Bildungspolitik:Was die Rückkehr zum G 9 für München bedeuten würde

Mehr Zeit fürs Abi - G9 kehrt vielerorts zurück

Über die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium wäre man in München nicht uneingeschränkt glücklich.

(Foto: dpa-tmn)
  • Aus pädagogischer Sicht hat das neunjährige Gymnasium in München viele Anhänger.
  • Sollte die bayerische Staatsregierung tatsächlich die Rückkehr zum G 9 beschließen, wäre man darüber in der Stadt aber nicht nur glücklich.
  • Das würde bedeuten, dass noch mehr Schulen gebaut werden müssten, als ohnehin geplant. Auf den Kosten könnte München sitzenbleiben.

Von Melanie Staudinger

Martin Güll grinst kurz. Jede Wette würde er eingehen, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete und Bildungspolitiker beim Jahresempfang seiner Münchner Fraktionskollegin Ruth Waldmann, dass die CSU in spätestens drei Wochen die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium verkünden wird. Fraglich sei nur, ob Ministerpräsident Horst Seehofer oder doch Kultusminister Ludwig Spaenle die Rolle des Zurückruderers übernehmen wird.

"Ich weiß schon, die Stadt München wird das nicht so freuen", sagt Güll. Und damit trifft er einen wunden Punkt in der städtischen Schulpolitik. Denn pädagogisch hat das neunjährige Gymnasium durchaus seine Anhänger. "Wir freuen uns, dass die CSU das endlich eingesehen hat", sagt zum Beispiel Waldmann.

Im Alltag aber steht die Stadt vor einer immensen Herausforderung. "Wir brauchen mehr Schulen und weniger Züge an den bestehenden, sonst geht es nicht", sagt Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD). Schon jetzt muss München sieben neue Gymnasien bauen. Stellt der Freistaat von G 8 auf G 9 um, wären es nach Prognosen des Bildungsreferats drei mehr, von denen jedes wohl zwischen 50 und 70 Millionen Euro kosten wird.

Schon jetzt könnten bis zum Jahr 2030 mehr als neun Milliarden Euro an Investitionen im Schulbereich nötig werden. Ein weiteres Problem ergibt sich an den bestehenden Gymnasien. Diese sind mit acht Jahrgängen schon übervoll. Kommt ein zusätzlicher dazu, müssen sie wohl die Zahl ihrer Parallelklassen reduzieren, um die 13. Klasse unterzubringen. Es wird vielen Eltern nicht gefallen, wenn sie an ihrer Wunschschule noch schlechtere Chancen haben.

Denn schon jetzt ist den Schulleitern bange vor der Anmeldung im Mai. Jedes Jahr wieder offenbart sich der Mangel. Im neuen Gymnasium München Nord an der Knorrstraße musste Direktor Leonhard Baur gleich im ersten Jahr eine Klasse mehr als geplant aufnehmen, weil sich so viele Kinder angemeldet hatten. Das Maria-Theresia-Gymnasium in der Au etwa startet mit ihrer Hochbegabtenklasse nun schon in der fünften statt der sechsten Jahrgangsstufe, weil viele der intelligenten Kinder zu weit weg wohnten und sonst nicht aufgenommen hätten werden können.

Auch andere Gymnasien haben mittlerweile einen inoffiziellen Sprengel. Am Gisela-Gymnasium in Schwabing hatten nur Schüler eine Chance, die in einem Umkreis von 600 Metern um die Schule wohnen. Das Gymnasium Fürstenried-West machte wegen Platzmangels im vergangenen Jahr schon vor der Anmeldung Negativwerbung. In Trudering flogen bereits Eltern auf, die falsche Adressen angaben.

Waldmann, die als einzige SPD-Kandidatin 2013 ein Direktmandat für den bayerischen Landtag geholt hatte, hat mit ihrem Jahresempfang unter dem Motto "Wie geht es weiter mit unseren Schulen?" einen Nerv getroffen. Schon im Vorfeld hatten sich Elternvertreter, Lehrer und Direktoren angemeldet und auf die dramatischen Platzverhältnisse in ihren Schulen hingewiesen, wie sie erzählt.

Ursprünglich hatte die Abgeordnete das Gymnasium München Nord ausgewählt, musste aber kurzfristig umplanen. Vor nicht einmal zwei Wochen hatte der Münchner Stadtrat überraschend beschlossen, keine politischen Veranstaltungen mehr in Schulen zuzulassen. Waldmann verlegte ihr Treffen also in den Landtag, nicht mit der größten Euphorie. "Über Schule darf man heute offenbar nicht mehr in einer Schule reden. Aber hier ist es auch ganz schön", sagt sie.

Bei ihrer Veranstaltung war vor allem Stadtschulrätin Zurek eine begehrte Gesprächspartnerin. Eltern, Lehrer, Schulleiter berichteten von Lehrerzimmern, die längst zu Klassenzimmern umfunktioniert sind, von dringend benötigten Schulpavillons, die nicht fertig werden, von fehlenden Rückzugsmöglichkeiten. Eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium wird die Situation in München verschärfen. Zurek ist nach eigenen Angaben dennoch lieber, wenn der Freistaat eine eindeutige Regelung trifft.

Sollte es doch bei der bisher geplanten Wahlfreiheit der Schulen zwischen G 8 und G 9 bleiben, fürchtet sie, dass die Stadt auf den Kosten für die nötigen Neubauten sitzenbleiben wird. Denn auch in diesem Fall seien mehr Schulen nötig. Die zusätzlichen Bauaufgaben seien auch neben den bereits bestehenden Bauprogrammen zu stemmen, sagt Zurek. Denn der 13. Jahrgang komme nicht sofort, sondern ja frühestens erst in neun Jahren dazu - hoffentlich.

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