Immobilienmarkt:Kritik an Sozialcharta der GBW

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  • Ein Anwalt fordert unter Berufung auf ein Urteil des Münchner Amtsgerichts, dass die Landesbank Münchner Mietern helfen soll, weiterhin preiswert zu wohnen.
  • Der Anwalt sieht in drastischen Mieterhöhungen bei einem Haus in München-Schwabing einen Bruch der zwischen BayernLB und GBW vereinbarten Sozialcharta.
  • Die einst gemeinnützige GBW ist weiter ein Politikum, das Ministerpräsident Markus Söder und seiner Partei zuletzt eine Menge Ärger machte.

Von Klaus Ott, München

Das Schreiben, das BayernLB-Vorstandschef Johannes Riegel diese Woche von Anwalt Michael Löffler geschickt bekam, ist etwas ungewöhnlich. Die Landesbank soll Münchner Mietern helfen, weiterhin preiswert zu wohnen. Löffler fordert die BayernLB auf, gegen die Wohnungsbaugesellschaft GBW vorzugehen, dort Geld einzutreiben und es an Mieter auszuzahlen. Die Landesbank, die dem Freistaat gehört, hatte die GBW mitsamt deren gut 30 000 Wohnungen vor fünf Jahren verkauft. Eine damals zum Schutze der Mieter auf Wunsch der Staatsregierung zwischen BayernLB und GBW vereinbarte Sozialcharta werde jetzt mit drastischen Preiserhöhungen in einem Haus in München-Schwabing verletzt, schreibt Löffler. Die Landesbank müsse deshalb einschreiten. Löffler beruft sich auf ein Urteil des Münchner Amtsgerichts vom 9. August mit dem Aktenzeichen 472 C 8559/18.

Die einst gemeinnützige GBW ist auch fünf Jahre nach ihrer Privatisierung ein Politikum, das einen Untersuchungsausschuss im Landtag beschäftigt und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) samt seiner Partei eine Menge Ärger macht. Liegt jetzt sogar ein Bruch der Sozialcharta vor, wie das Amtsgericht glaubt? Das wohl nicht; die Landesbank wird den Bewohnern kaum helfen können. Dennoch ist das Urteil von großer Tragweite, weil darin Schwächen der Sozialcharta klar benannt werden. Das Amtsgericht befand, die rechtliche Ausgestaltung des Abkommens müsse als "wenig geglückt" bezeichnet werden. Die einzelnen Mieter hätten keine einklagbaren Ansprüche; es gebe keinen individuellen Schutz vor Mieterhöhungen.

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Bis heute macht der bayerische Ministerpräsident die EU-Kommission für die umstrittene Privatisierung der GBW-Wohnungen verantwortlich. Doch ein Vermerk lässt Söders Version zweifelhafter denn je erscheinen.

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Das Amtsgericht schreibt sogar, das Vorgehen der GBW bei der Mieterhöhung in München möge "politisch und moralisch durchaus fragwürdig erscheinen". Ein Gesetzesverstoß liege freilich nicht vor. Missglückte Sozialcharta; politisch fragwürdig? Dabei hatte Söder immer das Gegenteil erzählt. Damals schon, im Jahr 2013 beim Verkauf der GBW, als Söder noch Finanzminister und somit zuständig war für die umstrittene Privatisierung von mehr als 30 000 Wohnungen. Und vor einigen Wochen erst wieder, im Untersuchungsausschuss des Landtags, wo der zum Ministerpräsidenten aufgestiegene CSU-Politiker als Zeuge aussagen musste. Was man bei der Sozialcharta erreicht habe, das könne sich doch sehen lassen, erklärte Söder. "Wir haben unter den Umständen den bestmöglichsten Mieterschutz versucht zu erreichen." Mehr sei rechtlich nicht drin gewesen, fügte der Regierungschef hinzu.

Seit der Privatisierung der GBW, der Wohnungen in ganz Bayern gehören, gibt es immer wieder Streit um teure Sanierungen und Mieterhöhungen. In dem Urteil des Amtsgerichts geht es um einen Münchner Mieter, von dem die GBW deutlich mehr verlangte. 1118,23 statt wie vorher 972,38 pro Monat für zwei Zimmer mit 93,22 Quadratmeter. Das wollte der Mieter nicht zahlen, weshalb ihn die GBW verklagte und vom Amtsgericht Recht bekam. Weil die Mieter laut Urteil keine individuellen, einklagbaren Ansprüche haben.

Das Amtsgericht schreibt, bestimmte Details der Sozialcharta ließen den Schluss zu, Ansprüche der einzelnen Mieter seien "gerade nicht gewünscht" gewesen. Die Sozialcharta ist ein Abkommen zwischen der Landesbank und den Käufern der GBW. Das sind Sparkassen, Versicherungen und andere private Investoren, die hinter zwei Firmen stehen, denen die GBW heute gehört. Eine der beiden Firmen heißt Pearl 2, also Perle 2.

Die zum Schutze der Bewohner zwischen der Landesbank und den GBW-Käufern unter Mitwirkung der Staatsregierung ausgehandelte Sozialcharta schränkt zwar bis zu diesem Jahr Mieterhöhungen ein. Aber nicht bei den einzelnen Bewohnern, sondern bezogen auf den "Durchschnitt" des gesamten GBW-Bestandes in ganz Bayern. 15 Prozent Preissteigerung durften es, unter bestimmten Umständen, in den ersten drei Jahren sein. Und in den Jahren vier und fünf nach der Privatisierung noch einmal jeweils drei Prozent. An diese Vorgaben habe sich die GBW gehalten, sie sei sogar darunter geblieben, besagt ein Bericht der Wirtschaftsprüfgesellschaft Deloitte vom Juni 2018.

Der Bericht, den die beiden Trägerfirmen der GBW, darunter die Pearl 2, in Auftrag gegeben hatten, ging an die Landesbank. Die BayernLB dürfte also keinen Grund haben, jene Vertragsstrafen geltend zu machen, die in der Sozialcharta im Falle von deren Nicht-Einhaltung vorgesehen sind. Solche Vertragsstrafen kann nur die BayernLB einfordern, nicht aber der einzelne Mieter. Die Landesbank will sich dazu nicht äußern. Die GBW erklärt, sämtliche Gerichte hätten festgestellt, dass diese Mieterhöhung rechtens gewesen sei. Die Sozialcharta gehe über das gesetzliche Maß hinaus und schütze die Mieter umfassend. Das Gericht stehe in direktem Widerspruch "zu den von Deloitte bestätigten Fakten". Der GBW stehe es aber nicht zu, "meinungsgesteuerte Kommentare von Amtsrichtern zu bewerten". Was auch immer damit gemeint sein mag.

In der CSU hatte es vor dem Verkauf der GBW weitreichende Vorschläge für eine Sozialcharta gegeben, die den einzelnen Mietern weit mehr geholfen hätten als das letztlich vereinbarte Abkommen. Lebenslanger Kündigungsschutz für die Mieter, Ermäßigungen für Familien mit Kindern, und so weiter. Die Sozialcharta blieb dahinter zurück. Was wohl auch daran lag, dass Söder damals in einer Zwickmühle war. Die Landesbank hatte sich unter früheren Finanzministern böse verspekuliert und musste dringend saniert werden, auch durch den Verkauf der GBW. Für diesen Verkauf wiederum gab es strenge Vorgaben der EU. Wäre die BayernLB freilich nicht zum Sanierungsfall geworden, dann wäre auch der Verkauf der GBW nicht nötig gewesen.

© SZ vom 07.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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