Vorbereitung auf die Bundestagswahl:Superspreading in den Hinterzimmern

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Es geht wieder los: Am 26. September wird der Bundestag gewählt (hier ein Plakat von der letzten Wahl). Davor müssen die Parteien ihre Kandidatenlisten aufstellen. Wegen der Corona-Pandemie ist das mit Risiken verbunden. (Foto: Johannes Simon)

In ganz Bayern stehen Versammlungen zur Aufstellung der Bundestagskandidaten an. Trotz der Risiken halten vor allem CSU und AfD immer noch an Präsenzveranstaltungen fest.

Von Florian Fuchs, Matthias Köpf und Lisa Schnell, München

Mit der Ehrung der langjährigen Mitglieder hatte es der CSU-Ortsverband Ramsau nicht ganz so eilig. Die werde baldmöglichst nachgeholt, hieß es in der Einladung. Doch ansonsten sollte die Hauptversammlung der Ortspartei Ende Januar ganz wie gewohnt im Wirtshaus stattfinden, denn es müssten dringend die Delegierten in die Kreisvertreterversammlung gewählt werden, die wiederum bald die Kandidaten für die Bundestagswahl bestimmen soll.

Eine Parteiversammlung im Wirtshaus war im Berchtesgadener Land auf wenig Verständnis gestoßen, mitten in der Pandemie, trotz Abstandsgebots und Ausgangsbeschränkung. Dass das Landratsamt von einer angeblichen Ausnahmegenehmigung nichts wissen wollte und das Wirtshaus der Familie des Ortsvorsitzenden gehört, hat die Sache nicht besser gemacht. Die Hauptversammlung wurde dann doch komplett verschoben. Er habe eigentlich nie eine Präsenzveranstaltung gewollt, rechtfertigte sich der Ortsvorsitzende. Er sei aber dazu gedrängt worden, weil die Parteisatzung bei der Kandidatenkür keine andere Wahl lasse.

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Die Hotels und der Einzelhandel sind geschlossen, Eltern dürfen ihre Kinder nicht in Kitas und Schulen schicken. Es regt sich deshalb vielfach Unmut, dass die Parteien nicht nur vielerorts ihre Hauptversammlungen absolvieren, sofern der Proteststurm nicht allzu laut anschwillt wie im Berchtesgadener Land. Auch die Aufstellungsversammlungen stehen an, teils mit 200 Personen in einem Raum. Weil sich das mit den rigiden Bestimmungen in der Pandemie nicht verträgt, hat der Bundestag Ende Januar den Weg dafür frei gemacht, dass die Versammlungen zur Aufstellung der Bundestagskandidaten auch auf anderen Wegen, zum Beispiel rein digital stattfinden können. Die Parteien machen unterschiedlich Gebrauch von dieser Möglichkeit.

So hat die SPD in Weiden gerade Uli Grötsch zum Bundestagskandidaten ausgerufen. Klar, sie hätten sich natürlich lieber persönlich getroffen, sagt Claudia Hösch, Leiterin der dortigen SPD-Geschäftsstelle. So war das erst ja auch geplant. Die Max-Reger-Halle war gebucht, das Hygienekonzept ausgearbeitet, aber dann sahen sie eben die Zahlen. Jeden Tag stieg der Corona-Inzidenzwert bei ihnen und Hösch war klar: Ein persönliches Treffen, "das ist nicht drin bei uns".

Eine digitale Wahl? - "Die Delegierten waren sehr angetan"

Vergangenen Dienstag, nur fünf Tage vor der Veranstaltung, entschieden sie sich, lieber digital zu wählen. "Ist wunderbar gelaufen", sagt Hösch, gar kein Problem. Eingeladen hatten sie ja schon, sie mussten nur noch den Ort ändern. Statt Max-Reger-Halle stand da jetzt ein Link. Mit einem Abstimmungstool garantierten sie die geheime Wahl. Noch ein Probedurchlauf am Freitag, und am nächsten Tag lief alles "ohne Störung". "Die Delegierten waren sehr angetan", sagt Hösch. Diesen Montag verschickte sie noch die Briefwahlunterlagen, damit die Wahl auch gültig ist, das war's. Alle waren "begeistert".

Bei der CSU halten sie selbst in Bayerns Corona-Hochburgen wie Weiden bislang an Präsenzveranstaltungen fest. Wobei aus der Parteizentrale die Ankündigung kommt, dass auch die Verbände der CSU "in bestimmten Fällen von einem abweichenden Verfahren Gebrauch machen können". Insofern ist die Satzung im Gegensatz zum Vorfall in Ramsau inzwischen angepasst. Solche abweichenden Verfahren bieten sich zum Beispiel bei hohen Inzidenzen an.

Die CSU ist die einzige Partei in Bayern, die noch gar keinen Kandidaten aufgestellt hat, wegen der Pandemie wurden Versammlungen immer wieder verschoben. Jetzt allerdings wird es langsam Zeit, deshalb werden Leitfäden und Checklisten an die Regionalverbände ausgereicht, zur Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen. Zur Not sollten Versammlungen auch als Open-Air-Veranstaltung abgehalten werden, heißt es beim Landesverband. Online-Abstimmungen seien lediglich als subsidiäres Verfahren zugelassen, im Notfall also.

Grünen-Kandidat Norder hält Präsenzveranstaltungen derzeit "für unverantwortlich"

Der Begriff "subsidiär" dürfte allerdings Auslegungssache sein. Die AfD etwa beharrt stets besonders auf Präsenzveranstaltungen. "Wenn es gewünscht wird, werden wir es anbieten", sagt Landesvorstandsmitglied Gerd Mannes zur digitalen Variante, wobei solche Ansinnen aus Ortsverbänden noch nicht an den Landesverband herangetragen worden seien. Mannes sieht Versammlungen in Räumen eher unproblematisch, auch in stark betroffenen Regionen wie Weiden. "Da kommen vielleicht 50 oder 60 Leute, das kann man präsenzmäßig machen."

Da sind sie bei den Grünen und der SPD deutlich vorsichtiger, auch rechtlich sehen die beiden Parteien keine Schwierigkeiten bei rein digitalen Aufstellungen. "Wo soll das Problem sein?", fragt etwa Stefan Norder, der im Donau-Ries für die Grünen in den Bundestag will und als Rechtsanwalt arbeitet. Entscheidend sei, dass alle die Möglichkeit hätten, die Kandidaten anzuhören und Fragen zu stellen. "Eine Anfechtung könnte es nur geben, wenn sich jemand übergangen fühlt."

Norder hält Präsenzveranstaltungen derzeit "für unverantwortlich", trotz eher geringer Inzidenzen in seinem Heimatwahlkreis. Der Landesverband der Grünen will seinen Ortsverbänden allerdings keine digitalen Aufstellungen vorschreiben. Die Parteisatzung wurde Anfang der Woche entsprechend geändert, womit der Weg frei ist für digitale Versammlungen.

So hat es auch die SPD gemacht, Landesgeschäftsführer Olaf Schreglmann sieht bei Präsenzveranstaltungen allerdings ebenfalls kein Problem, solange die Hygienevorschriften eingehalten werden. Die Kritik an großen Versammlungen könne er schon nachvollziehen, Schreglmann verweist aber auf ein Schreiben des Gesundheitsministeriums aus dem Januar, wonach die Kreisbehörden Ausnahmeregelungen für Parteiversammlungen mit vielen Leuten großzügig erlauben sollten. Aufgrund des politischen und verfassungsrechtlichen Gewichts sei das Verbot von Versammlungen in Innenräumen hier aufzuheben. Ein Argument, das auch die CSU vorbringt: "Demokratie darf auch in Corona-Zeiten nicht pausieren."

Das Gesundheitsministerium lässt auf Anfrage der SZ inzwischen aber auch eine Präferenz für alternative Formen der Aufstellung erkennen. "Klar ist: Wer Kontakte vermeidet, kann Infektionen verhindern", sagt ein Sprecher. Deshalb sei auch für Delegiertenversammlungen zu prüfen, ob eine digitale Durchführung erfolgen könne.

© SZ vom 11.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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