Corona-Lage in Krankenhäusern:"Es gibt in Bayern keine Entlastung"

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Seit November im Corona-Dauerstress: Die Kliniken in Bayern sind weiter an der Belastungsgrenze. Viele Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger haben kein Verständnis für Lockerungen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Angesichts des Ukraine-Kriegs und wegen der vergleichsweise weniger gefährlichen Omikron-Variante haben vierstellige Inzidenzen offenbar ihren Schrecken verloren. Zu spüren bekommen die Höchstwerte vor allem die Beschäftigten in Kliniken.

Von Max Weinhold, München, Bayreuth, Regensburg

Die Omikron-Variante des Coronavirus sorgt für Inzidenzen, die in vorangegangenen Wellen unvorstellbar schienen. Ganz Deutschland ist von vierstelligen Werten betroffen. Ganz Deutschland? Nein, ein von Oberbayern bewohnter Landkreis in Alpennähe leuchtete in den vergangenen Tagen rot wie eine reife Tomate auf der ansonsten violetten Landkarte des Robert-Koch-Institutes (RKI): Es handelt sich um Rosenheim, das während der Pandemie immer wieder Negativ-Rekorde zu vermelden hatte. 155 ist die Zahl, die das sogenannte Dashboard für den Kreis vor ein paar Tagen auswies, für die Stadt Rosenheim stand da sogar eine 144, in Deutschland mit Abstand am wenigsten.

Kann das sein? Nein, die Geschichte hat weniger mit einem unbeugsamen und gegen die Seuche immunen Völkchen zu tun als mit einem technischen Defekt, der das Meldesystem in Rosenheim zehn Tage lang lahmlegte. Noch bis Donnerstag wird es wohl dauern, heißt es aus dem Landratsamt Rosenheim, dann dürften die Zahlen wieder stimmen - und so hoch sein wie sie aktuell eben hoch sind, was bedeutet: ziemlich hoch. In Bayern hat die Sieben-Tage-Inzidenz am Sonntag laut RKI 1939 betragen. Das war ein neuer Rekord.

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Zu spüren bekommen die Höchstwerte, die im Angesicht des Krieges in der Ukraine und wegen der vergleichsweise weniger gefährlichen Omikron-Variante an öffentlicher Aufmerksamkeit verlieren, die Mitarbeitenden der Kliniken. Und zwar tagtäglich. "Wir haben die bayerische Besonderheit, dass es seit Mitte November keine Entlastung gibt", sagt Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG). Damit gemeint ist die hohe Inzidenz, damit gemeint ist aber vor allem auch die Situation in den Kliniken. Die Lage sei relativ stabil, sagt Engehausen, aber genau das ist Teil des Problems, denn: "Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Schleswig-Holstein, wo es Phasen der Entlastung gab, sind die Zahlen in Bayern zwar stabil, das aber auf hohem Niveau."

Die Belegung der Betten mit Infizierten hat sich seit Mitte Januar mehr als verdoppelt

Auf den Normalstationen steige die Zahl der Covid-Patienten laut Engehausen immer noch leicht an, die Belegung der Betten mit Infizierten habe sich, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums, seit Mitte Januar "weit mehr als verdoppelt". "Aber das haben wir gut im Griff", sagt Engehausen. Grund hierfür ist, dass manche sich dort mit, aber nicht wegen einer Infektion befänden. Auf den Intensivstationen ist das laut Engehausen anders, wer hier mit einem positiven Befund liegt, bei dem sei dieser zuallermeist auch der Grund dafür.

Zu den Infizierten auf Intensiv-Stationen zählen laut RKI zunehmend auch geimpfte Menschen, vor einigen Tagen hatte ein Bericht des MDR aufhorchen lassen: "Anteil von Geboosterten auf den Intensivstationen nimmt rasant zu", stand darüber. Das ist beim simplen Blick auf die Zahlen des RKI erst einmal nicht falsch, gleichzeitig aber irreführend. Nicht falsch, weil inzwischen bundesweit etwa ein Drittel der Corona-Patienten auf Intensivstationen ungeimpft ist und fast genau so viele dort geboostert sind. Irreführend ist die Aussage, weil es eingedenk einer Impfquote, die beispielsweise in Bayern 74,5 Prozent beträgt, schlicht und ergreifend viel mehr geimpfte als ungeimpfte Menschen gibt.

Aufschlussreich sind deshalb die Hospitalisierungs-Inzidenzen - und die liegen bei Geimpften wesentlich unter jenen von Menschen ohne Impfung. Geboosterte müssen proportional noch einmal deutlich seltener stationär behandelt werden. Das RKI schreibt daher von einer weiterhin "sehr hohen Impfeffektivität" für Geboosterte gegenüber einer Hospitalisierung.

Die Auslastung der Intensivbetten ist "unverändert hoch"

Diese Feststellung deckt sich mit dem, was Niels Zorger, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Barmherzige Brüder in Regensburg, schildert. Bei den infizierten Intensiv-Patienten in seiner Klinik liege entweder kein Impfschutz oder eine stark verminderte Immunabwehr vor. Grundsätzlich sei die Auslastung der Intensivbetten "unverändert hoch" - was für den gesamten Freistaat gilt, Roland Engehausen von der Krankenhausgesellschaft spricht bei der dauerhaft hohen Belastung von einem "Plateau ohne Peak", das bayerische Gesundheitsministerium von einer nach wie vor "insgesamt hohen Inanspruchnahme der Intensivkapazitäten".

In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: Elf Prozent der Intensivbetten sind, Stand Freitagnachmittag, frei. Die kritische Schwelle, die nicht dauerhaft unterschritten werden soll, um weiterhin Notfälle behandeln zu können, liegt bei 15 Prozent. In manchen Kreisen wie in Bamberg oder Schweinfurt ist zwar knapp die Hälfte der Betten frei, in Fürth oder Kempten ist derweil aber kein einziges Bett verfügbar. Und so müssen nicht nur noch immer Operationen verschoben werden, wenn mal wieder zu viele Mitarbeitende infiziert sind. Noch immer werden zeitweilig auch Intensiv-Stationen für Neuaufnahmen abgemeldet.

Das, berichtet Thomas Bollinger, Leiter des Instituts für Virologie und klinische Mikrobiologie am Klinikum Bayreuth, geschehe nach wie vor auch in seinem Haus. Überhaupt sei die aktuelle Phase seit Beginn der Pandemie für die Krankenhäuser "fast die schwierigste", sagt Bollinger. "Die Notaufnahmen sind wieder auf Normalniveau gefüllt, gleichzeitig fällt aber Personal durch Infektionen aus und wir haben weniger Betten zur Verfügung, weil wir die vielen infizierten Patienten isolieren müssen." Dem Personal in solch einer Zeit zu vermitteln, dass die Menschen zum Beispiel wieder in die Diskotheken - Bollinger nennt sie "Aerosol-Höllen" - dürften, sei kaum möglich. "Wir sehen zunehmend, dass gestandene Angestellte den Tränen nahe sind. Die sind einfach durch."

Eine übermäßige Zusatzbelastung durch Kriegsflüchtlinge fürchten die Verantwortlichen nicht

Eine übermäßige Zusatzbelastung durch Geflüchtete aus der Ukraine befürchten die Verantwortlichen in den Krankenhäusern, so der Tenor, allerdings nicht. Zwar sind die Geflüchteten in vielen Fällen nicht oder nur mit dem in der EU nicht zugelassenen Sputnik-Vakzin geimpft, zudem rechnet Roland Engehausen von der BKG mit nicht wenigen Infizierten. "Da wird was kommen", sagt er, prognostiziert aber: "Die Krankenhäuser sind darauf vorbereitet."

Das bestätigt Sylvia Pemmer, stellvertretende ärztliche Direktorin am Caritas-Krankenhaus St. Josef in Regensburg. Isolierbetten auf Normalstationen seien ohnehin weiter zahlreich vorhanden, nicht infizierte Geflüchtete erhielten grundsätzlich ein Impfangebot.

Für Unmut sorgt in den Kliniken indes der Plan der Bundesregierung, die Corona-Schutzmaßnahmen trotz - manche würden sagen: ungeachtet - der hohen Infektionszahlen zum 20. März weitgehend auslaufen zu lassen. "Das mag wünschenswert sein, aber die Inzidenzen sind nicht so runtergegangen, wie viele sich das erhofft haben", gibt Roland Engehausen zu bedenken. Und dann sagt er noch etwas, das er eigentlich auf die beschlossenen Lockerungen der Maßnahmen bezieht, aber das gleichermaßen ein bisschen Gültigkeit besitzt für das pandemie-müde Volk in Kriegszeiten: "Die Krankenhäuser sind vergessen worden."

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