Die Causa Daniel Halemba führt in der bayerischen AfD endgültig zu Verwerfungen. Ein Parteitag forderte den umstrittenen Landtagsabgeordneten am Samstag auf, "unverzüglich" sein Mandat niederzulegen. Ein Antrag dazu fand bei dem Treffen in Greding eine überraschend klare Mehrheit von fast 57 Prozent der Stimmen. Gegen den 22-jährigen Burschenschafter, der seit Oktober im Landtag sitzt, ermittelt die Staatsanwaltschaft Würzburg wegen mutmaßlicher Volksverhetzung. Zudem sollen Aufstellungstreffen für seine Landtagskandidatur in Unterfranken über Scheinwohnsitzmeldungen beeinflusst worden sein. Halemba will sein Mandat behalten - er ist an die Aufforderung des Parteitags nicht gebunden. Weitere Konflikte sind daher zu erwarten, wohl auch Debatten in der Fraktion. Der Druck auf Halemba und seine Unterstützer steigt.
Der AfD-Bundesvorstand hatte die bayerische Parteispitze im Dezember außerdem zu einem Parteiausschlussverfahren gegen Halemba aufgefordert. Nicht wegen der Ermittlungen, in denen es etwa um Nazi-Devotionalien in seinem Würzburger Burschenschaftshaus geht, sondern wegen der Tricksereien bei der Kandidatur. Laut AfD-Bundeschefin Alice Weidel könne er "nicht in der AfD Mitglied bleiben". Der Landesvorstand unter Führung von Stephan Protschka schlug unterdessen nur eine zweijährige Sperre für Parteiämter vor - anstelle des Verfahrens zum Rauswurf. Die Prüfung des Sachverhaltes gebe nicht mehr her, hieß es, die Vorwürfe seien in Teilen nicht haltbar. Zum Beispiel beim Nachweis, dass Halemba aktiv an dem Wohnsitzbetrug mitgewirkt habe.
Halemba fällt also an der AfD-Basis in Ungnade, der beschlossene Antrag warf zudem dem Landesvorstand "Intransparenz, Wegschauen und Schönreden" vor. Es sei nichts unternommen worden, obwohl die Vorwürfe mit den Scheinwohnsitzen schon 2022 von anderen AfD-Mitgliedern beklagt worden seien. Der Vorstand habe sich "die Augen und die Ohren zugehalten" bei Halembas "Machenschaften", sagte einer der Antragssteller. Das spreche nicht für eine "ehrliche, prinzipientreue, glaubwürdige AfD".
Trotzdem wurde der niederbayerische Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka am Samstag wieder zum Vorsitzenden gewählt. Eine zweite Amtszeit war in der mehr als zehnjährigen Geschichte der Bayern-AfD bisher noch niemandem gelungen. Er setzte sich gegen einen Herausforderer durch, den Landtagsabgeordneten Andreas Winhart aus Oberbayern. Winhart, der dem tendenziell moderateren Lager in der AfD zugerechnet wird, hatte Protschka Schwächen bei der Wahlkampfplanung vorgeworfen. Und er hoffte offensichtlich auch, von dem Unmut über Halemba zu profitieren: "So eine Halemba-Diskussion wie heute möchte ich nie wieder in der Partei erleben", sagte er. Protschka, seit 2021 im Amt, zählt nicht offiziell zum völkischen "Flügel"-Lager, steht der Strömung aber nahe. Er warb für sich unter anderem mit dem Erfolg bei der Landtagswahl, dem Zuwachs der AfD von mehr als vier Prozent. Den gesamten Landesvorstand dominieren nach Abschluss aller Parteiwahlen am Sonntag eindeutig Vertreter des "Flügel"-Lagers.
Fast drei Stunden benötigte der Parteitag allein, um sich auf eine Tagesordnung zu einigen; schon allein dafür, ob überhaupt der Halemba-Antrag darauf steht und an welcher Stelle. Ungefähr 800 Mitglieder kamen nach Greding, außerordentlich viel im Vergleich zu früheren Parteitagen. Das alles zeigt die Brisanz der Angelegenheit Halemba. Zum Tagesthema sagte Protschka, es gebe eine interne und eine externe Causa Halemba. Beim internen Fall - den Tricks bei der Kandidatur - sei die Ämtersperre statt des Ausschlussverfahrens ausreichend, "jeder hat eine zweite Chance verdient". Beim externen Fall - der Volksverhetzung - wolle er "Leute, die die zwölf Jahre verherrlichen, nicht in dieser Partei haben". Gemeint ist die Hitler-Diktatur. Es sei indes ein offenes Ermittlungsverfahren, betonte Protschka, noch nichts erwiesen also.
"Angriff" auf Landtagspräsidentin Ilse Aigner
In Greding wurde auch eine geplante maximale Provokation der AfD im Landtag publik. Zu dessen konstituierender Sitzung Ende Oktober war der gewählte Abgeordnete Halemba per Haftbefehl gesucht worden. Die SZ hatte schon über Gedankenspiele berichtet, dass sich der Gesuchte im Landtag festnehmen lassen wollte, um sich als Opfer einer angeblichen "Gesinnungsjustiz" zu inszenieren. Ein unvorstellbarer Eklat wäre das gewesen, ausgerechnet beim Zeremoniell der ersten Sitzung mit Gästen aus Kirchen und jüdischer Gemeinde, aus Gesellschaft, Justiz und Diplomatie.
Vize-Fraktionschef Martin Böhm gab nun offen zu, dass genau dies sein Rat an Halemba gewesen sei - um gezielt Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), in deren Parlament der Vollzug der Festnahme stattfände, zu "delegitimieren". Dann wäre Aigner, so Böhm, "diejenige gewesen, zu deren Zeit Oppositionelle im Landtag verhaftet werden". Grund sei, dass die Präsidentin, "mit Inbrunst und Chuzpe den Hass gegen unsere blaue Partei" agiere. Böhm prahlte damit zunächst in einem Brief, aus dem der BR zitierte, dann in Greding auf offener Bühne.
Entsetzt reagierten darauf die Spitzen der Regierungsfraktionen. Klaus Holetschek (CSU) teilte mit, das sei "ein Angriff auf alle demokratischen Parlamentarier", "unwürdig und schäbig". Florian Streibl (Freie Wähler) sagte: "Dieser Vorgang zeigt, dass die AfD unsere Demokratie und unseren Freistaat zerstören will." Das Landtagsamt, sonst neutral auftretend, warnte vor der weiteren Radikalisierung der AfD-Fraktion, die Präsidentin werde "weiterhin alles tun, was rechtsstaatlich geboten ist, um die Feinde unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu demaskieren". AfD-Mann Böhm verteidigte Halemba demonstrativ auch gegen den Verdacht der Volksverhetzung. Die Aktenlage der Staatsanwaltschaft ist in seinen Augen dürftig. Sich nicht hinter Halemba zu versammeln, das sei "Feigheit vor dem Feind".