Tourismus in Bayern:Campingplätze und Ferienwohnungen sind nach der Krise gefragt

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Auch in Ferienwohnungen gelten Hygiene-Vorschriften, und doch ist es für Urlauber dort offenbar attraktiver als im Hotel. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Touristen dürfen wieder reisen und Unterkünfte buchen. Mancherorts schnellen die Buchungen in die Höhe - aber längst nicht überall. Hotels klagen über eine dramatische Lage.

Von Florian Fuchs und Olaf Przybilla, Augsburg/Nürnberg

Iris Kellner, die im Lindauer Stadtteil Bad Schachen zwei Ferienwohnungen in einem Mehrfamilienhaus vermietet, durchlebt gerade zwei Sondersituationen hintereinander. So leer wie im April und im Mai war es noch nie, seit die Kellners Wohnungen vermieten - und weil die Kellners mit ihren Gästen unter einem Dach leben, war das schon eine doppelt ungewohnte Atmosphäre. Nun folgt auf das eine Extrem das nächste: Dass bei Kellners in dieser Zeit bereits alles ausgebucht ist bis September, das gab es ebenfalls noch nie. Die Gäste wollen offenbar die mediterrane Atmosphäre in Bad Schachen mit dem heimatlichen Sicherheitsgefühl in Bayern verbinden. Das erzeugt beim Blick aus dem Fenster aber auch ein leicht zwiespältiges Gefühl bei Iris Kellner. Wirkte die Wohnstraße in Blickweite des Bodensees kürzlich manchmal wie ausgestorben, war dieselbe Straße über Pfingsten mit Autos zugeparkt. In dem Viertel am See herrscht Hochbetrieb. Manchmal überkomme sie das flaue Gefühl, dass manche die Corona-Zeit für etwas irgendwie Überwundenes halten, sagt Iris Kellner.

Die Vermieterin steht mit diesem Gefühl keineswegs alleine da, auch Betreiber von bayerischen Campingplätzen können sich vor Anfragen kaum retten. Die meisten Übernachtungsbetriebe in Bayern aber kämpfen weiterhin mit den gegenteiligen Problemen: Überwunden ist die Corona-Krise dort noch lange nicht, im Gegenteil. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga warnt vor Betriebsaufgaben, Hoteliers berichten von Auslastungen zwischen 15 und 30 Prozent. Vor allem Stadthotels leiden unter geringen Buchungszahlen: "Da geht die Auslastung fast gegen null", sagt Dehoga-Geschäftsführer Frank-Ulrich John. Wenn Touristen in Hotels übernachten, dann lieber im Grünen.

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Nürnberg etwa als ideale Durchgangsstation auf der Fahrt in den Inlandsurlaub im Süden oder Norden? Klar, das würden sie sich im Traditionshotel "Victoria", repräsentativ am Eingang in die Altstadt gelegen, erhoffen. Aber man war schon skeptisch, ob der Betrieb trotz Pfingstferien genauso schnell wieder anlaufen wird, wie er ausgebremst wurde. Und tatsächlich hält sich die Nachfrage gerade in engen Grenzen. Zehn Prozent Auslastung mit Geschäftskunden verzeichnete das Haus auf dem Scheitelpunkt der Krise, nun ist man schon froh, "über die 30 Prozent" zu kommen, sagt der stellvertretende Direktor Finn Schmidt. Es sind wieder Touristen in der Nürnberger Altstadt, das schon, aber insgesamt scheinen Reisende dem Konzept Städtetrip in Corona-Zeiten noch "mit Zurückhaltung" gegenüberzustehen.

Das beobachten sie auch im Regensburger Hotel "Orphée". Individualreisende buchen dort schon, Geschäftsreisen aber bleiben aus - obwohl vergangenen Freitag kurzfristig die Nachricht kam, dass nun auch wieder Tagungen in Bayern erlaubt sind. Viele Unternehmen aber haben firmenintern Geschäftsreisen bis Ende Juni vorerst noch verboten. "Das dauert, bis das wieder anläuft", sagt eine Sprecherin des Hotels. "Eigentlich haben wir im Juni und Juli Hochsaison. Nun ist es wie in der Nebensaison."

Schloss Neuschwanstein hat wieder geöffnet. Doch den Hoteliers in der Umgebung fehlen vor allem die Gäste aus China. (Foto: Christof Stache/AFP)

"Die Lage ist dramatisch", verkündete die Bayern-Präsidentin der Dehoga, Angela Inselkammer, bereits vorige Woche, trotz der anstehenden Wiedereröffnungen. In 69,6 Prozent aller Beherbergungsbetriebe sei es allein deshalb zu Stornierungen gekommen, weil eine Anreise nicht bereits am Freitagabend möglich war. Bei der derzeitigen Auslastung, warnt Dehoga-Geschäftsführer John, seien viele Hotels kaum wirtschaftlich zu führen: Die Öffnung führe zu Kosten, die durch die geringen Buchungszahlen nicht gedeckt werden. Dazu stünden nun Zahlungen an, die gestundet wurden. Und dann müssten die Überbrückungskredite zurückgezahlt werden. "Die Rechnung geht für viele nicht auf." Schnell müssten nun Ausgleichszahlungen kommen, Wellnessbereiche müssten rasch wieder geöffnet werden wie in Österreich, fordert John.

Auch Fabian Geyer hätte einige Forderungen an die Politik, auf die er mächtig sauer ist. Der Direktor des Europark-Hotels in Füssen unterstützt ausdrücklich die Corona-Maßnahmen, einige Details jedoch machen ihn zunehmend wütend: 141 Zimmer mit 280 Betten hat er, die Auslastung bewegt sich momentan zwischen zehn und 15 Prozent. Geyer hat die Auswirkungen des Virus früher gespürt als andere Hoteliers, sein Hotel ist auf chinesische Reisegruppen spezialisiert. Da nützt es ihm auch nichts, dass Schloss Neuschwanstein wieder geöffnet ist: Bis chinesische Touristen wieder kommen, dauert es noch lange. Warum er kein Frühstücksbuffet ohne Bedienung anbieten darf, im Supermarkt um die Ecke aber das Salatbuffet offen hat, "das soll mir mal jemand erklären", kritisiert er. Um alle Hygieneauflagen einzuhalten, benötigt er zwei Vollzeitkräfte. Geyer sagt: Wenn er alle Kosten gegenrechne, dann könne er eine erneute Schließung seines Hotels nicht ausschließen. "Da hängen viele Arbeitsplätze dran, in der gesamten Branche und bei Zulieferern."

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Ferienwohnungen und Campingplätze, das weiß auch Geyer, haben einen klaren Vorteil. Der Campingplatz Brugger am Riegsee in der Nähe des oberbayerischen Murnau war innerhalb von zwei Tagen für den Sommer ausgebucht. "Es kommt uns zugute, dass die Leute noch nicht nach Österreich fahren können", sagt Betreiber Karl Maximilian Brugger. Matthijs Ronald van der Hout geht es ähnlich wie Brugger: Vor gut 30 Jahren hat er den Campingplatz im unterfränkischen Lengfurt am Main übernommen: Was dieser Tage an Anfragen fürs verlängerte Fronleichnam-Wochenende hereinkomme, das übersteige alles bislang Dagewesene. "Wahnsinn", sagt van der Hout, der wie so viele Niederländer auf der A 3 als Urlauber nach Bayern gekommen und dann am Main hängen geblieben ist. Aber klar, sagt er, alles wieder eitel Sonnenschein ist es deshalb auch auf Campingplätzen nicht: Ausgleichen könne selbst dieser Ansturm die jüngste Delle nicht. Übernachtungen im April 2019: 4000. Übernachtungen in diesem April: null. Zumal van der Hout jetzt auch Reisende abweisen muss. Die sanitären Anlangen auf Campingplätzen dürfen nur eingeschränkt geöffnet werden, daher können nur Fahrzeuge mit eigener Waschgelegenheit auf den Platz in Lengfurt. Durchs Raster fallen vor allem ältere Fahrzeuge. Etwa 20 Prozent mache das schon aus auf seinem Platz, sagt van der Hout.

© SZ vom 04.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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