Schock um Urheberrechte-Kosten:Stille Nacht auf dem Weihnachtsmarkt

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Der Weihnachtsmarkt im pittoresken Bad Tölz ist beliebt. Auch dort erklingt Musik, die Gema-pflichtig ist, die Stadt hat aber gegen die jüngsten Rechnungen Einspruch erhoben. (Foto: Manfred Neubauer)

Mariah Carey und Wham! sind aus der Weihnachtszeit nicht wegzudenken. Wenn ihre Lieder auf Advents- und Christkindlmärkten erklingen, fallen Gema-Kosten an. Hielten sich diese bisher in Grenzen, sind sie zuletzt extrem in die Höhe geschossen. So reagieren die Veranstalter der regionalen Märkte.

Von Felicitas Amler, Veronika Ellecosta, Benjamin Engel, Konstantin Kaip und Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

"All I Want For Christmas" mag für manche Ohren eher Qual denn süßer Glockenklang sein, aber kaum ein Christkindl- oder Weihnachtsmarkt, an dem solche jahreszeitlichen Popsongs nicht zu hören sind. Anders als bei alten, urheberrechtsfreien Weisen wie "Stille Nacht" oder "Süßer die Glocken nie klingen" müssen Betreiber, respektive Veranstalter Geld zahlen, wenn moderne Musik öffentlich oder live gespielt wird, und zwar an die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema). Die wiederum gibt diese Einnahmen an die Urheber der Lieder. Wer für solche Kosten aufkommen muss, für den gibt es in diesen Tagen eine unschöne Bescherung: In den Rechnungen der Gema für 2022 sind die Kosten extrem in die Höhe geschossen - wegen korrigierter Kalkulationen, was die Fläche der Veranstaltungen betrifft. Einige Märkte in der Region kündigen deshalb nun Konsequenzen an.

Bad Tölz

Der Christkindlmarkt in Bad Tölz spürt die eklatanten Kostensteigerungen für die Gema schmerzhaft. 17 000 Euro an Gebühren muss die Tourismussektion der Stadt nach Eigenangaben von 2024 an für die Weihnachtsmusik aufwenden. Der Grund: Die Gema berechnet den Tarif nach der gesamten Veranstaltungsfläche, in Bad Tölz meldete man aber bisher lediglich die Fläche rund um die Bühne, wie Tourismusdirektorin Susanne Frey-Allgaier erklärt. Bis ins Jahr 2019 beliefen sich die Kosten für diese Fläche deshalb auf 2 500 Euro Gema-Gebühren. Die Verwertungsgesellschaft hat nun aber genau nachgemessen, und den Tölzern im Januar für den Markt im vergangenen Jahr eine Rechnung von 17 000 Euro vorgesetzt. "Wir haben Einspruch erhoben und erreicht, dass wir 50 Prozent der Summe erstattet bekommen", berichtet Frey-Allgaier. Auf dieser Basis wird auch der laufende Christkindlmarkt abgerechnet.

Von 2024 an wird der pauschale Tagessatz an die Gema aber 800 Euro netto betragen - abzüglich eines 20 Prozent Rabatts für die Mitgliedschaft von Bad Tölz beim deutschen Heilbäderverband. Das gesamte Veranstaltungsgelände von 400 000 Quadratmetern als Berechnungsgrundlage zu nehmen, kann Frey-Allgaier ohnehin nicht nachvollziehen. Die Kostensteigerung bei einem Weihnachtsmarkt, der 25 bis 30 Tage dauere, sei so finanziell schwer zu stemmen. "Wir haben jetzt schon 10 000 bis 12 000 Euro an Honoraren zu zahlen, wenn da noch mal 17 000 Euro Gema-Gebühren draufkommen, ist das zu viel", sagt die Tourismusdirektorin. "Dass eine Erhöhung bei der Gema fällig ist, sehe ich ein. Aber nicht in diesem Umfang."

Die Kostensteigerung bei einem Weihnachtsmarkt, der 25 bis 30 Tage dauere, sei so finanziell schwer zu stemmen, heißt es aus Bad Tölz. (Foto: Manfred Neubauer)

Von der Empfehlung, Gema-freie Musik auf dem Markt zu nutzen, halte sie nicht viel: "Das ist schwer, weil eine Neuumsetzung von einem Musikstück, sei es mehrstimmig, schnell Gema-pflichtig wird." Und auch erhöhte Standgebühren sind für Frey-Allgaier nicht denkbar. "Am Ende geben die Standbetreiber die Kosten an den Endkunden weiter und der Glühwein kostet irgendwann acht Euro", argumentiert sie. Die Stadt hofft deshalb darauf, dass in den laufenden Verhandlungen zwischen Gema und deutschem Städtetag eine Lösung errungen wird. Schließlich sei Bad Tölz nicht die einzige betroffene Stadt. Ob, wie oft und welche Weihnachtsmusik am Tölzer Christkindlmarkt in Zukunft den Glühwein- und Maroniduft begleiten wird: für die Tourismusdirektorin völlig ungewiss.

Der Christkindlmarkt auf dem neugestalteten Karl-Lederer Platz in Geretsried. (Foto: Hartmut Pöstges)

Geretsried

Die Stadt Geretsried lässt sich nach Auskunft ihres Sprechers Thomas Loibl gerade von der Gema vorab ausrechnen, "was in etwa an Beträgen auf uns zukommen wird". Einen pauschalen Musikverzicht lehne die Stadt ab. Auf dem Christkindlmarkt, der am Freitag eröffnet wurde und noch bis einschließlich Sonntag, 1. Advent, dauert, wird jedenfalls Musik zu hören sein. Der Markt mit Gewerbetreibenden, Vereinen, Künstlern und Landsmannschaften plus Nikolaus-Besuch findet auf dem Karl-Lederer-Platz statt. "Für die richtige Stimmung sorgt ein umfangreiches musikalisches Rahmenprogramm mit Alphörnern, der Gartenberger Bunkerblasmusik, Quattro Musica und der Geretsrieder Musikschule", so heißt es in der Ankündigung. ( www.geretsried.de/de/news/christkindlmarkt-4024)

Der Penzberger Christkindlmarkt ist ebenfalls sehr beliebt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Penzberg

Der heurige Christkindlmarkt wird für die Besucher ungewohnt still ausfallen. Die gewohnte Bühne auf dem Penzberger Stadtplatz, auf der in den vergangenen Jahren unter anderem die Stadt- und Bergknappenkapelle auftrat, ist gestrichen. "Aufgrund eines Rundschreibens der Gema haben wir uns entschlossen, generell auf Musik zu verzichten", sagt Eleonore Hofmann von der städtischen Wirtschaftsförderung. Sie organisiert gemeinsam mit Monika Schmid den Penzberger Christkindlmarkt.

Zu den bisher gezahlten Gebühren und erwartbaren Kostensteigerungen äußern sich beide nur vage und ausweichend. "Die Kosten für die Gema sind nicht pauschal zu beantworten", teilt Hofmann mit. "Es kommt ja darauf an, wer wo für wen was spielt." Die zu erwartende Summe dürfte allerdings kaum gering ausfallen. Schließlich spricht Mitorganisatorin Schmid vom Penzberger Christkindlmarkt als einem der größten in der Region. Daher hätten sie auch keinerlei Risiko eingehen wollen. Um die 90 Prozent der Buden würden von Vereinen getragen. Schon bislang seien die Kosten gerade so gedeckt worden, sagt Schmid. "Die können zusätzliche Gema-Kosten nicht tragen."

Obendrein gilt in Penzberg seit dem vergangenen Sommer eine Haushaltssperre. Auch damit begründet Schmid, warum auf das komplette Bühnenprogramm komplett verzichtet wurde. Für nächstes Jahr wolle man sich aber intensiver mit dem Gema-Gebühren-Thema beschäftigen. Womöglich finde sich dann eine andere Lösung. "Heuer läuft der Christkindlmarkt dann eben einmal ohne Musik", so Schmid. Das heißt aber nicht, dass es ganz still werden wird. Nach Schmids Angaben habe die Stadt- und Bergknappenkapelle einen Kurzauftritt - mit alten, lizenzfreien Weihnachtsliedern.

Musik, die aus Lautsprechern an den Buden für Dauerbeschallung sorgt, gibt es laut Marktmeister David Wehner auf dem Wolfratshauser Christkindlmarkt nicht. (Foto: Hartmut Pöstges)

Wolfratshausen

In Wolfratshausen macht man sich über steigende Gema-Gebühren wenig Sorgen. Denn auf dem Christkindlmarkt in der Altstadt setzt man auf Livemusik, und zwar überwiegend auf traditionelle. Er habe lediglich das Konzert von Claudia Sommer angemeldet, sagt der Kulturmanager der Stadt, Andreas Kutter. Die Sängerin tritt am Samstag, 2. Dezember, von 14 bis 16 Uhr auf dem Marienplatz auf, der eine überschaubare Fläche habe. Die Kosten seien da natürlich geringer als bei einer Beschallung der gesamten Marktstraße. "Wir haben nur das angegeben, wo sie spielt", sagt Kutter. "Am Schwankl-Eck wird man sie nicht hören können." Für die Auftritte der Stadtkapelle (Freitag 18.30 bis 21, Samstag 16 bis 18 und Sonntag 14 bis 16 Uhr), sowie des Chors der Adventgemeinde (Samstag 18 bis 21 Uhr) und der Alphornbläser (Sonntag 14 bis 15 Uhr) hat Kutter keine Gema-Anmeldung getätigt. Musik, die aus Lautsprechern an den Buden für Dauerbeschallung sorgt, gibt es laut Marktmeister David Wehner auf dem Wolfratshauser Christkindlmarkt nicht.

Anders ist das bei der Eiszeit, die zeitgleich mit dem Christkindlmarkt eröffnet wurde und noch bis 7. Januar auf der Alten Floßlände zum Schlittschuhlaufen einlädt. Auf der Eisfläche werde wie üblich Musik aus den Boxen erklingen, sagt Andreas Kutter. Den entsprechenden Antrag habe er bei der Gema eingereicht, die Bearbeitung dauere noch an, eine Rechnung sei noch nicht gekommen. Bedenken, dass diese um ein Vielfaches höher sein könnte als in den Vorjahren, hat der Eventmanager aber auch nicht. "Wir haben ja eigentlich dieselbe Fläche wie immer", sagt Kutter. Für die Eiszeit habe die Stadt immer ein paar Hundert Euro an die Gema zahlen müssen, vierstellig würden die Gebühren auch diesmal nicht ausfallen.

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