Wolf, Bär und Schafe:Wenn der Wahlkampf auf die Alm kommt

Lesezeit: 4 min

Bauernpräsident Günther Felßner (links neben dem Mikrophon) mit Ministerpräsident Markus Söder auf einer Kundgebung im Frühjahr in Oberaudorf. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Nach mehreren Rissen durch Raubtiere in Oberbayern trifft sich die bayerische Politprominenz von Söder über Aiwanger bis zu Aigner bei den Tierhaltern auf der Alm. Und sie sagen, was dort erhofft wird: Der Wolf muss weg. Eine passende Verordnung dafür hat das Kabinett erst vor Kurzem beschlossen.

Von Matthias Köpf, Oberaudorf

Was ihnen die Besucher aus der Landeshauptstadt da sagen, das wissen die Zuhörer hier heroben längst selbst. Es ist genau das, womit sie der Staatsregierung selber schon seit Wochen und Monaten in den Ohren gelegen waren: Dass der Wolf nicht hierher gehöre, weil die Almweiden im Gebirge nun einmal nicht schützbar seien gegen Raubtiere. Dass die Almen ohne weidende Kühe, Schafe und Ziegen bald zuwachsen würden. Und dass das dann nicht nur den Verlust der bäuerlichen Existenzgrundlage, der heimatlichen Kulturlandschaft und des Wirtschaftsfaktors Tourismus bedeuten würde, sondern auch den Verlust vieler anderer geschützter Tier- und Pflanzenarten.

Also, und so haben es am Mittwochvormittag hier oberhalb von Oberaudorf im Landkreis Rosenheim dann auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Landtagspräsidentin Ilse Aigner (beide CSU), Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Umweltminister Thorsten Glauber (beide FW) gesagt, also müsse der Wolf geschossen werden dürfen, sobald sich einer an Weidetieren vergreife.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Söder, Aigner, Aiwanger, Glauber und noch etliche andere haben das alles ausgerechnet hier an dem künstlichen Weiher unterhalb des Berggasthofs Bichlersee wiederholt, weil am Samstag nur ein paar Meter entfernt in einer feuchten Senke zwei gerissene Schafe und ein totgebissenes Reh gefunden wurden und am Tag darauf noch ein weiteres Schaf. Dass es wirklich ein Wolf war und nicht etwa ein Hund, der die Tiere gerissen hat, ist noch nicht durch eine genetische Analyse der Spuren an den Kadavern erwiesen, aber weder die zu Dutzenden versammelten Anwohner und Almbauern noch die angereisten Politiker lassen einen Zweifel daran, dass das frühestens in einigen Tagen erwartete Laborergebnis genau so lauten wird. Außerdem war es ganz ohne jeden Zweifel ein Bär, der wiederum ein paar Tage vorher und ein paar Meter weiter zwei Schafe gerissen und ein drittes so schwer verletzt hatte, dass es von seinen Leiden erlöst werden musste.

Seitdem ist die Aufregung groß im bayerischen Alpenraum, und mit den mutmaßlichen Wolfsrissen wächst die Wut. Und weil sich am Dienstagabend auch noch der Ministerpräsident angesagt hatte zu dem ursprünglich von den beiden FW-Ministerien angekündigten Termin, war der Auftrieb von Almbauern mit Filzhüten und Medienleuten in Funktionskleidung am Mittwoch so groß, dass die Polizei die Zufahrt über die enge Bergstraße sperren musste.

Auf einer Weide wurden auch Fotos von in der Region gerissenen Schafen ausgestellt. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Mitglieder des Kabinetts sind nicht mit leeren Händen zu den wütenden Bauern gekommen. Der Ministerrat hat erst am Tag zuvor eine Verordnung beschlossen, der zufolge schon nach einem ersten Riss alle Wölfe in einer Region vom jeweiligen Landratsamt zum Abschuss freigegeben werden können. Der Jäger müsse "noch in derselben Nacht sich dort hinsetzen können und mit einem Nachtsichtgerät den Wolf schießen", sagt Aiwanger unter großem Beifall in Oberaudorf. Vereinzelt läuteten dazu sogar Kuhglocken, obwohl die meisten Oberaudorfer Almbauern ihr Vieh noch gar nicht ausgetrieben haben und sich jeden Tag fragen, wie lang im Stall das Futter noch reicht.

Der Bund Naturschutz (BN) hat gegen die Verordnung bereits eine Klage angekündigt und ist sich seiner Sache erkennbar sicherer als die Staatsregierung. Der Rosenheimer BN-Kreisvorsitzende Rainer Auer ist am Mittwoch ebenfalls hinaufgefahren zum Bichlersee und muss sich dort herbe Anwürfe gefallen lassen. Auer betrachtet das Treffen am Berg als "reine Wahlkampfveranstaltung" und bekräftigt, dass die Verordnung der Staatsregierung als Verstoß gegen europäisches Naturschutzrecht vor Gericht "natürlich zu Fall gebracht werden wird".

Aiwanger hingegen richtet da nur "einen großen Appell an die, die klagen und die am Ende den Richterspruch fällen: Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen, dass die Bevölkerung hier den Glauben an den Rechtsstaat verliert". Sonst, so deutet Aiwanger an, könnte diese Bevölkerung das Recht womöglich in die eigene Hand nehmen. So ähnlich hat es aus seiner Sicht ohnehin auch die Staatsregierung gemacht. Weil Brüssel und Berlin den strengen Schutz des Wolfes nicht lockern wollten, sei man "gezwungen, eigenes bayerisches Recht hier durchzusetzen". Einer, der das bald tun will, steht schräg dahinter und zeigt sich zufrieden. Der Garmisch-Partenkirchner Landrat Anton Speer (FW), der schon vor Wochen bei der Regierung von Oberbayern eine pauschale Abschusserlaubnis für Wölfe beantragt hat, ist dafür laut der neuen Verordnung ab 1. Mai selbst zuständig, sieht sich aber bei Weitem noch nicht am Ziel.

Die "Entnahme" von Wölfen müsse erleichtert werden

Auch der Ministerpräsident richtet vorsichtshalber noch einmal Forderungen an die EU und den Bund, den Schutz für den Wolf europaweit herabzusetzen. "Der Erhaltungsstatus des Wolfes ist mittlerweile so gut, dass wir - übrigens nicht nur bei uns, sondern auch anderswo - mit erheblichen Rudelbildungen rechnen müssen", sagt Söder. Die "Entnahme" von Wölfen müsse erleichtert werden, ehe die Population immer noch größer werde und zum Regulieren umso mehr Exemplare entnommen werden müssten. Was die rechtliche Bewertung betrifft, hat Söder erklärtermaßen "jetzt auch keine Lust mehr zu sagen, weil vielleicht ein Klagerisiko besteht, weil vielleicht die Sorge besteht, es könnte was passieren, trauen wir uns lieber gar nichts zu entscheiden". Denn, so hat Söder es auch schon bei früheren Gelegenheiten gesagt: "Der Wolf gehört nicht hierher."

So sehen das zum Beispiel auch die Rosenheimer Kreisbäuerin Katharina Kern oder der Oberaudorfer Ortsobmann im Bauernverband, Sepp Steinmüller. Oder Simone Braun, die Wirtin des Gasthofs Bichlersee, die nach dem ersten Auftritt des Bären viele besorgte Anrufer wegen der reservierten Zimmer beruhigen und zuletzt den Gästen das mit den angefressenen Schafskadavern da drunten auf der Wiese erklären musste. Und schon zweimal Andre Sigl anrufen, dem die Schafe gehört haben und der jetzt ein verwaistes Lamm mit der Flasche aufziehen muss und sich nach eigenen Worten seit Tagen im Ausnahmezustand befindet, als ob er nicht auch so genug Arbeit hätte. Er brauche vom Freistaat keine Zäune und kein Geld, sagt Sigl, sondern ganz einfach keinen Wolf. Aiwanger mutmaßt, dass diesen Wolf vor allem irgendwelche Städter bräuchten und gibt denen gleich das mit: Sie sollten doch "in München die Tiere halten, die sie halten wollen".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUmweltpolitik
:Der Mythos der umweltfreundlichen Windräder

Der Biologe Josef H. Reichholf lehnt Windräder im Staatsforst ab und setzt stattdessen auf den Ausbau der Wasserkraft und die Atomenergie. Mit der Verbandsspitze des Bundes Naturschutz geht er hart ins Gericht.

Interview von Sebastian Beck und Christian Sebald

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: