Bildungspolitik:G 8 und G 9: Was das Zaudern der CSU die Kommunen kostet

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Die neue Eliteschule des Sports im Münchner Norden hat 58 Millionen Euro gekostet. Immerhin ist dieses Gymnasium so flexibel gebaut, dass die Entscheidung der CSU keine Rolle spielt. (Foto: Florian Peljak)
  • Die bayerischen Gymnasien warten seit Monaten auf eine Entscheidung der CSU zur möglichen Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums.
  • Kommunen und Landkreise müssen zahlen, wenn die CSU die Rückkehr zum G 9 beschließt und Schulen deswegen neu- oder umgebaut werden müssen.
  • Mitte der kommenden Woche soll es eine Entscheidung zum acht- oder neunjährigen Gymnasium geben.

Von Anna Günther und Melanie Staudinger, München

Das Warten auf die Entscheidung über die Zukunft des bayerischen Gymnasiums zerrt nicht nur an den Nerven von Eltern und Direktoren, einige Kommunen kostet die zaudernde CSU bereits jetzt Geld. Mitte der kommenden Woche soll die Fraktion zwischen acht oder neun Jahren bis zum Abitur entscheiden. Die Gymnasien warten seit Monaten darauf. Beim finalen Runden Tisch mit Lehrer-, Schüler- und Elternverbänden sprach Ministerpräsident Horst Seehofer nun von einem eigenen Lehrplan für das potenzielle G 9 statt der Umverteilung der G-8-Inhalte auf neun Jahre.

Weitere Zukunftsideen sind eine große Bildungsoffensive, von der auch die Förderschulen und der Unterricht für Flüchtlinge profitieren sollen. Einig waren sich Verbände und Staatsregierung offenbar auch bei einer Reform der gymnasialen Oberstufe. Details stehen noch nicht fest. Eine Art von Vertiefung dürfte es geben, aber die Rückkehr zu Grund- und Leistungskursen ist nicht zu erwarten. Die Umsetzung dieser Reform innerhalb der Gymnasialreform würde erst relevant, wenn die G-9-Schüler in die Oberstufe kommen.

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Die Besprechung Seehofers mit Ulrich Maly, dem Nürnberger Oberbürgermeister und Vorsitzenden des Städtetages (SPD), und Landkreistagspräsident Christian Bernreiter (CSU) am Freitagnachmittag in der Staatskanzlei fiel deutlich nüchterner aus. Denn diesmal ging es ums Geld. Am Ende müssen Kommunen und Landkreise als Sachaufwandsträger der Gymnasien zahlen, wenn die CSU die Rückkehr zum G 9 einläutet und Schulen neu- oder umgebaut werden müssen. Maly und Bernreiter fordern schon lange eine klare Entscheidung. Schulen neu zu errichten, dauert Jahre, kostet viele Millionen und soll Generationen reichen.

In Mering im Landkreis Aichach-Friedberg stehen seit gut einer Woche die Bauarbeiten still. Sicherheitshalber hatte der Kreistag einen Baustopp verhängt. Die Schüler sind im Herbst 2016 eingezogen, aber das Gymnasium ist auf acht Jahre angelegt. Für ein G 9 sind drei bis vier zusätzliche Klassenzimmer nötig, die auf die Mensa gebaut werden könnten, der Rohbau steht.

"Wir warten jetzt, damit wir nicht das neue Dach wieder abreißen und dann nachträglich die Räume draufsetzen müssen", sagt Landratsamt-Sprecher Wolfgang Müller. Eigentlich sollte die Mensa im September fertig sein. Kommt das G 9, wird es deutlich länger dauern. Müller spricht von "nicht wenigen Monaten", das Gebäude müsste neu geplant und Handwerker neu beauftragt werden. Jeder Tag Pause kostet. Wie viel, könne derzeit niemand seriös schätzen.

Der Deggendorfer Landrat Bernreiter ließ sich schon 2015 kurz vor dem Spatenstich zum Neubau des Robert-Koch-Gymnasiums in einer "Ruckzuck-Aktion" zusätzliche Räume genehmigen. Er hatte die Anmeldezahlen zum G-9-Versuch Mittelstufe Plus, 60 Prozent der Eltern hatten ihre Kinder angemeldet. Pfingsten zieht die Schule um. Schülerwanderungen fürchtet Bernreiter mehr als die Kosten. "Wir bekommen erst große Probleme, wenn sich der Übertritt verschiebt", sagt er, und dadurch neu- oder umgebaute Mittel- und Realschulen zu klein oder zu groß würden. Etwa ein Drittel der Grundschüler wechselt in der Region aufs Gymnasium.

"Wir haben keine Reserve mehr"

In Ballungszentren wie München, Augsburg oder Nürnberg sind es 40 bis 60 Prozent. Dort müssen allein wegen steigender Geburtenzahlen und vieler Neubürger zusätzliche Schulen gebaut werden. In Nürnberg soll auch ohne G 9 ein weiteres Gymnasium gebaut und drei bis vier Schulen erweitert werden. Laut Schulbürgermeister Klemens Gsell (CSU) lernen in den 17 Gymnasien pro Jahrgang 700 Kinder mehr als vorgesehen. "Wir haben keine Reserve mehr", sagt er.

Kommt das G 9, sind zwei neue Schulen plus Erweiterungen nötig. Entsprechend betont Nürnbergs OB Maly, dass der Freistaat für die Mehrkosten der Umstellung zum G 9 aufkommen müsste. Grundsätzlich hält Maly die Rückkehr zum G 9 für sinnvoll. Solange das ursprünglich von Schulminister Ludwig Spaenle erdachte Wahlmodell, bei dem Schulen sich zwischen acht und neun Jahren entscheiden müssen, vom Tisch ist.

Über Nürnbergs Pläne können sie in München nur müde lächeln. Bis 2030 sollen 49 Schulen neu entstehen oder erweitert werden. Geld spielt dabei kaum eine Rolle: Mehr als neun Milliarden Euro könnte der Spaß kosten. Zu lange hat die Stadt Schulhäuser vernachlässigt und den Bevölkerungszuwachs ignoriert. Dem Bildungsreferat käme die Rückkehr zu neun Jahren daher denkbar ungelegen. Schon jetzt sind Flächen für sieben Gymnasien nötig, um den Bedarf zu decken. Kommt das G 9, werden drei bis fünf weitere gebraucht.

Das G 9 gibt es nicht "zum Nulltarif"

Doch ganz so eindimensional verlaufen die Diskussionen in der Landeshauptstadt nicht, denn nirgendwo sonst in Bayern dürfte der Dualismus zwischen SPD-dominiertem Rathaus und CSU-geführtem Kultusministerium mit seinem Münchner CSU-Chef so groß sein. Das zeigte sich auch bei der Eröffnung des neuen Gymnasiums im Norden der Stadt, 58 Millionen Euro teuer, Eliteschule des Sports mit einer bundesligatauglichen Sporthalle.

Münchens Schulbürgermeisterin Christine Strobl (SPD) stichelte mehrmals in Richtung Kultusminister, mit dessen Partei sie eigentlich in einer Rathauskoalition sitzt. München plane alle neuen Gymnasien parallel für acht und neun Jahrgänge - diesen Aufwand bräuchte es nicht, wenn endlich Klarheit herrschen würde. "Ja, das musste sein", sagte Strobl zu Spaenle, dem das sichtlich nicht gefiel. Im neuen Gymnasium sei das Gebäude immerhin flexibel.

Am Freitag sagte Finanzminister Markus Söder, dass es das G 9 für den Freistaat nicht "zum Nulltarif" gebe. Aber man könne sich das leisten. "Wir haben die Möglichkeiten." Mit mindestens 1000 zusätzlichen Lehrerstellen scheint sich auch Ministerpräsident Seehofer abgefunden zu haben. In der Besprechung mit den Verbänden soll er wieder betont haben, dass die Reform nicht am Geld scheitern wird.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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