Corona in Bayern:Das Virus ist zurück in den Heimen

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Das Seniorenheim St. Franziskus in Berching im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz wird von der Caritas betrieben. Dort sind mehrere Menschen an Covid-19 erkrankt. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Mehrere Pflegeeinrichtungen in Bayern melden Corona-Ausbrüche. In einem Heim in Berching sterben vier Senioren. Nun liegt eine Hoffnung auf Schnelltests, um damit Infektionsketten zu unterbrechen.

Von Clara Lipkowski, Berching, und Dietrich Mittler, Berching/München

"Ich bin tief besorgt", sagt Ludwig Eisenreich, Bürgermeister der Oberpfälzer Stadt Berching. Mit dem Stadtpfarrer hat er gerade erst gesprochen. "Ich habe ihn gebeten, alle Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims Berching, darunter auch vier Ordensschwestern, ins Gebet einzuschließen", sagt Eisenreich. Im Heim St. Franziskus, nur wenige Schritte vom Rathaus entfernt, sind 44 Bewohnerinnen und Bewohner an Corona erkrankt, vier von ihnen sind bereits an der schweren Lungenkrankheit gestorben. "Hoffentlich werden es nicht mehr", sagt der Bürgermeister. Zwei der Verstorbenen waren mehr als 100 Jahre alt. "Aber ohne Corona hätten sie noch weiterleben können", betont Eisenreich. Verunsicherung und Trauer liegen über der kleinen Stadt.

Aus ganz Bayern kommen derzeit Meldungen, dass das Coronavirus wieder verstärkt in Altenheimen wütet. Massiv betroffen ist etwa das Seniorenzentrum Haus Fuchsenmühle im unterfränkischen Ochsenfurt, in dem sich 46 Bewohner und 26 Mitarbeitende infiziert haben. Angesichts der durch Corona verursachten Personalknappheit wurde angedacht, positiv getestete Pflegekräfte, die symptomfrei sind, arbeiten zu lassen. Aber nur infizierte Bewohnerinnen und Bewohner dürften dann von ihnen betreut werden. In der Einrichtung Walterhof im oberbayerischen Markt Schwaben sind wiederum am Wochenende zwei der 34 infizierten Bewohner an Covid-19 gestorben. Längst kein Einzelfall mehr.

Der Kampf gegen das Virus zeigt indes auch Erfolge: Wieder rückläufig ist die Zahl der Corona-Infizierten im Caritas-Seniorenheim St. Josef in Nürnberg-Langwasser, und in einer Ingolstädter Einrichtung konnten die Infektionsketten schnell unterbrochen werden. Doch wie geht es weiter? "Die Gesamtsituation ist sehr belastend", sagt Hedwig Kenkel, Abteilungsleiterin Pflege und Wohnen der Caritas-Altenhilfe in der Diözese Eichstätt, in deren Bereich unter anderem das Berchinger Seniorenheim fällt. Am Dienstagmorgen waren in Berching auch 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Caritas-Heims mit dem Erreger Sars-CoV-2 infiziert, darunter alle Leitungskräfte - also die Einrichtungsleitung, die Pflegedienstleitung und die Bereichsleitungen. "Auch wenn nun sechs Pflegekräfte aus anderen Caritas-Heimen bereit waren, in Berching einzuspringen, wir können nur noch auf Sicht fahren", sagt Kenkel.

Was sie besonders mitnimmt: "Die Berchinger Einrichtung hat es wirklich massiv getroffen - trotz Beachtung aller Schutzmaßnahmen, trotz kontrollierter Besuche und trotz der engen Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt." Nach Erkenntnissen der zuständigen Amtsärztin sei das Coronavirus nicht nur über eine infizierte Person ins Haus getragen worden, sondern vermutlich gleich über mehrere. "Und wir haben die schweren Monate erst vor uns", sagt Kenkel. Für das Berchinger Seniorenheim gilt nun ein Besucherstopp, aber eines ist Kenkel dennoch wichtig zu sagen: "Wenn Bewohner im Sterben liegen, können die Angehörigen ins Haus kommen."

Niemand in der Einrichtung störe sich an strengen Sicherheitsregeln - eher im Gegenteil

Kenkels Hoffnung liegt nun auf Schnelltests, um so die Sicherheit der Heimbewohner, der Angehörigen und der Mitarbeitenden zu erhöhen. Überdies ließen sich so wieder mehr Besuche ermöglichen. Eigentlich hätten Schnelltests in Berching längst zum Einsatz kommen können. Das Bundesgesundheitsministerium hatte per Testverordung schon Mitte Oktober die Weichen dafür gestellt. Aber: "Wir haben erst jetzt am späten Montagabend die Ausführungsverordnung aus dem Gesundheitsministerium in München bekommen", sagt Kenkel. Vor der Anwendung der Schnelltests müssten überdies die Einrichtungsmitarbeiter erst noch geschult werden. Behördlicherseits verspielte Zeit? Hedwig Kenkel zögert. "Man hätte schon Infektionsketten unterbrechen können", sagt sie.

Vorwürfe will sie aber keinem machen: "Auch die arbeiten alle am Limit", betont sie. Aus dem Gesundheitsministerium hieß es auf Anfrage: "Die bayerische Staatsregierung hat insgesamt 10,5 Millionen Antigen-Schnelltests bei verschiedenen Herstellern für Bayern gesichert." Davon seien bislang 500 000 Einheiten geliefert worden, teilte eine Sprecherin am Dienstag mit. Bislang habe das Ministerium "als zusätzliche Schutzmaßnahme" rund 465 000 Antigen-Schnelltests an die Landkreise und kreisfreien Städte mit den jeweils höchsten Sieben-Tages-Inzidenzen verteilen können.

Corona hat in jenen Pflegeheimen, die bereits davon betroffen waren, tiefe Spuren hinterlassen - so auch in einer ostbayerischen Einrichtung, in der im Frühjahr vier Bewohnerinnen und Bewohner an Covid-19 gestorben waren. "Wir hören im Radio die aktuellen Meldungen", sagt der Heimleiter, "und das löst unter unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern große Ängste aus." Niemand in der Einrichtung störe sich mehr an strengen Sicherheitsregeln - eher im Gegenteil. Draußen vor dem Haus etwa dürfen Raucher nur an markierten Stellen stehen, damit genug Abstand zwischen ihnen besteht. Was die Einhaltung der Regeln angeht, hat der Leiter im Haus die Losung ausgegeben: "Wir müssen uns hier so verhalten, als ob wir positiv getestet wären."

© SZ vom 04.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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