Kratzers Wortschatz:Ein Hundsveigerl für Heidi Klum

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Ein Ausschnitt des Ölgemäldes von Franz Xaver Winterhalter zeigt Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, die Sisi genannt wurde und ein Faible für Veilchen hatte. (Foto: Bernhaut/dpa)

Beschäftigt man sich mit dem Veilchen, das im Dialekt Veigerl heißt, dann kommt man schnell ins Sinnieren. Die zarte Blume ist ein wahres Zuckerl, und sogar auf der Toilette besitzt sie hervorragende Eigenschaften.

Von Hans Kratzer

Veigerl

In der Nähe von Budapest erhebt sich das feine Landschloss Gödöllö. Betritt man dort die einstigen Gemächer der Kaiserin Sisi, dann fällt der Blick unweigerlich auf die violetten Wandtapeten, deren Farbgebung von Sisis Lieblingsblume, dem Veilchen, angeregt war. Eine Nachbarin in Niederbayern schwärmte neulich beim Blick über den Frühlingsgarten: "Schau, wia schee dass b'Veigerl bliahn." In der Tat blühten die Veilchen in diesem Jahr sehr früh und farbenfroh. Die Nachbarin verwendete das alte Wort Veigerl, das schon zu Sisis Zeiten populär war. Damals war das aus Natureis gefertigte Veigerlgefrorene, also das Veilcheneis, sehr beliebt. Es war phasenweise sogar Sisis Hauptnahrungsmittel bei diversen Diätkuren. Als günstig erwies sich dabei, dass der Körper die Duftstoffe des Veilchens unverdaut wieder ausscheidet. Laut dem Duftforscher Günther Ohloff schätzte es die feinere Gesellschaft sehr, wenn durch diesen Umstand auf dem Klosett schicklichere Düfte erzeugt wurden. Das gelang aber nur, wenn man wohlriechende Veilchenarten ins Eis oder ins Konfekt mischte. Das Hundsveigerl half da wenig, denn es ist im Gegensatz zu anderen Veilchenarten ein Veilchen ohne Duft.

sinnieren

Am Sonntag war im "Tatort"-Krimi der Schauspieler Gerhard Wittmann als Hausmeister zu sehen. Auf die Frage, wann er das Mordopfer zuletzt gesehen habe, antwortete er: "Wartens, da muaß i sinniern!" Selten hört man im Krimigenre poetische Sätze wie diesen. Das Etymologische Wörterbuch von Kluge beschreibt das Verb sinnieren als mundartliche Erweiterung von sinnen (um das Grüblerische auszudrücken). Wer sinniert, hängt also versunken seinen Gedanken nach. Die Musikpoetin Monika Drasch sagte einmal, sie gehe viel spazieren, denn: "Ich brauche meine Ruhe zum Denken und Sinnieren für meine kreative Arbeit." Sinniert haben neulich auch zwei Pubertierende, die von einem Reporter des Magazins Stern belauscht wurden. Vor einem Werbeplakat, auf dem die Unterwäsche-Models Heidi und Leni Klum abgebildet waren, mäanderte ihr Sinnieren weit hinaus ins Philosophische: "Die linke oder die rechte, welche nimmst du?" - "Beide." - "Hey, das ist die Mutter!" - "Ja, aber nicht meine."

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