Kriminalität:Immer wieder der Fall Peggy

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Die Ermittlungen gegen einen Mann, der im Verdacht stand, am Mord an der Neunjährigen beteiligt gewesen zu sein, sind eingestellt. Sein Anwalt überlegt nun, den Freistaat zu verklagen. Gute Gründe sprechen dagegen. Und gute dafür.

Kommentar von Olaf Przybilla

Der Anwalt Jörg Meringer hat nun alle Akten zum Fall Peggy angefordert, sobald er sie gesichtet hat, werden er und sein Mandant Manuel S. entscheiden, ob sie den Freistaat verklagen. Was dagegen spricht, liegt auf der Hand: Mehr als zwei Jahre lang sah sich S. dem Vorwurf ausgesetzt, als Täter oder Mittäter am Mord an der neunjährigen Peggy beteiligt gewesen zu sein. Vor nunmehr zwei Wochen hat die Staatsanwaltschaft ihre Mordermittlungen eingestellt, sein Mandant habe Tage gebraucht, um zu realisieren, "dass dieses Damoklesschwert nicht mehr über ihm schwebt", sagt der Anwalt. Ein neues Verfahren, diesmal wegen Schadenersatz? Würde alles wieder nach oben spülen.

Was dafür spräche, liegt auch auf der Hand. In einer Pressekonferenz zum Fall Peggy ist am 21. September 2018 etwas passiert, was unter keinen Umständen passieren darf. Auf die Frage, gegen wie viele Personen ermittelt werde, antwortete ein Staatsanwalt: "Wir ermitteln derzeit gegen ..." - und nannte den Klarnamen des Beschuldigten, Vor- und Nachnamen. Das wurde live im TV übertragen, im Internet ist es bis heute abrufbar.

Bayreuth
:Der Fall Peggy bleibt ungelöst

Fast 20 Jahre dauernde Ermittlungen, 6400 Spuren, 450 Aktenordner, ein Urteil, eine Leiche - aber kein Mörder. Nun stellt die Bayreuther Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.

Von Clara Lipkowski

Da wurde also ein Mensch - und keineswegs ein prominenter - mit vollem Namen verdächtigt, ein Mädchen ermordet zu haben. Der mehr als zwei Jahre Beschuldigte lebt in einem Weiler in Oberfranken, was das für ihn bedeutet, kann man sich ausmalen. Er hatte, offenbar unter Druck, ein hanebüchenes und bald zurückgenommenes Teilgeständnis abgelegt, das muss er sich zu Last legen lassen. Eine Nennung des Namens aber - aus Versehen, wie die Staatsanwaltschaft betont - rechtfertigt das unter keinen Umständen. So dürftig war am Ende die Beweislage, dass es nach zwei Jahren nicht mal für eine Anklage gereicht hat.

Die Ermittlungsdebakel in diesem fast 20 Jahre währenden Fall wurden hinreichend oft aufgeblättert, sie sind beschämend. Aber so paradox es klingen mag: Dass sich die Staatsanwaltschaft trotz dieses verheerenden Lapsus durchgerungen hat, das Verfahren einzustellen, spricht nicht gegen, sondern für sie. Klar: Die Einstellung öffnet alle Türen für eine Schadenersatzklage. Trotzdem ist das besser, als mit offenkundig nicht hinreichender Beweislage einen Menschen über weitere Jahre eines Mordes zu verdächtigen.

© SZ vom 05.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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