Finanzielle Engpässe:Bahnhofsmissionen brauchen mehr Geld

Lesezeit: 3 min

Bahnhofsmission am Gleis 11 im Münchner Hauptbahnhof. (Foto: Catherina Hess)

Viele Ehrenamtliche kümmern sich an Bayerns Bahnhöfen um Menschen in Not, der Bedarf steigt. Doch die zwölf Einrichtungen sind stark unterfinanziert. Im Landtag sagen Abgeordnete Unterstützung zu.

Von Johann Osel

Derzeit gibt es zwölf Bahnhofsmissionen in Bayern, zwischen Lindau und Hof, zwischen Passau und Aschaffenburg. Der Standort Kempten musste im vergangenen Jahr schließen, einige Jahre davor taten das Bamberg und Rosenheim. Hedwig Gappa-Langer warnt vor einem weiteren Sterben der Einrichtungen im Freistaat. Sie ist die Referentin für Bahnhofsmissionen im In-via-Landesverband, der gemeinsam mit der Diakonie Bayern als Fachverband der Caritas die Interessen der kirchlichen Bahnhofsmissionen vertritt. Die Expertin gab im Verkehrsausschuss des Landtags am Dienstag einen Bericht zur Lage ab. Und die sieht düster aus.

In ganz Bayern engagieren sich demnach mehr als 300 Ehrenamtliche in dem Bereich. Organisation und Begleitung indes benötigten hauptberufliche Mitarbeiter: 40 sind es nach Köpfen, bei gerade mal gut 15 Vollzeitstellen. Manche Kolleginnen und Kollegen, sagte Gappa-Langer, arbeiteten nur wenige Stunden bezahlt, den Rest der Zeit ehrenamtlich. Ohne diese würde es vielleicht schon fünf weitere Standorte nicht mehr geben. "Wir brauchen mehr Hauptamt, um das Ehrenamt zu halten oder ausbauen zu können." Dazu seien dauerhaft Mittel nötig - eine solide Grundfinanzierung. Die Referentin befürchtet: Sonst gehe der Trend weiter, noch mehr Bahnhofsmissionen müssten irgendwann schließen.

Dabei besteht am Wert der Arbeit kein Zweifel. Gappa-Langer schilderte dies in der Sitzung, zu der auch Abgeordnete aus dem Sozialausschuss hinzukamen. Bahnhofsmissionen seien oft erste oder letzte Anlaufstelle für Menschen in Not. Die erste für Reisende mit Problemen, mit Hilfebedarf beim Umsteigen oder "wenn sie nicht wissen, wohin". Die letzte für Menschen in sozialen Schwierigkeiten, "wenn sie nicht mehr wissen, wohin". Die Einrichtungen seien "einfach da für alle Menschen", jeder könne kommen, egal mit welchem Bedürfnis. Es handle sich um eine soziale Einrichtung, deren Standort am Bahnhof allseits bekannt und leicht zu finden sei, die niedrigschwellig greife, die nicht wie andere nach Dringlichkeit sortiere, "ein Alleinstellungsmerkmal".

Im Vergleich zum Jahr 2019 zählen die Missionen 35 Prozent mehr Kontakte. In der Pandemie blieben sie offen, Migration ist ein großes Thema, ebenso Armut, damit steigt die Nachfrage nach Lebensmitteln. Dazu kommt wachsender Gesprächsbedarf von Klienten mit Existenzängsten. Und konkret kämen, so Gappa-Langer, immer mehr Hilfsbedürftige, die "psychisch schwer auffällig" seien. Dieses Ehrenamt sei nicht etwa mit Vorlesen im Seniorenheim zu vergleichen, man wisse morgens nicht, was der Tag bringt. Schlimmste Dinge könnten das sein - bis zum Thema Suizid.

"Am Limit" - unter der Losung hatten die Bahnhofsmissionen bereits vor Monaten auf die Herausforderungen hingewiesen. In einer Kampagne warben sie um Aufmerksamkeit, neue Ehrenamtliche und Spenden. Momentan finanzieren sie sich über mehrere Töpfe: Es gibt allem voran kirchliche Mittel, die Unterstützung von Kommunen fällt der Referentin zufolge höchst unterschiedlich aus. München sei eine Ausnahme, mit einer speziellen vertraglichen Vereinbarung. Bei den anderen Kommunen seien manche nur "in der Größenordnung der Portokasse" dabei; das bedeutet Zuschüsse von wenigen Tausend Euro. Die Deutsche Bahn stelle Räume zur Verfügung, vergebe auch Projektmittel. Das Sozialministerium fördert etwa das landesweite Netzwerk, es gibt weitere Hilfen im Detail, mitunter auch aus dem Staatshaushalt oder von Unternehmen. Das alles ist indes kein verlässliches Fundament.

CSU und Freie Wähler wollen die Situation mit einem Antrag verbessern

Das soll sich ändern. Der Verkehrsausschuss beschloss einstimmig einen Antrag von CSU und FW, der nun den parlamentarischen Gang nimmt. Darin wird die Staatsregierung aufgefordert zu prüfen, welche Möglichkeiten es für eine verbesserte Förderung vom Jahr 2025 an gibt. Zudem solle ein runder Tisch kommen, mit Freistaat, Kirchen, Bahn und betroffenen Kommunen. Begründung: "Die Bahnhofsmissionen sind chronisch unterfinanziert".

Alle "Player" müssten an einen Tisch kommen, sagte der CSU-Sozialpolitiker Thomas Huber, um die Einrichtungen "auf zukunftsorientierte und nicht tönerne Füße zu stellen". Dann könne sich auch "keiner mehr aus der Verantwortung nehmen", man müsse ein "ernsthaftes Wort" mit jenen Kommunen reden, die "wenig bis gar nichts" leisteten. Doris Rauscher (SPD), Vorsitzende des Sozialausschusses, sagte, sie sei gespannt, wie es in den Haushaltsverhandlungen weitergehe für eine "bessere Sockelfinanzierung". Der Doppelhaushalt 2023/2024 soll im Juni endgültig beschlossen werden. Markus Büchler (Grüne) merkte an, "dass wir mit den Bahnhofsmissionen einen riesengroßen Schatz haben, den wir ausbauen sollten, als zuzuschauen, wie er schmilzt".

Auch wenn Bahnhofsmissionen im Sozialbereich so relevant sind, ist der klassische Beistand für Reisende weiterhin Schwerpunkt. Was laut Hedwig Gappa-Langer mit Blick auf die alternde Gesellschaft noch wichtiger werde: So kümmern sich die Teams zum Beispiel um ältere Personen oder Menschen mit Handicap, die überfordert sind auf überfüllten Bahnsteigen. Sie sieht schon jetzt "erhöhten Bedarf, da an manchen Standorten der Service der Bahn nicht immer ausreichend ist, gerade in Stoßzeiten". Die Barrierefreiheit mit Aufzügen, wo es im Übrigen noch arge Defizite gibt, funktioniere nicht immer, da müssten Rollatoren getragen werden. Ein anderes Beispiel sei die Familie, bei der ein Kind noch am Bahnsteig steht, während sich die Zugtür schließt. Dann gelte es, die Zusammenführung zu organisieren, zu beruhigen. Gemäß dem Motto: Einfach da sein, für alle.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Armut
:Bayerns Bahnhofsmissionen rufen um Hilfe

Krieg, Inflation, hohe Energiepreise: Immer mehr und immer jüngere Menschen bitten in den Einrichtungen um Brot und Kaffee. Der Zulauf setzt die Ehrenamtlichen unter Druck. Schon kleine Spenden helfen.

Von Nina von Hardenberg

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: