Wintersport:Bayern rüstet Skigebiete massiv auf

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  • Bayerns Staatsregierung pumpt in den kommenden Jahren viele Millionen Euro in den Bau von Seilbahnen, Beschneiungsbecken und Schneekanonen.
  • 2019 und 2020 stehen jeweils neun Millionen Euro für neue Seilbahn-Projekte bereit.
  • Das sei notwendig, um den Tourismus zu stärken, sagt Wirtschaftsminister Aiwanger. Die Grünen kritisieren die Pläne als "staatlich subventionierten Umweltvandalismus".

Von Christian Sebald, München

Die Staatsregierung pumpt in den nächsten Jahren viele Millionen Euro in den Bau von Seilbahnen, Beschneiungsbecken und Schneekanonen. Alleine derzeit liegen im Wirtschaftsministerium acht Förderanträge mit 38,1 Millionen Euro Gesamtvolumen vor. Das ist der Spitzenwert, seit es die bayerische Seilbahnförderung gibt, und gut doppelt so viel Geld, als im aktuellen Doppelhaushalt für sie eingeplant ist. Danach stehen 2019 und 2020 jeweils neun Millionen Euro für neue Seilbahn-Projekte bereit. Weil noch weitere Anträge erwartet werden, will Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die Summe für 2020 verdoppeln. Außerdem verlängert der Freistaat das Zuschussprogramm bis mindestens 2022.

Von den Grünen im Landtag kommt scharfe Kritik. "Diese absurd hohe Förderung neuer Skilifte und das Schneekanonen-Wettrüsten sind staatlich subventionierter Umweltvandalismus der Söder-Regierung", sagt Grünen-Fraktionssprecher Ludwig Hartmann. "Unsere bayerischen Alpen sind keine Eventkulisse, sondern ein einmaliger Natur- und Kulturraum, der die Besucher auch ohne technische Hochrüstung begeistert." Der Schutz der Bergwelt müsse Vorrang vor den Profiten einiger weniger Investoren haben. "Naturnaher und nachhaltiger Urlaub muss endlich klar erkennbares Ziel staatlicher Tourismusförderung werden."

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Wirtschaftsminister Aiwanger widerspricht scharf. Der bayerische Tourismus sei eine "starke Wirtschaftssäule", sagt Aiwanger. Das habe auch mit den attraktiven Angebot der Bergbahnen in den Alpen und den Mittelgebirgen zu tun. Damit die Anlagen möglichst auf neuestem Stand seien, müsse der Freistaat ihre Modernisierung kontinuierlich unterstützen. "Wenn wir das nicht tun, verrotten sie und die Leute fahren zum Wintersport nach Österreich oder Tschechien", sagt Aiwanger. "Das wollen wir nicht, denn das wäre touristischer Selbstmord." Zumal es sich bei den Neubauten ausschließlich um den Ersatz alter Anlagen handle.

Den größten Profit aus dem neuen Förderprogramm wollen die Söllereckbahnen und die Nebelhornbahn in Oberstdorf ziehen. Für den Ausbau und die Modernisierung des Ski- und Wandergebiets an dem gleichnamigen Berg hat die Söllereckbahn Zuschüsse von insgesamt 14,8 Millionen Euro beantragt. Das geht aus der Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor. Bis 2022 sollen am Söllereck drei komfortable Sechser-Sessellifte die drei alten Schlepplifte ablösen. Ebenso soll die bestehende Gondelbahn neu errichtet werden. Außerdem will die Söllereckbahn die Beschneiung des Skigebiets aufrüsten. Die Umsetzung des Projekts, das bis zu 40 Millionen Euro kosten soll, hat bereits begonnen. Der erste neue Sessellift, die Schrattwangbahn im oberen Teil des Skigebiets, wird pünktlich zum Start der neuen Skisaison am Samstag eingeweiht.

Auch der Bau der 45 Millionen Euro teuren neuen Nebelhornbahn ist bereits im Gange. Im September wurde mit den ersten Arbeiten an der Sektion II begonnen, auch die Vorbereitung des Neubaus der Mittelstation und der Erweiterung der Bergstation läuft. Bis 2021 weicht die alte Seilbahn, die zwischen 1928 und 1930 errichtet worden ist und zu den ältesten ihrer Art zählt, einer neuen Kabinenbahn mit Zehnergondeln. Mit dem Neubau geht eine Verdoppelung der Kapazität von aktuell 600 auf dann 1200 Passagiere pro Stunde einher. Naturschützer befürchten, dass der Ansturm auf den ohnehin sehr beliebten Ski- und Wanderberg deutlich zunehmen wird. Für den Neubau will die Nebelhornbahn AG beinahe 12,3 Millionen Euro Zuschuss vom Freistaat bekommen.

Außerdem will die Investorfamilie am Grünten von der neuen Förderung profitieren. Für die umstrittene "Bergwelt", die anstelle des maroden Skigebiets an dem 1738 Meter hohen Gipfel entstehen soll, hat sie 6,7 Millionen Euro Zuschuss beantragt. Der Verzicht auf die besonders umstrittene Walderlebnisbahn, an deren Stangen die Passagiere vom Berg hinab ins Tal rauschen können, dürfte ohne Auswirkung auf den Antrag sein. Denn Zuschüsse aus der Seilbahnförderung bezahlt der Freistaat ausschließlich für neue Bergbahnen und Kunstschneeanlagen, nicht aber für Spaßbahnen und andere Events. Weitere 2,45 Millionen Euro Zuschuss will die Hündle-Bahn in Oberstaufen bekommen, die Spießerlifte in Bad Hindelang wollen für einen neuen Sessellift knapp zwei Millionen Euro vom Freistaat haben.

Der Grünen-Abgeordnete und Tourismus-Sprecher, Christian Zwanziger, befürchtet angesichts der "Projekt-Flut im Allgäu", dass die Bergwelt dort "eine einzige unnatürliche Kunstschneekulisse mit gewaltigen Gondelkapazitäten wird". Durch das Anheizen der "Instant-Nutzung" riskiere der Freistaat eine der wichtigsten Ressourcen des Tourismus selbst, sagt Zwanziger "nämlich eine intakte, erlebbare Natur". Das bayerische Seilbahnförderprogramm datiert aus dem Jahr 2009. In den zehn Jahren seither bezuschusste der Freistaat bayernweit 40 Projekte. Das Gesamtvolumen der bisherigen Förderung belief sich auf knapp 52 Millionen Euro.

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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