Corona-Regeln in Bayern:Team Augenmaß will es gern bleiben

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Von der kommenden Woche an müssen Grundschüler in Bayern im Unterricht keine Masken mehr tragen. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Der Bund plant das Ende aller Maßnahmen, doch der Freistaat möchte sich seine Sicherheitsinstrumente so schnell nicht wegnehmen lassen: Erst einmal wird eine Übergangsfrist genutzt.

Von Johann Osel und Viktoria Spinrad, München

Die bayerische Staatsregierung macht bei den Corona-Regeln von Übergangsfristen Gebrauch, die der Bund den Ländern angeboten hat. Das Kabinett hat daher am Dienstag mit kleinen Änderungen die geltende Infektionsschutzverordnung bis einschließlich 2. April verlängert. Die Regeln bleiben damit auch unabhängig vom Auslaufen fast aller Maßnahmen inklusive Wegfall der Maskenpflichten gültig. Die Pläne der Bundesregierung sollten zu Beginn der nächsten Woche greifen, sie sind jedoch umstritten und könnten auch noch korrigiert werden. Es sei "alles irgendwie im Fluss", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach der Sitzung des Ministerrats. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warf später im Landtag der Bundesregierung "eine echte Themaverfehlung" bei Corona vor. Auch er selbst sei für den schrittweisen Ausstieg bei den Maßnahmen, aber "nicht Hals über Kopf". Söder hält auch den "Stil" der Ampelkoalition in der Frage für "überraschend", da nicht gemeinsam mit den Ländern gehandelt werde. Bayern werde nun "den letzten Spielraum nutzen".

Ein grundsätzliches Ausscheren des Freistaats aus dem neuen Regelwerk des Bundes, wie es am Vortag Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) im SZ-Interview für möglich erachtet hat, ist damit aber zunächst mal vom Tisch. "Da wird der Feuerlöscher weggeworfen, obwohl es brennt", hatte Holetschek kritisiert. Was durchaus so interpretierbar war, als könnte das Kabinett am Dienstag entscheiden, die Regeln des Bundes zur Erklärung von Hotspots sehr großzügig auszulegen - und damit sozusagen eine Corona-Politik in Eigenregie zu machen. Dies wies Staatskanzleichef Herrmann auf Nachfragen zurück. Die "Nicht-Anwendbarkeit" der Hotspot-Regeln im großen Stil sei schon in den jetzigen Plänen des Bundes angelegt - und ein Bundesland könne auch nach der Übergangsfrist "nur die Instrumente aus dem Koffer ziehen, die der Bund uns gibt". Ändert sich an den Berliner Beschlüssen nichts, liefe es also auch in Bayern auf einen weitgehenden Wegfall aller Maßnahmen hinaus. Womöglich wird in einigen Wochen dann aber erneut verhandelt. Söder verwies auch auf Mutationen, die im Herbst kommen könnten. In dem Falle stehe Deutschland "schutz- und wehrlos" da.

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Etwa die Zugangsregeln für Gastronomie und Kultur bleiben nun erst mal befristet bestehen. Vom 19. März an fallen aber generelle Kontaktbeschränkungen weg sowie die Zuschauer-Obergrenzen bei Veranstaltungen. Aufgehoben werden Tanz- und Alkoholverkaufsverbote, Sonderregeln für Gottesdienste und Versammlungen, das Verbot von Volksfesten sowie die Verpflichtung zu festen Gruppen in Kitas. Sollten Volksfeste oder ähnliche Veranstaltungen bereits in den kommenden Wochen noch vor Ende der Übergangsfrist stattfinden, müsste dies unter üblichen Gastronomie-Zugangsregeln umgesetzt werden.

Demnächst wird auch an den Schulen gelockert

Die Sieben-Tage-Inzidenz im Freistaat sei so hoch wie nie, betonte Herrmann, am Dienstag lag sie erstmals bei mehr als 2000: "Die Pandemie ist nach wie vor in vollem Gange. Die schiere Zahl der täglichen Infektionen gibt Grund zur Besorgnis." Auch der R-Wert, der die Dynamik der Infektionen aufzeigt, liege nun wieder über eins, das bedeutet, ein Infizierter steckt mehr als eine Person an. Die Lage in den Kliniken sei aber tendenziell stabil, akut sind im Freistaat 419 Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt - in der 2021 definierten Corona-Ampel liegt der Schwellenwert der roten Stufe, mit dem die Lage sehr angespannt zu werden droht, bei 600 Betten. Beim Impfen erkennt die Staatsregierung eine Stagnation, bei gut 74 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Auch die Einführung des Novavax-Impfstoffes klassischer Bauweise habe fast nichts gebracht und ist laut Herrmann "ganz deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben". Immerhin: 55,4 Prozent der Menschen im Freistaat haben mittlerweile einen Booster erhalten.

Trotz allem wird demnächst aber auch an den Schulen gelockert. Von der kommenden Woche an fällt in den Grundschulen die Maskenpflicht am Platz, ab dem 28. März dann in den Unterstufen der weiterführenden Schulen. Es sind die Klassenstufen, in denen sich die Schüler regelmäßig mit dem als zuverlässig geltenden PCR-Lollitestverfahren auf das Virus testen und nicht nur mit Schnelltests, der Unterricht also als verhältnismäßig sicher gilt. Man wolle einen ersten Schritt machen, sagte Kultusminister Michael Piazolo (FW) am Freitag. Er hatte zuletzt immer wieder für stufenweise Lockerungen geworben, war aber am Widerstand des Koalitionspartners gescheitert. Am Dienstag waren die Reaktionen gespalten.

Der bayerische Elternverband (BEV) begrüßte den Schritt. Aus didaktischer Sicht seien Masken "kontraproduktiv", sagte der Landesvorsitzende Martin Löwe. Beim Schrift- und Spracherwerb seien viele Kinder hinterher. Der Vorsitzende des bayerischen Realschullehrerverbands, Jürgen Böhm, kritisierte die Lockerungen. Die Aufhebung der Maskenpflicht sei "hochriskant" und untergrabe eine effektive Infektionsprävention. "Wir dürfen die Gesundheit unserer Schulfamilie nicht aufs Spiel setzen", sagte Böhm.

Offen ist, wie es nach dem Moratorium Anfang April an den Schulen weitergeht. Stand jetzt würden die Maskenpflicht flächengreifend fallen, ein großer Kontrollverlust für die hochsensible Schulfamilie. Vor allem die Abiturienten dürfen aber ohnehin weiter freiwillig weiter Maske tragen. Groß ist vielerorts die Angst, sich anzustecken und bei den entscheidenden Prüfungen auszufallen.

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