Brexit:Brexit könnte Cambridge und Co. nach Bayern treiben

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Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg setzt auf Zusammenarbeit mit Hochschulen wie Cambridge und Unis in Schottland. (Foto: Nürnberg PR Fau)
  • Wegen des Brexits planen einige britische Universitäten offenbar, Standorte auf dem europäischen Festland zu eröffnen.
  • Hintergrund ist die Sorge, nach einem EU-Austritt Großbritanniens nicht mehr von den EU-Fördergeldern profitieren zu können.
  • Es gibt Gespräche über enge Kooperationen nach Bayern.

Von Anna Günther, München

Die bayerischen Universitäten machen sich bereit für die Zeit nach dem britischen EU-Austritt im März 2019. Dieser könnte dramatische Folgen für die Wissenschaft haben: Kooperationen und Forschungsprojekte könnten auslaufen, der Austausch von Wissenschaftlern und Studenten wäre komplizierter. Ein harter Brexit würde britische Unis von EU-Fördergeld ausschließen. Deshalb planen Cambridge, Oxford und Co. nun offenbar, Dependancen auf dem europäischen Festland zu eröffnen - der Freistaat wäre ein möglicher Standort.

Um die Lage für Bayerns Universitäten zu sondieren und über potenzielle Post-Brexit-Partnerschaften zu sprechen, reiste Hochschulstaatssekretär Bernd Sibler (CSU) mit den Präsidenten der Unis in Erlangen-Nürnberg und Würzburg in der vergangenen Woche durch England und Schottland. Sibler verspricht sich davon eine Aufwertung des Hochschulstandorts Bayern. Joachim Hornegger, Präsident der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg (FAU), und Alfred Forchel, Chef der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU), hoffen auf Kooperationen mit Cambridge, dem King's College und Imperial College in London sowie den Unis in Glasgow und Edinburgh. Wenn sie dabei hochkarätige Forscher abwerben, umso besser. Prestige ist im Wettbewerb der Hochschulen mindestens so wichtig wie Millionenbudgets.

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Briten wie Bayern wollen auch nach dem Brexit intensiv zusammenarbeiten. Das Problem dabei: Die rechtlichen Voraussetzungen bestimmt die Politik. Die Reise bezeichnet Sibler daher als "Spagat": "Die bayerischen Unis wollen unbedingt weiter kooperieren, aber Rosinenpickerei der britischen Hochschulen nach dem Brexit kann es nicht geben." Solange die Austrittsbedingungen nicht feststehen, sind mögliche Folgen Spekulation. Trotzdem bringen sich viele Hochschulen in Stellung. Die Effekte des Votums seien spürbar, sagte Sibler, die britischen Unis verzeichneten bereits weniger Studenten vom europäischen Festland. Kurz nach dem Votum im Juni 2016 hatten auch viele Forscher überlegt, die Insel zu verlassen. Aber Versuche, Wissenschaftler nach Franken zu locken, seien noch im Sand verlaufen, sagte FAU-Chef Hornegger. Momentan warten alle die Verhandlungen ab, auch in den USA.

Etwas Positives ist dem Brexit offenbar abzugewinnen: "Nichts hat die britischen Universitäten so zusammengeschweißt", sagte Hornegger. Die Wissenschaft habe klar für den Verbleib in der EU gestimmt - der Wahlkreis Cambridge sogar zu 74 Prozent. Die britischen Hochschulen hoffen, dass sich nach dem Brexit für sie wenig ändert. Am liebsten wäre den Briten der Status eines assoziierten Mitglieds, ähnlich der Schweiz, Islands oder Norwegens.

Wahrscheinlicher ist der harte Brexit. Selbst dann dürften britische Unis im Rahmen von einzelnen Projekten am EU-Forschungsprogramm "Horizon 2020" teilnehmen, aber Zuschüsse bekämen sie nur in Ausnahmefällen, etwa durch Kooperationsabkommen mit Hochschulen aus EU-Ländern. JMU-Präsident Forchel schätzt die Finanzen der Briten durch hohe Studiengebühren zwar als "solide" ein, "aber der Mensch strebt ja immer nach dem Optimum und will nichts abgeben".

Filialen in der Europäischen Union gelten daher als Schlüssel zum wissenschaftlichen Diskurs - und zum Geld. "Viele überlegen mehr oder weniger konkret, ob sie Außenstellen auf dem Kontinent eröffnen", sagt Sibler. Details habe sich aber niemand entlocken lassen. Nur, die Zeit drängt. Elf Standorte europäischer Unis gibt es bereits in Bayern, für die Gründung dieser Außenstellen gelten die Regeln der EU-Niederlassungsfreiheit. Ob Cambridge, Oxford und Co. nach dem Brexit noch Filialen eröffnen dürften, hängt auch von den Austrittsverhandlungen ab.

Verdrängungseffekte sieht Sibler nicht, man spiele in einer Liga und das wüssten die Briten. "Wären Max-Planck-, Fraunhofer- und Helmholtz-Institute an Universitäten angesiedelt, würden wir in Rankings deutlich weiter vorne, vielleicht gleichauf mit den Briten stehen", sagte Sibler. Filialen aus Cambridge, Oxford oder Edinburgh wären Zierde, keine Konkurrenz. "Das ist wie bei Igeln, die sind nah genug beieinander, um sich zu wärmen, aber weit genug weg, um sich nicht zu stechen." Die Präsidenten der Unis in Würzburg und Erlangen fürchten dagegen eine Schwächung durch die britischen Filialen. Sie wollen ihre Häuser lieber mit Kooperationen stärken. "Der britische Glamour würde Forscher und Studenten anziehen", sagte JMU-Präsident Forchel. "Ob man britische Filialen in der deutschen Universitätslandschaft möchte, ist eine politische Frage", ergänzte FAU-Chef Hornegger. Er setzt auf eine Zusammenarbeit mit dem Imperial College.

Furcht vor negativen Auswirkungen auf die europäische Wissenschaft

Anders ist die Lage in München: Die Präsidenten Wolfgang Herrmann (Technische Universität) und Bernd Huber (Ludwig-Maximilians-Universität) sind entspannter. "Die können alles machen. Wir haben auch eine Dependance in Singapur, das bringt die Unis dort nicht um - wir müssen halt besser sein", sagte Herrmann. Cambridge und das Imperial College bezeichnet er als wichtigste Partner der TU, Edinburgh werde folgen. TU und LMU tragen bereits das Label Elite-Universität der Exzellenzinitiative. Die FAU hat zwar auch ein Exzellenz-Cluster und wie die JMU eine Graduiertenschule, beide gelten aber noch nicht als Eliteuni.

Negative Auswirkungen des Brexits auf die europäische Wissenschaft fürchten alle vier Präsidenten. Nicht nur Kooperationen könnten darunter leiden, auch das Erasmus-Programm würde nicht mehr für England, Schottland und Nordirland gelten. Bayerische Studenten müssten wie alle Ausländer die hohen britischen Studiengebühren bezahlen. Außerdem würde Großbritannien als Netto-Zahler wegfallen, wodurch auch das EU-Budget für Forschung und Wissenschaft sinkt.

Schlimmer bewerten Huber und Herrmann aber den Prestigeverlust für Europa, wenn die Briten sich nicht mehr an Initiativen wie den ERC-Grants beteiligen würden. Als Zahler und als Konkurrenz. Die Auszeichnung des European Research Council gilt als wichtigstes Stipendium für Wissenschaftler in Europa - und bringt jedem Gewinner 1,5 bis 2,5 Millionen Euro Forschungsbudget. "Die Briten sind die Besten in Europa, beteiligen diese sich nicht mehr, wäre das fatal für die Außenwirkung", sagte Huber. Ohne Briten würde die Reputation des Wettbewerbs leiden; das wäre für alle europäischen Universitäten ein Nachteil. Die Auszeichnung habe mehr Glanz für die LMU, wenn Münchner sich gegen Kollegen in Oxford und Cambridge durchsetzten.

© SZ vom 15.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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