaterale Zusammenarbeit" brauche man nun, sagte der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Johannes Dimroth, am Sonntag bei einer Informationsveranstaltung für die Region in der Gipfel-Gemeinde Krün. "Uns ist es als neuer Bundesregierung besonders wichtig, mit dieser Präsidentschaft einen Fußabdruck zu hinterlassen" - über die Erde als "nachhaltigen Planeten" will Berlin von 26. bis 28. Juni in Elmau demnach sprechen, über die Weltwirtschaft nach der Corona-Krise, über Investitionen in eine bessere Zukunft und über resiliente und wehrhafte Demokratien.

In der Region müssen die bayerische und die Bundespolizei die Wehrhaftigkeit der Sicherheitsbehörden mit dem demokratischen Grundrecht der Demonstrationsfreiheit in Einklang bringen. Nach Angaben des Garmisch-Partenkirchener Landrats Anton Speer (FW) sind längst die ersten Anmeldungen für drei sechsstündige Kundgebungen mit insgesamt 2500 Teilnehmer eingegangen, eingereicht abermals vom "Aktionsbündnis Stop G7 Elmau", das gerade seinen alten Internet-Auftritt aus dem Jahr 2015 überarbeitet. Damals demonstrierten weitaus die meisten Gipfel-Gegner in München, doch auch in Garmisch-Partenkirchen versammelten sich Tausende. Ein Protestcamp auf der gleichen Wiese an der Loisach wie 2015 ist für heuer ebenfalls geplant.

Manfred Hauser (rechts), Polizeipräsident von Oberbayern Süd, spricht während einer ersten Informationsveranstaltung zum G-7-Gipfel in der Region, zu der auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gekommen ist. (Foto: Uwe Lein/dpa)

Vor sieben Jahren sind die Proteste relativ friedlich geblieben, teils auch wegen eines Unwetters just am Tag eines womöglich besonders konfrontativen Protestzugs. Für dieses Jahr spiele man zur Vorbereitung eine nahezu dreistellige Zahl von Szenarien durch, sagte der Präsident des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Manfred Hauser. Was 2015 mit rund 20 000 Beamten der größte Einsatz in der Geschichte der bayerischen Polizei war, könnte durch den diesjährigen Gipfel auf Platz zwei verdrängt werden. Die Staatsregierung rechnet mit Kosten von mehr als 166 Millionen Euro, noch einmal 30 Millionen mehr als vor sieben Jahren. Damals habe es auch noch "keine Corona-Demonstrationen, keine Klimaaktivisten und noch keine Flüchtlingskrise" gegeben, wie es Landrat Speer formuliert.

Zudem laufen den ganzen Sommer die Passionsspiele im nahen Oberammergau, was die Konkurrenz um die Hotelbetten in der Region verschärft. Die Hoteliers dürfen sich über vergleichsweise fixe Buchungen freuen, doch ansonsten rechnen im Landkreis viele Wirte und Geschäftsleute wegen ausbleibender Touristen und kaum konsumfreudiger Polizisten mit Umsatzeinbußen. Zwischen einem Viertel und fast der Hälfte des gewohnten Umsatzes haben sie während der Wochen rund um den Gipfel 2015 verloren, klagte am Sonntag etwa die Vorsitzende der Werbegemeinschaft Garmischer Zentrum, Michaela Nelhiebel. Auch andere forderten Entschädigungen oder erinnerten sich mit Schrecken an all die Kontrollen und Straßensperren von 2015. "Einmal und nie wieder" will sich ein Mittenwalder nach 2015 gedacht haben, für einen anderen war die Wiederholung des Gipfels in diesem Jahr "eine Schock-Nachricht".

Schüler sollen für drei Tage in den Distanzunterricht

Es werde in der Tat Einschränkungen für Einheimische und Urlauber geben, kündigte Herrmann an. Was einen Ausgleich für eventuelle Nachteile betrifft, verwies er auf langfristige staatliche Investitionen in Straßen, Brücken oder Kanäle und auf den gewaltigen Werbeeffekt des Gipfels von 2015, bot aber auch Gespräche an. Eventuelle Schäden bei Landwirten und Hausbesitzern sollen versichert werden.

Krüns Bürgermeister Thomas Schwarzenberger (CSU) regte an, die landesweiten Abschlussprüfungen für Real-, Wirtschafts- und Berufsfachschüler zu verschieben, die eigentlich an den beiden letzten Gipfeltagen stattfinden sollen. "Es darf nicht sein, dass der Gipfel für unsere Kinder und Jugendlichen zum Nachteil wird", sagte Schwarzenberger. Bisher hat das Kultusministerium für die Schüler in der Region Distanzunterricht an drei Tagen vorgeschlagen.

Immerhin die Sorgen eines heiratswilligen jungen Mannes konnte der Innenminister komplett zerstreuen. Solange seine Gäste keinen Sprengstoff und keine Baseballschläger dabei hätten, werde es für sie eine Woche vor dem Gipfel kein Problem werden, aus der Unterkunft in Tirol über die Grenze zur Hochzeit zu kommen. Sowohl Herrmann als auch Dimroth versprachen einen nachhaltigen Gipfel, alle temporären Bauten und auch der Hubschrauberlandeplatz im Elmauer Tal würden danach rückstandslos beseitigt. Und ein dritter G-7-Gipfel in Elmau schwebt Herrmann offenbar nicht mehr vor: Vielleicht könne man ja "mal so eine Nordseeinsel rechtzeitig ausbauen".

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