GBW-Verkauf:Söder gerät weiter in Bedrängnis

Markus Söder (CSU) 2018 bei einer Bürgersprechstunde

Markus Söder war damals Finanzminister (Archivbild).

(Foto: dpa)
  • Der Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GBW an einen privaten Investor ist nach wie vor umstritten. Die zentrale Frage lautet: Hätte der Freistaat damals zumindest versuchen sollen, seiner Landesbank die Wohnungen abzukaufen?
  • Im Januar 2012 hatte der damalige Finanzminister öffentlich erklärt: "Die EU-Kommission verbietet, dass der Freistaat die Wohnungen kauft."
  • In einem der SZ vorliegenden Papier heißt es dagegen: "Ein ausdrückliches Verbot des Anteilserwerbs durch den Freistaat hat die EU-Kommission nicht ausgesprochen."

Von Klaus Ott

Der Vermerk, der Ministerpräsident Markus Söder im Streit um die Privatisierung von rund 33 000 Wohnungen in Bayern in Bedrängnis bringt, datiert vom 31. Januar 2012. Die vier Seiten gingen quer durch das Finanzministerium, dem Söder damals vorstand. Am Ende landete die Notiz, laut Eingangsstempel, auch im Ministerbüro.

Das der Süddeutschen Zeitung vorliegende Papier lässt Söders Version, wie es zum umstrittenen Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GBW an einen privaten Investor gekommen war, zweifelhafter denn je erscheinen. Dem Vermerk zufolge hatte die Brüsseler EU-Kommission dem Freistaat nicht förmlich untersagt, die GBW der eigenen, seinerzeit finanziell angeschlagenen Landesbank abzukaufen.

"Ein ausdrückliches Verbot des Anteilserwerbs durch den Freistaat hat die EU-Kommission nicht ausgesprochen", steht in dem Papier. Das nicht ist im Original fettgedruckt und unterstrichen. Damit es auch niemand übersehen kann. Söder hingegen hatte im Januar 2012, inmitten von Turbulenzen um die Landesbank und deren GBW, öffentlich erklärt: "Die EU-Kommission verbietet, dass der Freistaat die Wohnungen kauft."

Am kommenden Freitag muss sich der inzwischen zum Ministerpräsidenten aufgestiegene CSU-Politiker erneut erklären. Der auf Antrag der Opposition eingesetzte Untersuchungsausschuss, der die Umstände des GBW-Verkaufs aufklären soll, hat Söder als Zeugen geladen. Ein heikler Termin mehr für den Regierungschef nach all den Turbulenzen der vergangenen Wochen.

Söder hatte sich eigenem Bekunden nach massiv als Finanzminister beim Verkauf der GBW durch die staatseigene Landesbank an den privaten Investor Patrizia für den Mieterschutz eingesetzt und das Beste für die GBW-Bewohner herausgeholt. Und so die Privatisierung gerechtfertigt. Gleichwohl ist inzwischen der Ärger groß. Mehr als 80 000 Menschen wohnen in GBW-Häusern. Nicht wenige dieser Mieter beschweren sich über drastische Mieterhöhungen, teils wird der Streit vor Gericht ausgetragen. Teils wird, seit Jahren, die Regierung um Hilfe gebeten.

Die zentrale Frage lautet: Hätte der Freistaat damals zumindest versuchen sollen, seiner Landesbank die Wohnungen abzukaufen? Um die Mieter vor Preissteigerungen und Wohnungsverkäufen zu schützen. Söder und andere CSU-Politiker machen bis heute die Brüsseler EU-Kommission für die Privatisierung verantwortlich. Sanierungsvorgaben aus Brüssel für die Landesbank hätten dieser keine andere Wahl gelassen, als die GBW zu verkaufen. Und der Freistaat habe nicht kaufen dürfen. Doch die Lage war, wie der SZ vorliegende Dokumente zeigen, viel komplizierter.

Zuletzt lobte Söder sich selbst für den Wohnungsbau in Bayern

Das Finanzministerium wollte dem eigenen Vermerk zufolge grundsätzlich nicht zugreifen, auch um keinen Ärger mit Mietern zu haben. In dem Vermerk heißt es weiter, die EU wolle private Interessenten zum Zug kommen lassen und favorisiere diese Lösung. Eine Übernahme der GBW durch den Freistaat sei nicht im Interesse der EU, notierte das Ministerium. Ausdrücklich verboten war das aber eben nicht. Und mehrere Städte von München bis Nürnberg, die sich zu einer Kaufgemeinschaft zusammengetan hatten, waren ohne Chance gegen die Investorengesellschaft Patrizia. Die bekam für 882 Millionen Euro den Zuschlag und will das Geld nun wieder einspielen, teils mit dem Weiterverkauf von Wohnungen, teils mit Mieterhöhungen. Ärger und Proteste sind die Folge. Die Städte, die einen weit besseren Mieterschutz garantieren wollten, hatten nur 643 Millionen Euro geboten.

Mehr Mieterschutz bedeutet weniger Gewinn. Dass der GBW-Verkauf nun zum Wahlkampfthema werden könnte, liegt auch an Söder selbst. Er hat vor drei Monaten im Landtag bei seiner ersten Regierungserklärung als Ministerpräsident das "Beste für Bayern" versprochen. Er wolle sich um vieles kümmern, auch um bezahlbare Mieten für untere und mittlere Einkommensgruppen. Bis 2025 solle ein neues Staatsunternehmen mit Namen "Bayern Heim" 10 000 Wohnungen bauen. Und in seinen schon vorhandenen Häusern werde der Freistaat fünf Jahre lang auf Mieterhöhungen verzichten. "Damit sind wir Vorbild für den gesamten Wohnungsbau in Bayern", lobte sich der neue Regierungschef selbst.

Keine Mieterhöhungen, das ist für die Bewohner vieler GBW-Häuser ein Traum. Für viele Mieter geriet der Eigentümerwechsel zum Albtraum. Ist auch Söder an dem Dilemma schuld? Zu seiner Zeit als Finanzminister war sein Einsatz für weniger gut betuchte Mieter jedenfalls noch nicht so ausgeprägt gewesen wie heute als Ministerpräsident. Jetzt baut der Freistaat neue Wohnungen, in bescheidenem Umfang. Damals wurden mit dem Verkauf der GBW noch viel mehr Wohnungen privatisiert, gegen den Willen zahlreicher Mieter, Kommunal- und Oppositionspolitiker, die Mieterhöhungen und andere Nachteile fürchteten. Was dann auch die Folge war.

Im Ministerium hatte man offenbar Angst, sich mit Mietern herumschlagen zu müssen

Das Finanzministerium fürchtete nicht nur, die Sanierung der Landesbank könne sich verzögern, sollte die EU an einer Übernahme der GBW durch den Freistaat Anstoß nehmen. Und zudem noch ein Prüfverfahren einleiten, zusätzlich zur Untersuchung von zehn Milliarden Euro Staatshilfen für die Landesbank. Im Finanzministerium muss es damals auch eine regelrechte Angst davor gegeben haben, sich als Betreiber einer staatlichen Wohnungsgesellschaft mit Mietern herumschlagen zu müssen.

Bei einer Übernahme der GBW würde in den Augen der Mieter der Staat in die Vermieterrolle "rutschen" und für alle Anliegen der Mieter beziehungsweise für jede unpopuläre, aber betriebswirtschaftlich notwendige Maßnahme verantwortlich gemacht werden. So steht es im Vermerk des Ministeriums vom Januar 2012, in dem es heißt, der Staat würde in so einem Fall "personifiziert durch Herrn StM". Das steht für Staatsminister, und der hieß Söder. Der Vermerk gibt den Geist wieder, der zu dieser Zeit im Ministerium herrschte.

Für einen Mangel an Mietwohnungen sei "nichts ersichtlich", hieß es 2012

Schon unter Söders Vorgänger Georg Fahrenschon hatte das Finanzressort von einer Übernahme der GBW nichts wissen wollen. Es sei "zweifelhaft, dass es im Interesse des Freistaats ist, langfristig Mehrheitseigentümerin eines Wohnungsunternehmens zu sein." So notierte es das Ministerium am 24. März 2011 für Ressortchef Fahrenschon mit der Bitte um Kenntnisnahme. Zudem sei die Rendite der GBW in den vergangenen Jahren sehr gering gewesen. In einem weiteren Vermerk, ebenfalls vom März 2011, heißt es noch viel deutlicher: "Mit der Übernahme der GBW würde sich der Freistaat Bayern lediglich eine neue politische ,Problem-Beteiligung' schaffen, indem er ,Ansprechpartner' für 34 000 Mieter in Bayern wäre." Diese Haltung setzte sich fort, als Söder im November 2011 das Finanzministerium übernahm und damit fortan auch für die Landesbank und deren GBW zuständig war.

In dem besagten Vermerk vom Januar 2012 steht der bemerkenswerte Satz, für einen Mangel an Mietwohnungen sei derzeit in Bayern "nichts ersichtlich". Das war schon damals in München und anderen Großstädten nicht ganz zutreffend. Dort, wo die GBW ihre meisten Wohnungen hat. Doch das Ministerium verschanzte sich lieber hinter der EU und sprach sich generell gegen eine Übernahme der GBW aus. In dem Vermerk sind insgesamt fünf Gründe gegen einen Kauf der Wohnungen genannt, darunter: "Der (soziale) Wohnungsbau wird bislang sehr gut durch Private wahrgenommen." Die Vorbehalte der EU waren der letzte der fünf Gründe.

Das Finanzministerium teilte auf Anfrage der SZ zu diesem Vermerk mit: "Die aufgeworfenen Fragen beinhalten keine neuen Aspekte und sind gegenüber dem Parlament in mehreren Plenardebatten und Ausschusssitzungen und gegenüber der Öffentlichkeit bereits vollumfänglich beantwortet worden." Auch der Untersuchungsausschuss habe sich damit beschäftigt. Eine Nachfrage, in welchen Debatten und Sitzungen im Landtag denn über diesen Vermerk geredet worden sei, ließ das Ministerium unbeantwortet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: