Armut:Bayerns Bahnhofsmissionen rufen um Hilfe

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Die Münchner Bahnhofsmission wird von der Stadt stark mitfinanziert. In anderen Kommunen fällt die Unterstützung geringer aus. (Foto: Stephan Rumpf)

Krieg, Inflation, hohe Energiepreise: Immer mehr und immer jüngere Menschen bitten in den Einrichtungen um Brot und Kaffee. Der Zulauf setzt die Ehrenamtlichen unter Druck. Schon kleine Spenden helfen.

Von Nina von Hardenberg

Kundschaft hatte die Bahnhofsmission in Schweinfurt schon immer. Schweinfurt ist eine klassische Arbeiterstadt. Das Thema Altersarmut kennen sie hier und auch ihre Stammgäste, die dankbar für eine kostenlose Tasse Kaffee sind; dankbar auch, ein wenig plaudern zu können, ohne sich erklären zu müssen. Es kamen vor allem ältere Männer, die arm oder einsam waren. Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, die nach warmer Kleidung und Schlafsäcken fragten. Seit einiger Zeit aber kommen auch andere.

"Die Gäste werden immer jünger bei uns", sagt Martina Fallmann, die als Geschäftsführerin des In Via Diözesanverbands Würzburg auch zuständig ist für die Bahnhofsmission Schweinfurt und dort selbst Dienste übernimmt. Es kommen Menschen, die eigentlich einen Job haben und trotzdem nicht über die Runden kommen. "Die Stunde, die ich bei euch bin, bekomme ich was zu essen und muss zu Hause nicht heizen", solche Sätze höre sie jetzt öfter. Andere fragen nach ordentlicher Kleidung für ein Vorstellungsgespräch. Krieg, Inflation, hohe Energiepreise: Die Not zieht weitere Kreise. Die Bahnhofsmissionen haben alle Hände voll zu tun - und rufen nun selbst um Hilfe.

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Etwa 600 000 Mal hätten die 13 bayerischen Bahnhofsmission im vergangenen Jahr einem Menschen geholfen. Manchmal reichen die Ehrenamtlichen nur eine Tasse Kaffee, mal führen sie Gespräche oder begleiten einen Gast zum Amt. Noch immer helfen sie auch älteren Reisenden beim Einstieg in den Zug. Zusammen waren das fast 100 000 Hilfestellungen mehr als vor der Corona-Pandemie. Das hat die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Bahnhofsmissionen nachgezählt. Gleichzeitig sind aber die finanziellen Mittel der Bahnhofsmissionen dramatisch zusammengeschrumpft. Und während der Corona-Pandemie gingen ihnen auch viele Ehrenamtliche verloren.

In dieser Woche haben die Bahnhofsmissionen deshalb eine Kampagne gestartet. Unter dem Motto "Da kann ich was bewegen" bitten sie um Spenden und um ehrenamtliche Mitarbeit. Beides werde dringend gebraucht, sagt Hedwig Gappa-Langer von In Via Bayern, die von katholischer Seite die bayerischen Bahnhofsmissionen betreut. Die Missionen haben sich ursprünglich aus Spenden und Mitteln der evangelischen und katholischen Kirche finanziert. Da immer mehr Menschen aus der Kirche austreten, schrumpfen die kirchlichen Mittel. In den vergangenen Jahren unterstützen vielerorts auch die Kommunen die Bahnhofsmissionen. Diese freiwilligen Zuschüsse fallen aber sehr unterschiedlich hoch aus. Die große Bahnhofsmission in München etwa wird von der Landeshauptstadt stark mitfinanziert. Anderswo liegen die Zahlungen der Kommunen bei wenigen Hundert Euro, sagt Gappa-Langer.

Jede Packung Kaffee ist willkommen

Die Bahnhofsmissionen freuen sich über jede Spende, betont ihre Kollegin Martina Fallmann. In Schweinfurt kommt Hilfe oft von Menschen, die selbst nicht viel haben. Rentnerinnen etwa, die ein Blech Kuchen vorbeibringen. Auch jede Packung Kaffee sei willkommen. Der wird immer gebraucht. Auch Kleiderspenden in Herrengrößen suchen sie hier sowie Hygieneartikel.

Mindestens so sehr aber suchen sie helfende Hände. In der Corona-Pandemie hätten viele Ehrenamtliche aufgegeben. Bis heute sind viele Teams zu klein. Die Bahnhofsmission in Kempten musste deshalb zum Jahresbeginn schließen. Die Arbeit in der Bahnhofsmission gilt als ein besonders forderndes Ehrenamt, weil die Freiwilligen mit völlig unterschiedlichen Bedürfnissen konfrontiert werden. Da ist die alte Dame, die mit dem Fahrkartenautomaten kämpft. Es kann aber auch passieren, dass das Zugpersonal Menschen, die eine akute psychische Krise erleiden, bei der Bahnhofsmission absetzt. Dann müssen die Mitarbeiter dort überbrücken, bis ein Notdienst kommt. Die Ehrenamtlichen werden für solche Situationen geschult.

Dieses Jahr konnten mit Sondermitteln der Staatsregierung in Bayern sogar spezielle Fortbildungen zur Begleitung von Menschen in psychischen Belastungssituationen und zum Deeskalations-Training angeboten werden.

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